Sonntag, April 2, 2023

Emotionales Langzeitgedächtnis: Emotionen beeinflussen unser Handeln

Emotionen, die im positiven oder negativem Sinn unsere Aufmerksamkeit erwecken, prägen sich im Langzeitgedächtnis nachhaltig ein und beeinflussen unser Handeln.

Positive Emotionen sind für gute Entscheidungen und richtiges Handeln von großer Bedeutung, der Verstand sollte nicht alleine Lebens – und Liebesentscheidungen beeinflussen. Das ist seit jeher bekannt. Auf welche Art Emotionen für gute Entscheidungen in unserem privaten und beruflichen Dasein wichtig und sogar elementar lebensnotwendig sind, hat allerdings erst die Hirnforschung der letzten Jahrzehnte klarer gemacht. Es wurde auch entdeckt, dass positive Emotionen nicht nur von der »Außenwelt« und den Prägungen unserer Kindheit abhängen, sondern auch von neurochemischen »Schwellenregulatoren« im Hirnstamm, vorrangig dem Serotonin-Noradrenalin-System. Dadurch kann die gleiche Sache unterschiedliche Bewertung erhalten, wie es das Beispiel vom halbleeren beziehungsweise halbvollen Glas eindrucksvoll beschreibt. Die so vermittelten Emotionen sind Weichensteller für unsere Realitätsbewertung.

Nur was emotional positiv oder negativ unsere Aufmerksamkeit erweckt, prägt sich in unserem Langzeitgedächtnis nachhaltig ein und hinterlässt Folgemotivationen nach der Art: „Es war schön, lustvoll und gut, ich will es wieder haben“ oder: „Es war schmerzhaft, unwahr, hatte Leid und Trauer zur Folge, es soll in Zukunft nicht mehr geschehen“. So werden Emotionen zum Motor unseres Handelns, ohne starke Gefühle gibt es keine anhaltende Motivation.



 

Wenn der Verstand mit unseren Emotionen kollidiert

Überlassen wir unsere Lebensplanung hingegen dem Verstand und betrachten unsere Emotionen als die Rosinen im Kuchen oder den Puderzucker obenauf, so wird zunächst unmerklich und zuletzt bedenklich eine Kluft unser Leben durchschneiden. Die geschieht durch die verstandesmäßige Abstraktion und Nutzbarkeitsabschätzung. Alles wird genauso erwartet, Risiken werden vermieden, damit verliert man aber auch die Chance auf intensive Emotionen mit starken Glückserlebnissen.

 

Harmonie gefragt: Wenn Verstand und Emotionen unser Handeln beeinflussen

Wir haben uns mit der vitalen Ebene unseres Lebens angelegt, den Tag mit tausend selbstgemachten Verpflichtungen angefüllt und meinen, mit ewigem Reden und Diskutieren, mit trivialen Phantasien und Zerstreuungen der raschen Art ein substanzielles Gefühlsleben und reales Wirken ersetzen zu können. Dabei übersehen wir, dass unser limbisches System nicht nur die neuronale Maschine unserer Emotionen bildet, sondern auch zwischen Gehirn und »Restorganismus« über die Schnittstelle Hypothalamus vermittelt und nach Harmonie zwischen beiden strebt. Gerät der Verstand aber in Kollision mit unseren Emotionen, so verlieren wir diese Harmonie und werden in eine neue Sicht der Psychosomatik eingeführt.

Wir erleben Befindlichkeitsstörungen durch tagesbegleitende Kopfschmerzen und Nackenverspannungen, Verdauungsprobleme und Schlaflosigkeit oder Beschäftigungszwang bis zum Zusammenbruch schon gar nicht mehr als besonders beunruhigend, denn ringsum hört man die gleichen Klagen.

Dass dahinter eine permanente Diskrepanz zwischen dem stehen könnte, was wir uns emotional wünschen und verstandesmäßig für erforderlich halten, ist uns nicht mehr klar. Es wurde in unserer Kulturtradition zum Tugendstandpunkt erhoben, Emotionen dem Verstand unterzuordnen und sie bestenfalls als Pausenfühler beziehungsweise Pausenfüller zuzulassen.

Wir verstoßen damit tagtäglich gegen natürliche Funktionserfordernisse und deren Gesetzmäßigkeiten in unserem Nervensystem und wenn dafür eines Tages die Abrechnung kommt, als Bluthochdruck, Übergewicht, Alkoholkrankheit oder als Erschöpfungsdepression, etcetera, dann sehen wir hier eine somatische Erkrankung und erkennen ihren Zusammenhang mit neurobiologischen Gegebenheiten nicht.



 

Gehirn, Verstand, Emotionen

Übrigens fanden Forscher Beweise, die mit einer psychologisch konstruktivistischen Herangehensweise an den Geist vereinbar sind. Eine Reihe interagierender Gehirnregionen, die üblicherweise an grundlegenden psychologischen Operationen sowohl bei Emotionen als auch beim Verstand getriebenem Handeln beteiligt sind, sind während des Erlebens und der Wahrnehmung von Emotionen in einer Reihe von diskreten Bereichen aktiv.


Literatur:

Lindquist KA, Wager TD, Kober H, Bliss-Moreau E, Barrett LF. The brain basis of emotion: a meta-analytic review. Behav Brain Sci. 2012 Jun;35(3):121-43. doi: 10.1017/S0140525X11000446. PMID: 22617651; PMCID: PMC4329228.


Quellen:

Wie unser Gehirn die Realität erschafft – Der gitterlose Käfig. Prim. Univ.-Doz. Dr. Manfred Schmidbauer. MEDMIX 8/2004


Aus: »Der gitterlose Käfig« – Das Ziel des Buches von Manfred Schmidbauer ist es, in allgemein verständlicher Form neurobiologisches Interesse für Emotion und Sexualität, für instinktive Gewissheiten zu wecken, aber auch die trügerische Sicherheit der Erinnerung, die Scheinkompetenz der Sprache, die Sackgassen unseres rationalen Planens und Verhaltens aufzuzeigen.

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