Freitag, April 19, 2024

Rheuma und Kinderwunsch: Krankheit und Schwangerschaft meistern

Rheuma, Kinderwunsch und Schwangerschaft stellen für die Beziehung von Arzt, Rheumatologen und Patientin eine besondere Herausforderung dar.

Im Grunde genommen sind Frauen mit Rheuma-Erkrankungen häufig bei Krankheitsausbruch im gebärfähigen Alter, wenn sie über Kinderwunsch und eine Schwangerschaft nachdenken oder eine ungeplante Schwangerschaft entdecken. Denn fast ein Drittel der Betroffenen ist bei der Rheuma-Diagnose noch keine 40 Jahre alt. Dabei ergeben sich häufig spezifische Probleme bei der Schwangerschaftsplanung und dem Management der Patientinnen.

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Die Kenntnis der Auswirkung einer Schwangerschaft auf die Krankheitsaktivität ist für die Beratung wichtig. Unter dem Strich kann die Schwangerschaft verschiedene Faktoren zur Messung der Krankheitsaktivität verändern. Krankheitsaktivitätsindizes, die speziell für die Schwangerschaft modifiziert wurden, existieren für Rheuma-Erkrankungen mit Ausnahme von systemischen Lupus erythematodes nicht. Allgemein spielt die Arzt-Patientinnen-Beziehung eine wichtige Rolle.

Ein Grund für die Sorge von Ärzten und Patientinnen ist, dass sich Schwangerschaften auf den Verlauf und die Aktivität der zugrunde liegenden Rheuma-Erkrankung negativ auswirken können. Zudem ist eine Schwangerschaft bei Rheuma mit erhöhten Risiken wie Fehlgeburten und Frühgeburten verbunden.

 

Bei Rheuma und Kinderwunsch ist eine optimale Planung einer Schwangerschaft notwendig!

Deswegen ist die Beratung der Rheuma-Patientinnen mit Kinderwunsch und die optimale Planung einer Schwangerschaft von immenser Bedeutung. Ein wichtiger Aspekt in der Beratung stellt die medikamentöse Therapie dar, die an die Zeit vor, in und nach der Schwangerschaft angepasst werden muss. Hier herrscht weiterhin oft Verunsicherung, welche Medikamente abgesetzt werden müssen beziehungsweise fortgesetzt werden können. Und wie man Schübe in der Schwangerschaft behandeln kann.

 

Lupus und Schwangerschaft

Bei Frauen mit Kollagenosen, insbesondere einem systemischem Lupus erythematodes, besteht im Rahmen einer Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko sowohl für einen Schub der Erkrankung als auch für eine geburtshilfliche Komplikation. Wie wichtig die Planung einer Schwangerschaft ist zeigt die 2015 veröffentlichte PROMISSE-Studie. Hierbei handelt es sich um die größte und vor allem prospektive Untersuchung zur Häufigkeit von Schwangerschaftskomplikationen bei Frauen mit inaktivem oder mild aktivem systemischen Lupus erythematodes (!) zum Zeitpunkt der Konzeption.

Über 80 Prozent dieser Schwangerschaften verliefen ohne Komplikationen. In weniger als 10 Prozent wurden Frühgeburten oder unterentwickelte Neugeborene beobachtet. Zudem trat ein schwerer Schub in weniger als 5 Prozent der Schwangerschaften auf. Bei Frauen, die einen Schub entwickelten, erhöhte sich dann allerdings das Risiko eines ungünstigen Schwangerschaftsausgangs gegenüber stabilen Patientinnen auf das circa sechsfache.

 

Rheumatoide Arthritis und Schwangerschaft

Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) verbessert sich die Erkrankungsaktivität bei etwa der Hälfte der Frauen während einer Schwangerschaft, bei der anderen Hälfte bleibt sie aber behandlungsbedürftig und es können auch schwere Schübe auftreten. Dies trifft besonders oft zu bei Frauen mit sehr schweren (zum Beispiel sero-positiver RA-) Erkrankung und bei Frauen, die bei der Konzeption eine aktive Erkrankung aufweisen. Schübe beziehungsweise entzündliche Aktivität in der Schwangerschaft wirkt sich negativ auf das Risiko von Schwangerschaftskomplikationen auf.

