Im Grunde genommen kommt Darmkrebs bei Männern weltweit häufiger als bei Frauen auf. Doch das ist eigentlich nur etwa zur Hälfte die bekannten Risikofaktoren zu erklären.
Überall auf der Welt erkranken mehr Männer als Frauen an Darmkrebs. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum analysierten nun, wie bekannte und vermutete Risiko- und Schutzfaktoren zu dieser deutlich höheren Erkrankungsrate beitragen. Das überraschende Ergebnis: Nur etwa die Hälfte des Risiko-Überschusses lässt sich durch die bekannten Risikofaktoren erklären. Um Darmkrebs-Vorsorge für Männer in Zukunft zu verbessern, müssen weitere risikofördernde Einflüsse identifiziert und bewertet werden.
Darmkrebs bei Männern deutlich häufiger
Unter dem Strich zählt Darmkrebs zu den häufigsten Krebsarten. Ebenso gilt auch weltweit, dass Darmkrebs bei Männern deutlich häufiger auftritt als bei Frauen. In Deutschland liegt die altersstandardisierte Rate an Neuerkrankungen bei Männern bei 46 pro 100.000 pro Jahr, bei Frauen dagegen nur bei 28. Noch deutlicher ist dieser Unterschied, wenn die fortgeschrittenen Krebsvorstufen betrachtet werden, die so genannten fortgeschrittenen Adenome.
Es ist unklar, in welchem Ausmaß die verschiedenen in Frage kommenden Risiko- bzw. Schutzfaktoren diese erheblichen Unterschiede erklären. Bekannt ist beispielsweise, dass weibliche Geschlechtshormone das Darmkrebsrisiko senken. Auf der anderen Seite ist für Männer beispielsweise ein höherer Konsum von Tabakprodukten und rotem Fleisch dokumentiert – beides Lebensstilfaktoren, die das Darmkrebsrisiko steigern.
Ob diese verschiedenen bekannten und vermuteten Faktoren die große Differenz zwischen beiden Geschlechtern vollständig erklären können, untersuchte nun ein Team um Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Die Forscher werteten dazu Daten von fast 16.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der KolosSal-Studie* aus, die eine Darmspiegelung zur Darmkrebs-Vorsorge durchführen ließen. Mit dieser Saarland-weiten Erhebung können Forscher die Darmkrebs-Vorsorge wissenschaftlich begleiten und bewerten.
Frühere Koloskopie
Die Heidelberger Epidemiologen berücksichtigten für ihre aktuelle Untersuchung alle bekannten oder auch mutmaßlichen Risiko- und Schutzfaktoren für Darmkrebs: Alter, familiäre Vorgeschichte, Diabetes, frühere Koloskopie, Einnahme von Aspirin und Statinen, Rauchen, Alkoholkonsum, Gewicht und Körpergröße, körperliche Aktivität, Verzehr von rotem Fleisch und Wurst, Obst, Gemüse oder Vollkornprodukten sowie bei Frauen die Anwendung von Hormonersatz-Therapien.
Bei Männern wurden bei der Vorsorge-Koloskopie doppelt so häufig Darmkrebs beziehungsweise fortgeschrittene Adenome gefunden wie bei Frauen (altersstandardisiert). Nach umfassender Adjustierung für die verschiedenen Faktoren zeigte sich, dass sie etwa die Hälfte des Risiko-Überschusses der Männer erklären. Bei Krebserkrankungen des Enddarms fällt der Einfluss dieser Faktoren noch etwas weniger ins Gewicht als bei Tumoren des übrigen Dickdarms. „Im Umkehrschluss heißt das aber, dass wir die Ursachen für die andere Hälfte dieses Risiko-Überschusses noch nicht kennen“, sagt Studienleiter Hermann Brenner.
Vieles spricht dafür, dass sich die unterschiedliche hormonelle Ausstattung von Männern und Frauen noch stärker auswirken könnte, als es bei ihren aktuellen Berechnungen zum Ausdruck kam. Daten hierzu, insbesondere zu Schwangerschaften, der Einnahme der Anti-Baby-Pille, zum Stillen, zum Beginn und Ende der Monatsblutungen sowie weitere Lebensstil- und Ernährungsfaktoren müssen, so Brenner, in zukünftigen Studien noch präziser erhoben werden. „Auf jeden Fall zeigen unsere Ergebnisse erneut, wie wichtig es insbesondere für Männer ist, die Möglichkeiten zur Darmkrebs-Vorsorge wahrzunehmen, Stuhltests durchzuführen oder sich sogleich für eine Vorsorge-Darmspiegelung zu entscheiden!“
Literatur:
Niedermaier T, Heisser T, Gies A, Guo F, Amitay EL, Hoffmeister M, Brenner H. To what extent is male excess risk of advanced colorectal neoplasms explained by known risk factors? Results from a large German screening population. Int J Cancer. 2021 Jul 18. doi: 10.1002/ijc.33742. Epub ahead of print. PMID: 34278571.
* KolosSal-Studie: „Effektivität der Früherkennungs-Koloskopie: eine Saarland-weite Studie“