Samstag, September 21, 2024

Fortschritte in der Diagnostik von Hirntumoren

Moderne neuroradiologische Verfahren machen eine relativ sichere Differenzialdiagnose ohne jeden operativen Eingriff möglich. Innerhalb einer Messzeit von 16 Minuten werden Stoffwechseldaten des gesamten Gehirns geliefert.

Pro Jahr wird bei knapp 7.000 Menschen in Deutschland ein Hirntumor diagnostiziert. Die genaue Bestimmung der Tumorart und des Grades der Malignität bzw. Bösartigkeit ist nur nach operativer Gewebeentnahme und neuropathologischer Untersuchung möglich. Dafür muss allerdings die Schädeldecke geöffnet werden.

Eine relativ sichere Differenzialdiagnose ohne jeden operativen Eingriff ermöglichen moderne neuroradiologische Verfahren. Grund genug, dass das Thema Hirntumordiagnostik im Fokus der heurigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie e.V. – abgehalten vom 23.-25. Oktober 2014 in Köln – steht.

Magnetresonanz und Computertomographie

Mit der konventionellen MR- und CT-Bildgebung können bereits erste Hinweise auf die Tumorart nur anhand der Lage eines Hirntumors (Glioms) gewonnen werden. In der hinteren Schädelgrube sind zum Beispiel bei Kindern Astrozytome häufiger im Hirnstamm, Medulloblastome im Kleinhirn nachzuweisen.

Insbesondere die MR-Bildgebung kann weitere wichtige Hinweise liefern: Lymphome des zentralen Nervensystems entwickeln oft diffus verteilte Raumforderungen mit einer sehr dichten Tumorstruktur beispielsweise ohne Zystenbildungen.

Eine Wassereinlagerung um einen Hirntumor deutet auf akute Prozesse und ein schnelles Wachstum hin. Auch eine Kontrastmittelaufnahme des Tumors wird eher bei höhergradigen – also bösartigeren – Tumoren nachgewiesen. Eine Ausnahme bildet das niedriggradige pilozytische Astrozytom, dass auch Kontrastmittel aufnimmt aber aufgrund seiner typischen Struktur und sehr geringen Reaktion im benachbarten Hirngewebe abgegrenzt werden kann.

Bei der konventionellen Magnetresonanztomographie mit Kontrastmittelgabe werden in der Unterscheidung von niedriggradigen zu den höhergradigen Tumoren zwei von drei Pathologien richtig zugeordnet. Eines von drei Gliomen wird entsprechend nicht richtig graduiert. Neuere MR-Verfahren ermöglichen mittlerweile eine noch höhere Treffsicherheit.

Die aktuell aussagekräftigsten MR-Verfahren:

  • Die Perfusions-Bildgebung stellt die Durchblutung des Tumors dar. Die Dichte der Blutgefäße unterscheidet sich zwischen den Tumorarten erheblich. Glioblastome, die Tumoren mit der schlechtesten Prognose, bilden sehr viele Blutgefäße – Lymphome des zentralen Nervensystems hingegen keine. Dies ist ein wichtiges Kriterium, da beide Tumorarten von der Form (Morphologie) ähnlich aussehen können (1; s. Abb.).
  • Mittels fortgeschrittener Diffusions-Bildgebung kann die Mikrostruktur eines Tumors besser charakterisiert werden. So ist durch den Einsatz der sog. Kurtosis-Technik sowohl eine bessere Tumorgraduierung als auch Unterscheidung von Gliomen und Metastasen möglich (2).
  • Die Spektroskopie liefert wichtige Informationen über den Stoffwechsel des Tumors. Derzeit ist es möglich, im Gehirn etwa 16 verschiedene Zwischenprodukte von Stoffwechselvorgängen zu messen. Cholin beispielsweise ist ein Marker für den Zellmembranumsatz, d.h. wenn eine Zelle wächst und sich teilt, werden Zellmembranen gebildet und der Cholin-Stoffwechsel steigt an. Ein hoher Cholin-Stoffwechsel weist also darauf hin, dass der Tumor aktiv und höhergradig ist. Ein weiterer Hinweis auf einen Tumor, der von einem niedrig-gradigen in einen höhergradigen Zustand übergeht, ist ein hoher Energiemetabolismus. Bei diesen Tumoren sammelt sich Kreatin als Marker für den Energiemetabolismus besonders intensiv an. Diese Information kann die Therapieplanung erheblich beeinflussen. Damit lässt sich durch die Spektroskopie die Treffsicherheit der Differenzialdiagnose deutlich verbessern. In Kooperation mit Entwicklern aus der Universität Miami ist es der Arbeitsgruppe von Prof. Lanfermann gelungen gelungen, für den klinischen Einsatz ein Spektroskopie-Verfahren zu entwickeln/zu testen, das Stoffwechseldaten des gesamten Gehirns innerhalb einer Messzeit von 16 Minuten liefert (3). Dies ist eine wichtige Entwicklung, um den gesamten tumorösen Prozess vollständig zu erfassen.
  • Suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung (SWI): Die SWI beruht auf dem Vorhandensein unterschiedlicher magnetischer Eigenschaften der verschiedenen Gewebeanteile. Somit können Regionen mit abnormaler Blutversorgung, wie Hirntumoren, genauer von gesundem Gewebe abgegrenzt werden. Die SWI zeigt u. a. Eisenablagerungen, die einen Hinweis auf Mikroblutungen geben, die bei höhergradigen Gliomen auftreten können (4).
  • Werden diese modernen MR-Bildgebungsverfahren kombiniert, sogenanntes multimodales MRT, wird nicht nur eine präzisere Differenzialdiagnose ermöglicht, es können auch gezielter Tumorbiopsien geplant werden (5). Zudem wird die Therapieverlaufskontrolle verbessert. Ins-besondere unterstützt durch nuklearmedizinische Verfahren wie die PET-Technik (PET-MR) werden lokale Veränderungen im oft sehr inhomogen strukturierten Tumor sehr genau erfasst und somit frühzeitig Informationen gewonnen, ob der Tumor z. B. auf eine spezielle Chemo- oder Strahlentherapie anspricht (6-9).

