Dienstag, Oktober 1, 2024

Wenn Viren eine Spezies-Barriere überspringen

Das Überspringen einer Spezies-Barriere ermöglicht Viren, ihr genetisches Veränderungspotenzial einzusetzen, um sich ans neue Wirts­system anzupassen.

Das Auftauchen neuer Viren bei der Spezies Mensch – wie beispielsweise bei HIV oder auch beim SARS-Virus – wirft immer wieder die Frage nach dem Ursprung dieser Viren auf. Wie ist es ihnen gelungen, sich in einem neuen Wirt, einer neuen Spezies, zu etablieren.



Im Grunde genommen ist es ein typisches Merkmal von Viren, sich an ein bestimmtes Wirtssystem so vollkommen anzupassen, dass sie sich nicht mehr verändern müssen, um ihren Infektionskreislauf zu erhalten.

Dies trifft auf eine ganz Reihe von Viren des Menschen und der Tiere zu, wie z.B. die Erreger von Masern, Mumps oder Röteln, die – seit wir sie kennen – von keinen wesentlichen Veränderungen betroffen wurden. Sie befinden sich sozusagen auf einem vorläufigen Endpunkt ihrer Evolution.

 

Überspringen einer Spezies-Barriere

Das Überspringen einer Spezies-Barriere bietet dem Virus jedoch die Möglichkeit, sein genetisches Veränderungspotenzial einzusetzen, um sich an das neue Wirts­system anzupassen. Voraussetzung für einen solchen Spezies-Sprung sind natürlich entsprechende Kontakt- und Übertragungsereignisse.

Im Fall von HIV geht man heute davon aus, dass sein Vorläufer im Zuge des Schlachtens und des Verzehrs von Affen (dem so genannten »Bush-meat«) auf den Menschen übertragen worden ist. Die dem HIV entsprechenden Affenviren werden als SIV (Simian Immunodeficiency Virus) bezeichnet.

 

Mehrfacher Spezies-Sprung bei HIV

Das dem HIV-1 am nächsten verwandte ­Virus kommt bei zwei der drei Unterarten von Schimpansen in Afrika vor, und vor kurzem veröffentlichte Untersuchungen weisen nun darauf hin, dass sich Schimpansen ihre Viren wahrscheinlich auf die gleiche Art und Weise eingehandelt haben wie der Mensch, nämlich durch die Jagd zu Nahrungszwecken auf kleinere Affenarten.



Darüber hinaus haben genaue genetische Vergleiche mit verwandten Viren bei einer Vielzahl von anderen Affen ergeben, dass das heute vorkommende Schimpansen-Virus ein Hybrid-Virus ist, das zum einen Teil aus einem SIV von Halsbandangaben und zum anderen Teil aus einem SIV von Großen Weißnasenmeerkatzen zusammengesetzt ist.

Das weist darauf hin, dass sich ein Schimpanse vor langer Zeit beim Jagen seiner kleineren Verwandten mit beiden Viren infiziert hat und durch genetische Rekombinationsereignisse (die wir übrigens auch von HIV kennen) der Vorläufer des heute bei Schimpansen vorkommenden Virus entstanden ist.

Das Vorhandensein dieser Viren bei verschiedensten Affenarten bedeutet, dass es in unvorhersehbarer Weise auch wieder zu Übertragungen auf den Menschen kommen kann.

Die Gelegenheiten dazu nehmen keineswegs ab, sondern eher zu, da sich im Zuge des Baus von Straßen in den afrikanischen Regenwald zum Transport von Holz auch der Handel mit »Bush-meat« zu einem höchst lukrativen Erwerbszweig weiter entwickelt hat.

 

SARS und Zibetkatzen

In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Zibetkatzen, die als möglicher tierischer Ursprung für das SARS-Virus diskutiert werden, wieder ihren Weg auf die Speisepläne in Südchina gefunden haben. Ein viermonatiger Bann auf diese und 53 andere Tierarten wurde von den lokalen Behörden zur Freude der Gourmets wieder aufgehoben.

Die Weltgesundheitsorganisation war überrascht, da das Risiko einer möglichen neuerlichen Übertragung von SARS oder einem anderen Virus, über das sich höchstens Virologen aus wissenschaftlichem Interesse freuen können, noch keineswegs geklärt ist.




Literatur:

John Nicholls, Xiao-Ping Dong, Gu Jiang, Malik Peiris. SARS: Clinical Virology and Pathogenesis. Respirology, 8 Suppl, S6-8 Nov 2003. PMID: 15018126 DOI: 10.1046/j.1440-1843.2003.00517.x

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