Dienstag, November 4, 2025

Ähnliche Erinnerungen mittels Mustertrennung unterscheiden

Unser Gehirn kann dank der sogenannten Mustertrennung Erinnerungen an sehr ähnliche Ereignisse als unterschiedliche Erinnerungen abspeichern.

Wer morgens sein Auto am Büroparkplatz parkt, hat in der Regel kein Problem damit, es am Abend wiederzufinden. Am nächsten Tag parken Sie vielleicht ein paar Plätze weiter weg. Aber auch an diesem Abend finden Sie Ihr Auto, obwohl an beide Tage die Erinnerungen sehr ähnlich sind. Das geht deshalb, weil unser Gehirn Erinnerungen an ähnliche Ereignisse als unterschiedliche Erinnerungen abspeichert. Das macht es dank der sogenannten Mustertrennung. ForscherInnen des Institute of Science and Technology Austria entschlüsselten nun, wie das Gehirn diese Mustertrennung in der Hirnregion Gyrus dentatus berechnet.

 

Gyrus dentatus trennt Muster

Die Wissenschaftler Peter Jonas, Claudia Espinoza, Jose Guzman und Xiaomin Zhang versuchten anhand von Mäusen zu verstehen, wie die Verbindungen zwischen Neuronen es dem Gyrus dentatus, einem Teil des Hippocampus, ermöglichen, Muster zu trennen.

Im Gyrus dentatus senden zwei Arten von Neuronen Signale: Prinzipale Neuronen senden erregende Signale, während Interneuronen hemmende Signale senden. Die ForscherInnen versuchten, die Regeln der Konnektivität zwischen den Neuronen zu entschlüsseln. Es stellten sich Fragen

  • welche Neuronen einander Signale senden,
  • ob Verbindungen zwischen Neuronen reziprok, also wechselseitig, sind oder
  • ob viele Neuronen konvergieren, sodass sie ihre Signale an ein Neuron senden.

Die ForscherInnen nahmen die Signale zwischen Neuronen auf, um zu verstehen, wie die Neuronen verbunden sind und wie der lokale Schaltkreis die Mustertrennung unterstützt. Espinoza führte Ganzzellaufnahmen von acht Neuronen durch. Bei diesen Aufnahmen stimulierte sie ein Neuron im Gyrus dentatus und zeichnete auf, wie die anderen sieben Neuronen darauf reagieren. Durch die Markierung aller stimulierten Neuronen konnte sie danach die Morphologie des Schaltkreises rekonstruieren.

 

Laterale Hemmung

Die ForscherInnen fanden heraus, dass eine Gruppe von Interneuronen, die parvalbumin-exprimierenden Interneuronen, nur im Gyrus dentatus auf eine spezielle Art mit einander verbunden sind. Im Gyrus dentatus hemmen parvalbumin-exprimierende Interneurone hauptsächlich die Aktivität benachbarter Neuronen. Dieses Phänomen wird auch als laterale Hemmung bezeichnet. In anderen Hirnregionen, wie dem Neokortex, sind parvalbumin-exprimierende Interneurone nicht auf diese Weise mit einander verbunden.

„Wir glauben, dass die einzigartigen Konnektivitätsregeln von parvalbumin-exprimierenden Interneuronen, wie z.B. die laterale Hemmung, eine Anpassung an die spezifische Netzwerkfunktion dieser Hirnregion sind“, erklärt Claudia Espinoza. „Unsere experimentellen Daten unterstützen die Idee, dass die Mustertrennung durch einen Mechanismus namens „winner-takes-it-all“, also der Gewinner nimmt alles, funktioniert. Die laterale Hemmung im Gyrus dentatus bewirkt diesen Mechanismus. Dies ist jedoch noch nicht nachgewiesen. Wir brauchen Verhaltensdaten und rechnerische Modellierung, an denen wir arbeiten.“

 

Pattern-Completion

Nachdem der Gyrus dentatus ähnliche Erinnerungen trennt, um eine Überschneidung zwischen ihnen zu vermeiden, speichert die CA3-Region des Hippocampus diese Erinnerungen. In einer Studie zeigten Peter Jonas und Jose Guzman 2016, dass die Konnektivität in der CA3-Region des Hippocampus sehr gut dafür geeignet ist, Informationen in einem Prozess namens Pattern-Completion abzurufen.

„Auf biologischer Ebene hat unsere Gruppe die Konnektivitätsregeln gefunden, die die Rechenfunktion einer Hirnregion unterstützen“, sagt Espinoza, „Unsere Arbeit trägt dazu bei, zu zeigen, wie lokale Schaltkreise für die spezifische Funktion eines Hirnareals optimiert sind. Während die Signale, die den Gyrus dentatus erreichen, wichtig sind, ist die Art und Weise, auf die der Gyrus dentatus diese Informationen dann berechnet, um eine Mustertrennung zu erreichen, entscheidend.“

Quelle: Institute of Science and Technology (IST Austria) http://www.ist.ac.at


Literatur: “Parvalbumin+ interneurons obey unique connectivity rules and establish a powerful lateral-inhibition microcircuit in dentate gyrus”. Claudia Espinoza, Segundo Jose Guzman, Xiaomin Zhang, and Peter Jonas, Nature Communications, 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-06899-3

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