Freitag, April 26, 2024

Induzierte pluripotente Stammzellen bekämpfen das eigene Immunsystem

Induzierte pluripotente Stammzellen, kurz iPSC, sind ein vielversprechender Weg, den Mangel an menschlichen Spenderorganen zu überwinden.

Induzierte pluripotente Stammzellen sind wie embryonale Stammzellen in der Lage, sich in jede beliebige Körperzelle zu verwandeln. Professor Dr. Sonja Schrepfer, Wissenschaftlerin des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, und ihr Team haben nun herausgefunden, dass sich die Stammzellen genetisch verändern, während sie im Labor zum gewünschten Zelltyp heranwachsen. Beim anschließenden Einsetzen des neu gezüchteten Zellgewebes zurück in den Patienten stößt dessen Immunsystem sie deshalb ab.

 

Induzierte pluripotente Stammzellen aus Körperzellen

Induzierte pluripotente Stammzellen entstehen aus Körperzellen, zum Beispiel Hautzellen, die Ärzte dem Patienten entnehmen. Diese werden dann anschließend im Labor zu Stammzellen reprogrammiert. Dann züchtet man sie zum gewünschten Zelltyp weiter. Im Labor entwickeln Wissenschaftler aus ihnen etwa neue Herzmuskelzellen, um damit ein Infarkt-geschädigtes Herz zu reparieren.

Verglichen mit embryonalen Stammzellen weisen iPSC einige Vorteile auf. Einerseits sind sie ethisch unbedenklich und ihre Entnahme birgt auch keinerlei Risiken für den Zellspender. Andererseits nimmt man bislang an, dass der Körper neuen, aus den Stammzellen gezüchtete Zellen gut akzeptiert. Denn eigentlich kennt er sie ja schon.

 

Veränderungen in der Erbinformation

Tatsächlich stößt er das neue Gewebe aber trotzdem häufig ab. DZHK-Wissenschaftlerin Professor Dr. Sonja Schrepfer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und ihr Team haben nun herausgefunden, dass dafür Veränderungen in der Erbinformation der Zellen verantwortlich sind. Sie entstehen, wenn Forscher die entnommenen Körperzellen im Labor reprogrammieren und kultivieren. Diese als Mutationen bezeichneten Veränderungen der Erbinformation wandeln die Zellen so um, dass das Immunsystem sie als fremd ansieht und bekämpft, wenn das aus ihnen gezüchtete Zellgewebe wieder in den Patienten eingesetzt wird.

An sich sind solche Mutationen nichts Ungewöhnliches und ereignen sich auch normalerweise im Körper. Doch dort beseitigt das Immunsystem die veränderten Zellen sofort und sorgt somit dafür, dass sie sich nicht anreichern können. Diese Kontrolle fehlt im Labor, sodass sich auch genetisch veränderte Zellen immer weiter vermehren.

 

Akzeptanz durch Tarnung

Als Konsequenz müssten die Patienten nach einer Transplantation von Gewebe aus iPSC lebenslang Medikamente einnehmen, die eine Immunantwort unterdrücken, sogenannte Immunsuppressiva. Sie verhindern zwar die Abstoßung, verursachen aber auch beträchtliche Nebenwirkungen. Unter anderem schädigen Immunsuppressiva Nieren und Leber und erhöhen das Risiko für Tumoren sowie Diabetes. „Alternativ könnte man den Zellen eine Art Tarnkappe geben“, sagt Schrepfer.

„Damit gaukelt man dem Körper des Patienten vor, dass die im Labor hergestellten Zellen seine eigenen sind, sodass sie nach der Transplantation nicht mehr abgestoßen werden.“ Diese von Schrepfer und ihren Kollegen bereits entwickelte Tarnkappen-Technologie überprüfen die Wissenschaftler zurzeit intensiv. In Modellversuchen hat das Verfahren schon funktioniert. Die Medizinerin schätzt, dass sie die Technologie in fünf bis acht Jahren bei Patienten einsetzen können. Eine andere Strategie wäre, dass nur Zellen transplantiert werden, die nicht mutiert sind. Solch eine Qualitätskontrolle wäre laut Schrepfer aber sehr zeit- und kostenaufwendig.

Literatur:

Deuse T, Hu X, Agbor-Enoh S, Koch M, Spitzer MH. Gravina A, Alawi M, Marishta A, Peters B, Kosaloglu-Yalcin Z. Yang Y, Rajalingam R, Wang D, Nashan B, Kiefmann R. Reichenspurner H, Valantine H, Weissman IL, Schrepfer S. De novo mutations in mitochondrial DNA of iPSCs produce immunogenic neoepitopes in mice and humans. Nat Biotechnol. 2019 Aug 19. DOI: 10.1038/s41587-019-0227-7


Quelle: Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.

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