Samstag, April 27, 2024

Künftige Herausforderungen für unser Leitungswasser

Wir alle hängen am Wasserhahn. Von der Industrie, über Gewerbe bis hin zu den Privathaushalten, verbrauchen wir alle Wasser und produzieren Abwasser. Der resultierende Wasserkreislauf ist über die Jahrzehnte mit seinen Aufgaben gewachsen. Und mit ihm die Herausforderungen. Nicht zuletzt, da sich die menschlich verursachten Belastungen des Wassers (sowohl in der Natur als auch in unseren Trinkwassersystemen) als immer feinstofflicher und komplexer erweisen. Nachfolgend soll dieser Artikel einen kleinen Einblick in die Thematik geben:

Neue Herausforderungen für Trinkwasserreinheit?

Marco Fabian, Wasserexperte bei Vitalhelden.de, sagt, dass Kläranlagen und Wasserversorger in vielen Regionen aufgrund von Veränderungen im Wasserkreislauf vor großen Herausforderungen stehen, die geforderte Qualität aufrechtzuerhalten. Eine Verunreinigung des Trinkwassers kann auf verschiedene Weise erfolgen, unter anderem durch den Eintrag von Mikroplastik, das über Quellen wie Abwasser und Abfluss von Deponien in den Wasserkreislauf gelangt. Auch Arzneimittelrückstände können im Trinkwasser vorhanden sein, wenngleich sie typischerweise in geringen Konzentrationen vorliegen. Das Vorhandensein dieser Stoffe im Trinkwasser gibt Anlass zur Sorge, da schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit denkbar sein können.

Überhaupt können Verunreinigungen durch verschiedene Substanzen und Krankheitserreger sehr vielseitig sein. So ist eine penible Kontrolle schön und gut. Doch sind sanierungsbedürftige Leitungsnetze ein problematischer Faktor. Veraltete und marode Wassernetze sind jedoch leider keine Seltenheit mehr, sodass aufbereitetes Wasser im Verteilungsnetz selbst beeinträchtigt werden kann. Hier kollektiv nachzubessern und auch die Klärwerke (derer es Tausende gibt) mit neuesten Filtertechniken gegen Mikroplastik, Arzneirückstände und Co. auszustatten würde jedoch sehr schnell sehr teuer werden.

Vor allem sind jedoch alte und marode Rohrleitungen in den Behausungen selbst als vorrangige Problemquelle zu nennen. Kupfer- und Bleirohre sowie beschädigte Dichtungen oder still gelegte Leitungsstränge können Wasser auf den letzten Metern verunreinigen. Da wissen die Versorger schon, warum sie ab dem Hausanschluss rechtlich fein raus sind. In diesem Zusammenhang sollten Verbraucher auch stets verinnerlichen, dass nicht nur Rohrleitungen, sondern auch Armaturen (bzw. Module derselben, wie bspw. Perlatoren) mit der Zeit gereinigt oder sogar ausgetauscht werden müssen.

 

Trinkwasserverordnungen als Hüter der Wasserqualität

Die Trinkwasserverordnung ist ein Regelwerk in Deutschland und Österreich, das jeweils die Sicherheit und Qualität von Trinkwasser gewährleisten soll. Sie enthält Definitionen und Schutzvorschriften für Trinkwasser und legt sowohl bakterielle als auch chemische Grenzwerte fest. Diese Grenzwerte basieren auf dem Vorsorgeprinzip und sollen vor gesundheitlichen Risiken schützen. Die Vorschriften gelten jedoch in beiden Fällen nur bis zum Hausanschluss und die Verantwortung für die Sicherstellung der Wasserqualität im Haus liegt letztlich beim Grundstückseigentümer.

Zu den wichtigsten Grenzwerten laut den Trinkwasserverordnungen zählen bspw. jene für Blei, Kupfer oder Nitrat. Grenzwerte für Mikroplastik sind in den Trinkwasserverordnungen noch nicht enthalten. Teilweise deswegen, weil Mikroplastik mitunter schwer zu bestimmen ist und das Aufkommen regional sowie zeitlich sehr unterschiedlich sein kann. Beispielsweise durch den sogenannten „Flush-Effekt“, der sich einstellt, wenn nach einer langen Trockenperiode angesammelter Reifenabrieb (ein Hauptverursacher für Mikroplastik im Wasserkreislauf) plötzlich durch Starkregen abgetragen und von den Fahrbahnen geschwemmt wird.