Weitere Informationen unter http://www.neurorad.de
Quellen:
1. Ellingson BM, Bendszus M, Sorensen AG, Pope WB. Emerging techniques and technologies in brain tumor imaging. Neuro Oncol. 2014 Oct;16(suppl 7):vii12-vii23.
2. Raab P, Hattingen E, Franz K, Zanella FE, Lanfermann H. Cerebral gliomas: diffusional kurtosis imaging analysis of mi-crostructural differences. Radiology. 2010 Mar;254(3):876-81.
3. Ding XQ, Maudsley AA, Sabati M, Sheriff S, Dellani PR, Lanfermann H. Reproducibility and reliability of short-TE whole-brain MR spectroscopic imaging of human brain at 3T. Magn Reson Med. 2014 Mar 26. [Epub ahead of print]
4. Radbruch A, Wiestler B, Kramp L, Lutz K, Bäumer P, Weiler M, Roethke M, Sahm F, Schlemmer HP, Wick W, Heiland S, Bendszus M. Differentiation of glioblastoma and primary CNS lymphomas using susceptibility weighted imaging. Eur J Radiol. 2013 Mar;82(3):552-6.
5. Gempt J, Soehngen E, Förster S, Ryang YM, Schlegel J, Zimmer C, Meyer B, Ringel F, Grams AE, Förschler A. Multimodal imaging in cerebral gliomas and its neuropathological correlation. Eur J Radiol. 2014 May;83(5):829-34
6. Dhermain FG, Hau P, Lanfermann H, Jacobs AH, van den Bent MJ. Advanced MRI and PET imaging for assessment of treatment response in patients with gliomas. Lancet Neurol. 2010 Sep;9(9):906-20.
7. Heiss WD, Raab P, Lanfermann H. Multimodality assessment of brain tumors and tumor recurrence. J Nucl Med. 2011 Oct;52(10):1585-600.
8. Seeger A, Braun C, Skardelly M, Paulsen F, Schittenhelm J, Ernemann U, Bisdas S.: Comparison of three different MR perfusion techniques and MR spectroscopy for multiparametric assessment in distinguishing recurrent high-grade gliomas from stable disease. Acad Radiol. 2013;20(12):1557-65.
9. Bisdas S, Ritz R, Bender B, Braun C, Pfannenberg C, Reimold M, Naegele T, Ernemann U.: Metabolic mapping of gliomas using hybrid MR-PET imaging: feasibility of the method and spatial distribution of metabolic changes. Invest Radiol. 2013;48(5):295-301

Bildtext: Die MR-Aufnahme A (FLAIR-Sequenz) zeigt zwei Raumforderungen. Die größere (gelber Pfeil) weist nach Gabe von Kontrastmittel (B) eine deutliche und sehr gleichmäßige Anreicherung als Ausdruck einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke auf. Die Signale in der diffusionsgewichteten Bildgebung (C, ADC-Map) sind noch mit einem Lymphom vereinbar. Die zusätzlich durch-geführte Perfusionsuntersuchung (D) weist jedoch in der Raumforderung ein deutlich erhöhtes Blutvolumen (rCBV) nach. Daher wurde die Verdachtsdiagnose eines Glioblastoms gestellt. Dieser Befund ist anschließend histologisch bestätigt worden. © Deutsche Röntgengesellschaft e.V.

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