Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein typisches Symptom beim Hutchinson-Gilford-Syndrom, der Progerie, bei der es zu beschleunigter und vorzeitiger Alterung kommt.
Bekanntlich führen Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu Arteriosklerose und Herzversagen, den am weitest verbreiteten, altersbedingten Leiden beim Menschen. In einer neuen Studie in der renommierten Fachzeitschrift JCI beschreiben WissenschafterInnen aus der Forschungsgruppe von Roland Foisner der Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien, zusammen mit Wissenschaftlern des Ludwig Boltzmann-Clusters für Kardiovaskuläre Forschung, Zentrum für Biomedizinische Forschung der Medizinischen Universität Wien, sowie der BOKU Wien, die molekularen Mechanismen bei kardiovaskulären Erkrankungen im Rahmen der Erbkrankheit Hutchinson-Gilford-Syndrom, bekannter als Progerie. Die Ergebnisse könnten auch helfen, natürliche Alterungsprozesse des Herz-Kreislauf-Systems zu verstehen.
Molekulare Mechanismen beim Hutchinson-Gilford-Syndrom
Die genauen molekularen Mechanismen bei kardiovaskulären Erkrankungen sind unklar. Jedoch ist bekannt, dass Fehlfunktionen im Endothel am Anfang dieser Erkrankungen stehen. Beim Endothel handelt es sich um eine Zellschicht, die die Innenwände von Blutgefäßen auskleidet. Diese Zellen sind durch den Blutfluss ständigen mechanischen Belastungen ausgesetzt. In gesunden Zellen stützt ein Geflecht im Zellkern namens Lamina sowie das Zytoskelett die Zelle und hilft ihr Stabilität und Festigkeit zu wahren. Dies kann wechselnde mechanische Belastungen durch den Blutdruck abfedern. Die ForscherInnen haben nun erstmals beschrieben, wie dieses zelluläre Gerüst in Progerie-Modellorganismen beeinträchtigt ist. Dadurch werden in der Zelle abnormale mechanische Reaktionen hervorgerufen, wodurch exzessiv Bindegewebe in den Blutgefäßen gebildet wird.
Erstautorin Selma Osmanagic-Myers beschreibt die Ergebnisse im Detail: „Die Ansammlung der krankheitsverursachenden, mutierten Proteine in Zellen des Endothels machen die Lamina steif und statisch, wodurch hoher mechanischer Stress verursacht wird, der verhindert, dass das Endothel korrekt auf sich ändernde Belastungen des Blutflusses reagiert. Dies wiederum aktiviert zelluläre Signalwege, die Fibrose, Gefäßverhärtung und Herz-Kreislauf-Überfunktion verursachen.“
Mutationen im Gen LMNA verursachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beim Hutchinson-Gilford-Syndrom
Die Resultate basieren auf Studien in Progerie-Modellorganismen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind das häufigste und lebensbedrohlichste Symptom beim Hutchinson-Gilford-Syndrom. Sie werden von Mutationen im Gen LMNA verursacht, die zur Produktion eines mutierten Lamins namens Progerin führen. Gruppenleiter Roland Foisner zeigt sich daher optimistisch: „Ein besseres Verständnis der molekularen Defekte, die zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Progerie führen, wird helfen, neue Therapien zu entwickeln, die die Lebensbedingungen von PatientInnen verbessern und frühen Tod durch Herzstillstand verhindern. Während die meisten bisherigen Studien Defekte der Muskelzellen der Blutgefäße in Progerie gefunden haben, zeigen wir, dass die Fehlfunktion des Endothels zu Fibrose und Herzproblemen beitragen.“
„Interessanterweise findet sich das Progerie verursachende Lamin häufig auch in normal gealterten Organismen, jedoch in geringeren Konzentrationen. Die Herz-Kreislauf-Erkrankungen von „normal gealterten“ Personen ähneln daher denen von Progerie-Patienten. Die Studie gibt daher Einblick in die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen im Zusammenhang mit der fehlerhaften Reaktion auf mechanischen Stress durch Blutfluss, wie er an Krümmungen von gealterten Arterien auftritt“, fügt Bruno Podesser, Kardiologe an der Medizinischen Universität Wien, hinzu.
Die Studie bietet daher eine Erklärung für kardiovaskuläre Erkrankungen in Progerie auf molekularer Ebene und könnte auch helfen, die Prozesse der normalen Alterung der Blutgefäße zu erklären.
Literatur:
The Journal of Clinical Investigation. Endothelial progerin expression causes cardiovascular pathology through an impaired mechanoresponse. Selma Osmanagic-Myers, Attila Kiss, Christina Manakanatas, Ouafa Hamza, Franziska Sedlmayer, Petra L. Szabo, Irmgard Fischer, Petra Fichtinger, Bruno K. Podesser, Maria Eriksson, and Roland Foisner. DOI: 10.1172/JCI121297.