Die Trinkwasserverordnung in Deutschland und Österreich unterscheidet sich teilweise in ihren Grenzwerten, wobei die Regelungen selbst wesentlich sehr ähnlich sind. In beiden Ländern legen die Verordnungen Grenzwerte sowohl für bakterielle als auch für chemische Parameter fest. Die strengen Grenzwerte sollen vor gesundheitlichen Risiken schützen und gelten nur bis zum Hausanschluss. Dabei sind die Grenzwerte für chemische Parameter in Deutschland tendenziell etwas niedriger als in Österreich. Auch die Umsetzung und Durchsetzung der Trinkwasserverordnungen funktioniert in Deutschland und Österreich sehr ähnlich. In Österreich obliegt die Umsetzung und Durchsetzung der Trinkwasserverordnung den Bundesländern und die Wasserversorger sind zu einer regelmäßigen Selbstkontrolle verpflichtet.

 

Mikroplastik im Trinkwasser

Bei Mikroplastik handelt es sich um winzige Kunststoffpartikel mit einer Größe von weniger als 5 mm bis hinab in den Nanometerbereich. Sie kommen in verschiedenen Quellen wie Kosmetika, Kleidung und Verpackungsmaterialien vor, auch wenn sie zunehmend aus der Kosmetik verschwinden. Ferner entsteht Mikroplastik durch den Abrieb von Reifen, Schuhsohlen und durch unzulässige Müllentsorgung in der Natur. Bedenklich ist Mikroplastik insofern, da es zwar zerfällt, aber nicht verrottet, wodurch die kleinen Partikelgrößen möglich werden. Die Partikel werden also immer kleiner und können immer tiefer in Organismen und Nahrungsketten eindringen.

Sobald Mikroplastik-Partikel in großer Zahl in den Wasserkreislauf gelangen, können sie Trinkwasserquellen verunreinigen und ein potenzielles Gesundheitsrisiko darstellen. Studien haben gezeigt, dass sich Mikroplastik im menschlichen Körper ansammeln und möglicherweise gesundheitliche Probleme wie Entzündungen, oxidativen Stress und sogar Krebs verursachen kann. Darüber hinaus kann Mikroplastik andere schädliche Chemikalien, wie persistente organische Schadstoffe und Schwermetalle, an sich binden und transportieren, was die potenziellen Gesundheitsrisiken weiter erhöht.

Die Entfernung von Mikroplastik aus dem Trinkwasser ist eine große Herausforderung. Daher ist es wichtig, bereits den Eintrag von Mikroplastik in den Wasserkreislauf von vornherein zu verhindern, indem deren Verwendung reduziert und die Abfallbewirtschaftung verbessert wird.

 

Folgende Aspekte machen es schwierig, Grenzwerte für Mikroplastik festzulegen:

Zum einen ist „Mikroplastik“ nur ein Oberbegriff hinter dem sich viel verbergen kann.
Zuverlässige Datenerhebungen sind schwierig. So können bspw. Fette im Abwasser die Messergebnisse enorm verzerren.

Ferner geschieht die Einbringung von Mikroplastik oftmals regional und zeitlich begrenzt in Schüben (siehe den oben genannten „Flush-Effekt“).

Mikroplastik bewegt sich typischerweise in Clustern und verteilt sich nicht gleichmäßig. So haben Entnahmeproben ein und desselben Gewässers schon oftmals enorm unterschiedliche Ergebnisse offenbart. Von nahezu keinem Mikroplastik bis hin zu mehreren Hunderten oder gar Tausenden Teilen in Proben gleicher Größe!

 

Arzneimittel im Trinkwasser

Auch Arzneimittelrückstände können Trinkwasserquellen verunreinigen. Ähnlich problematisch handelt es sich hier um einen Cocktail an unterschiedliche Wirkstoffen. Diese Rückstände können über verschiedene Pfade in den Wasserkreislauf gelangen:

Unsachgemäße Entsorgung (bspw. wenn ein Medikamentenbecher mit Rückständen ausgespült wird).