Zum Beispiel sind Frühgeburten und Geburten wachstumsverzögerter Kinder dann häufiger. Eine Strategie mit dem Ziel der Remission beziehungsweise „low disease activity“ wird heute daher (auch) für Frauen mit Konzeptionswunsch verfolgt. Bei sero-negativen Frauen mit mildem Krankheitsverlauf kann erwogen werden, die Therapie in der Schwangerschaft zu reduzieren. Patientinnen mit rheumatoider Arthritis, die mit einem Biologikum behandelt werden und dieses vor beziehungsweise bei Konzeption aussetzen, haben dagegen ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Schub in der Schwangerschaft. Für diese Frauen gilt es, individuell die beste und sicherste Behandlungsmethode zu finden.

 

Höhere Fruchtbarkeit bei gut eingestellter Rheuma-Erkrankung

Allgemein gilt, dass Frauen mit entzündlichen Rheuma-Erkrankungen eine verminderte Fruchtbarkeit und schlechtere Ergebnisse während der Schwangerschaft haben. Der aktuelle Wissensstand zeigt allerdings, dass Frauen mit einer gut eingestellten Rheuma-Erkrankung höhere Fertilitätsraten, eine höhere Fruchtbarkeit, aufweisen. Zudem erleben sie weniger Rheuma-Schübe und Komplikationen in der Schwangerschaft. Und schließlich bekommen sie auch mehr gesunde und normalgewichtige Kinder.

 

Biologika und Schwangerschaft

Erschwert wird eine „evidenzbasierte“ Beratung durch ungenügende Daten zur Pharmakotherapie im Rahmen von Schwangerschaften. Dies betrifft insbesondere die schnell wachsenden neuen Therapiemöglichkeiten. TNF-α-Inhibitoren sind die einzigen bereits gut untersuchten Biologika in der Schwangerschaft; die verfügbaren Daten zeigen kein erhöhtes Risiko für spezifische Fehlbildungen.

Zu anderen Biologika wächst die Datenlage erst langsam an. Zur weiteren Beurteilung der Sicherheit sollte der Ausgang von möglichst allen Expositionen dokumentiert werden – nicht nur die positiven oder negativen Folgen.

Seit September 2015 ist das erste deutschlandweite Register für Frauen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen online (RHEKISS Rheuma – Kinderwunsch und Schwangerschaft). RHEKISS soll zu einer höheren Sicherheit in der Betreuung von Rheuma-Patientinnen mit Kinderwunsch beziehungsweise Schwangerschaft beitragen. Es soll auch dabei helfen, die Aufklärung der betroffenen Frauen erleichtern. Und zwar sowohl in Bezug auf die Planung von Schwangerschaften als auch zu Risiken bei ungeplant eingetretenen Schwangerschaften.


Literatur:

El Miedany Y, Palmer D. Rheumatology-led pregnancy clinic: enhancing the care of women with rheumatic diseases during pregnancy. [Published online ahead of print, 2020 Jun 3.] Clin Rheumatol. 2020;10.1007/s10067-020-05173-6. doi:10.1007/s10067-020-05173-6

Andreoli L, Gerardi MC, Fernandes M, et al. Disease activity assessment of rheumatic diseases during pregnancy: a comprehensive review of indices used in clinical studies. Autoimmun Rev. 2019;18(2):164-176. doi:10.1016/j.autrev.2018.08.008

Andreoli L, García-Fernández A, Chiara Gerardi M, Tincani A. The Course of Rheumatic Diseases During Pregnancy. Isr Med Assoc J. 2019;21(7):464-470.

Buyon JP, Kim MY, Guerra MM, Laskin CA, Petri M, Lockshin MD, Sammaritano L, Branch DW, Porter TF, Sawitzke A, Merrill JT, Stephenson MD, Cohn E, Garabet L, Salmon JE. Predictors of Pregnancy Outcomes in Patients With Lupus: A Cohort Study. Ann Intern Med. 2015;163(3):153-63.

Gotestam Skorpen C, Hoeltzenbein M, Tincani A, Fischer-Betz R, Elefant E, Chambers C, et al. The EULAR points to consider for use of antirheumatic drugs before pregnancy, and during pregnancy and lactation. Ann Rheum Dis. 2016;75(5):795-810.


Quelle:

Statement » Rheuma und Kinderwunsch «. Privatdozentin Dr. med. Rebecca Fischer-Betz. Poliklinik für Rheumatologie & Hiller Forschungszentrum, Universitätsklinikum Düsseldorf. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Frankfurt am Main 2016.

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