Freitag, April 26, 2024

Schilddrüsenkrebs: Neue Therapien bringen bessere Verträglichkeit und gute Lebensqualität

Neue Therapien greifen genetischen Treiber an, deswegen sind beim fortgeschrittenen Schilddrüsenkrebs die notwendigen Genomtests an den Tumorproben wichtig.

Die Behandlung von Krebs gehört zu jenen Gebieten der modernen Medizin, in denen in den letzten Jahren die rasantesten Fortschritte erzielt werden konnten: Zielgerichtete Therapien und Immuntherapie verlängern zunehmend das Überleben und verbessern die Lebensqualität der Patienten. Auch bei einem Schilddrüsenkrebs ist die Forschung große Schritte vorangekommen. Dank modernster Diagnosemöglichkeiten, der Identifikation spezieller Tumormarker und der Entwicklung entsprechender zielgerichteter Therapien können seit kurzem auch Patienten, die an Schilddrüsenkrebs erkrankt sind, mit Biomarker-basierten Therapeutika behandelt werden und von den Vorteilen dieser zielgerichteten Therapien profitieren.

Schilddrüsenkrebs: Rare Disease …

Univ.-Doz. Dr. Hans-Jürgen Gallowitsch (feel image - Fotogtrafie e.U.)
Univ.-Doz. Dr. Hans-Jürgen Gallowitsch (feel image – Fotogtrafie e.U.)

Schilddrüsenkrebs ist insgesamt, in all seinen Ausprägungsformen, eine seltene Erkrankung. In Österreich gibt es rund 700 bis 800 Neuerkrankungen pro Jahr, wobei deutlich mehr Frauen als Männer betroffen sind. „Die überwiegende Mehrheit dieser Patientinnen und Patienten wird früh diagnostiziert und kann dank Chirurgie und Radiojodtherapie in den meisten Fällen erfolgreich behandelt werden“, erläutert der Nuklearmediziner Univ.-Doz. Dr. Hans-Jürgen Gallowitsch, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung (OGNMB).

… mit „Wachstum in Zeitlupe“

„Die meisten Schilddrüsenkarzinome verhalten sich biologisch eher gutartig und zeigen einen langsamen Verlauf. Im Vergleich zum Lungenkrebs zum Beispiel kann man hier beinahe von einem ‚Wachstum in Zeitlupe‘ sprechen“, so der als erster Oberarzt am Landesklinikum Klagenfurt, Abteilung für Nuklearmedizin und Endokrinologie, tätige Schilddrüsenspezialist weiter. „Die Prognose ist prinzipiell exzellent und 20-Jahres-Überlebensraten von mehr als 90% werden mit konventioneller, lokaler Therapie, die aus einer Resektion des Tumors mit oder ohne Entfernung der gesamten Schilddrüse, mit radioaktiver Jodtherapie und Schilddrüsenhormontherapie besteht, erzielt.“
Insgesamt erreichen erfreulicherweise daher nur sehr wenige Betroffene ein so fortgeschrittenes und mit Metastasierung einhergehendes Erkrankungsstadium, dass eine systemische Behandlung notwendig wird, im Zuge derer die Patienten Medikamente erhalten, die – verteilt über die Blutbahn – im gesamten Körper wirken und so den Tumor und seine Tochterabsiedelungen bekämpfen.

Ausprägungsform entscheidend für Krankheitsverlauf

Der Verlauf der Erkrankung hängt in erster Linie davon ab, welche Form des Schilddrüsenkrebses vorliegt: Die weitaus häufigste Form (80-90%), das differenzierte Schilddrüsenkarzinom (papilläres und follikuläres) wächst langsam und der Tumor streut erst sehr spät; zunächst in die umgebenden Lymphknoten und später über den Blutweg, wodurch er Fernmetastasen bilden kann. Bei Kindern kann diese Krebsform allerdings frühzeitig zur Ausbildung von Lungenmetastasen führen, die jedoch meist sehr gut behandelbar sind.

Die seltenen Medullären Schilddrüsenkarzinome (ca. 5-10%) können bereits frühzeitig in die Lymphknoten des Halses, mitunter auch des oberen Brustkorbbereiches metastasieren. Fernmetastasen bilden sie bevorzugt in Leber, Lunge und Knochen. Das ebenfalls seltene (ca. 5-10%) undifferenzierte anaplastische Schilddrüsenkarzinom gilt als die aggressivste Form, schreitet schnell voran und bildet früh Metastasen in Leber, Lunge, Knochen und Gehirn.

 

Therapie-Erfolg bei Schilddrüsenkrebs hängt auch von Verträglichkeit ab

Über Jahrzehnte kamen bei all diesen Subtypen, so eine systemische Therapie notwendig wurde, klassische Chemotherapeutika und/oder sogenannte Multikinase-Hemmer zum Einsatz. Zweitere sind zielgerichtete Therapien, die oral eingenommen werden, deren Langzeitverträglichkeit von Patient zu Patient schwankt. Gallowitsch: „Eine gut verträgliche, möglichst nebenwirkungsarme Therapie ist für den Behandlungserfolg ausschlaggebend, da die Medikamente über mehrere Jahre zu nehmen sind. Ebenfalls wichtig ist eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient.“

 

„Zielen“ auf einzelne Genveränderungen

Je genauer und spezifischer eine Zielstruktur am Tumor mittels Biomarker identifiziert und angegriffen werden kann, desto verträglicher und wirksamer kann eine Therapie sein. Und hier ist die Forschung beim Schilddrüsenkarzinom in den letzten Jahren große Schritte weitergekommen: Man weiß immer genauer, was den Tumor antreibt und was man dagegen tun kann. So ist heute klar, dass beim Schilddrüsenkarzinom Veränderungen an den Genen RET, BRAF und NTRK eine wichtige Rolle als Treiber der Erkrankung spielen können. Diese gilt es also gezielt ins Visier zu nehmen.

 

Winning Team: Moderne Molekularpathologie & innovative Medikamente

Dank modernster Diagnosemethoden der Molekularpathologie wie dem Next Generation Sequencing und der Entwicklung neuer Medikamente, die gezielt gegen die genetische Veränderung, die das Tumorwachstum antreibt, wirken, können heute auch Patienten mit einem Schilddrüsenkarzinom mit Biomarker-basierten, zielgerichteten, oralen Therapien behandelt werden.

 

Testung auf Biomarker Voraussetzung für zielgerichtete Therapie bei Schilddrüsenkrebs

Allerdings muss jetzt auch gewährleistet werden, dass bei Schilddrüsenkrebs gezielt auf diese genetischen Veränderungen hin untersucht wird. „Jetzt, da wir Therapien haben, die ganz genau diese genetischen Treiber angreifen, müssen wir sicherstellen, dass bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Schilddrüsenkrebs die notwendigen Genomtests an den Tumorproben auch tatsächlich vorgenommen werden“, betont Gallowitsch, und weiter „Die moderne Molekularpathologie spielt hier eine enorm wichtige Rolle: Nur wenn das Vorhandensein einer dieser genetischen Veränderungen eindeutig abgeklärt ist, kann ein entsprechendes Medikament gegeben werden und der Patient dementsprechend davon profitieren.“


Quelle:

Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung (OGNMB): www.ognmb.at

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