Menschliche Ausscheidungen – Auch Patienten gehen aufs Klo und geben Medikamentenrückstände bzw. deren Stoffwechselprodukte ins Abwassersystem ab.

Massentierhaltung gilt als besonders problematisch, da dort auf engem Raum geballt mit Medikamenten sowie den Ausscheidungen der Tiere hantiert wird. Dort entstehen häufig Hot Spots für entsprechende Belastungen.

Obwohl die Konzentrationen dieser Rückstände im Trinkwasser im Allgemeinen niedrig sind, geben ihre potenziellen Gesundheitsrisiken immer noch Anlass zur Sorge. Nicht zuletzt mit Blick auf die Möglichkeit wild wuchernder Antibiotikaresistenzen. Vor allem aber wird eine zunehmend überalternde Bevölkerung immer mehr Medikamente einnehmen und entsprechend ausscheiden. Schon heute machen Wirkstoffe aus Arzneimitteln rund zwei Prozent aller (in Spuren) chemisch nachweisbaren Substanzen im Abwasser aus!

 

Was können Verbraucher selbst für eine sichere Wasserqualität tun?

Eingedenk dieser wachsenden Herausforderungen wollen Verbraucher wissen, was sie selber tun können.

So sollten alte Leitungen überprüft und ggf. ausgetauscht werden, da sonst das Wasser auf den letzten Metern belastet wird. Und natürlich haben auch wir als Verbraucher erhebliche Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität.

Beispielsweise kann zu viel Waschmittel die Menge an Tensiden im Abwasser erhöhen und den Filtrationsprozess erschweren. Toiletten sollten niemals als Mülleimer jeglicher Art verwendet werden.

Perlatoren an Wasserhähnen sollten mehrmals im Jahr von Kalk befreit und gereinigt werden. Obwohl Kalk an sich nicht gesundheitsschädlich ist, kann er als Nährboden für Bakterien dienen.

Nicht zuletzt kann ein fest verbauter leitungsgebundener Trinkwasserfilter viele Verunreinigungen sowie unangenehme Gerüche und Geschmäcker entfernen. Allerdings sollte Wasser, das länger in den Leitungen stand, auch bei solchen Filtersystemen stets ablaufen, ehe man Wasser aus den Leitungen nutzt. Dieses Wasser muss keineswegs verschwendet werden und kann immer noch bedenkenlos zum Gießen im Garten oder auf dem Balkon genutzt werden. Abzuraten ist jedoch von klassischen Kannenfiltern. Geringe Filterleistung, gepaart mit inkorrekter Nutzung (die Kannen müssen in den Kühlschrank) machen aus ihnen oftmals wahre Keimschleudern.

Related Articles

Aktuell

Visuelle Migräne-Aura und Schlag­anfall-Risiko

Etwa jeder dritte Migränepatient entwickelt eine Migräne-Aura, wobei diese in Zusammenhang mit einem Schlaganfall-Risiko steht. Migräne und Schlaganfall sind zwei verbreitete neurovaskuläre Krankheiten, die einerseits...
- Advertisement -

Latest Articles

Kombination von Azelastin und dem Nasenspray Fluticason bei allergischer Rhinitis

Die Kombination von Azelastin und dem Corticoid-Nasenspray Fluticason kann die Symptome einer allergischen Rhinitis deutlich verringern. Allergische Rhinitis, oft gekennzeichnet durch Symptome wie Niesen, Nasenjucken,...

Hülsenfrüchte liefern hochwertiges Eiweiß und qualitativ gute Fette

Hülsenfrüchte sind gesunde Energielieferanten und haben mit ihrem hochwertigen Eiweiß und guten Fetten einen großen Nutzen für die Ernährung. Hülsenfrüchte, einschließlich Linsen, Erbsen und Bohnen,...

Resilienz: die Kunst, psychische Widerstandsfähigkeit zu stärken

Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit, die uns auch ermöglicht, aus Krisen zu lernen und daraus gestärkt hervorzugehen. In einer idealen Welt wären wir vor Schicksalsschlägen,...