Sonntag, März 17, 2024

Suchtprävention: Problematisches Verhalten frühzeitig erkennen und unterbinden

Eine Suchterkrankung hat – unabhängig vom Suchtmittel – immer negative Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen und auf ihr soziales Umfeld. Präventionsmaßnahmen sollen die Lebenskompetenzen stärken und somit verhindern, dass es zur Sucht kommt. Doch selbst, wenn Personen bereits problematisches Verhalten zeigen, lässt sich die Abwärtsspirale noch abwenden.

Eine Sucht ist die psychische oder physische Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten. Die Suchtmittel sind vielfältig: Dabei kann es sich um Nikotin, Alkohol oder Tabletten, aber auch um illegale Rauschdrogen, Glücksspiel, Gaming oder Kaufsucht handeln. Die Abhängigkeit entsteht, weil das Suchtmittel oder die Verhaltensweise das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Anders gesagt: Es ist mit positiven Gefühlen verbunden. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die Präventionsmöglichkeiten bei ausgewählten Süchten.

 

Was bedeutet Suchtprävention?

Der Begriff „Prävention“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „zuvorkommen“ oder „verhüten“. Bei der Suchtprävention geht es allerdings nicht nur darum, Süchten vorzubeugen, sondern auch darum, bereits erkrankten Menschen zu helfen.

Im Gesundheitsbereich wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden:

  • Die Primärprävention setzt an, bevor sich Suchtprobleme entwickeln. Sie ist als allgemeine Vorbeugung gegen die Entstehung von Suchtkrankheiten zu verstehen. Die Maßnahmen der Primärprävention richten sich an keine bestimmte Gruppe, sondern an die Allgemeinheit.
  • Die Sekundärprävention nimmt Hochrisikogruppen in den Blick, die kurz davor stehen, süchtig zu werden, sowie Menschen, die sich am Beginn einer Suchterkrankung befinden.
  • Die Tertiärprävention konzentriert sich auf die Unterstützung bereits an der Sucht erkrankten Menschen und die Rückfallprävention.

 

Suchtpotenzial gar nicht erst entstehen lassen

Im Idealfall gelingt es, Süchte von vornherein zu verhindern. Die primäre Suchtprävention ist am effektivsten, wenn die Maßnahmen früh beginnen und über einen längeren Zeitraum andauern. Der sogenannte „Life-Skills-Ansatz“ stammt aus den USA: Er basiert auf der Annahme, dass Menschen zu Suchtmitteln greifen, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Als Alternative sollen junge Menschen darum so früh wie möglich Kompetenzen erwerben, die ihnen langfristig dabei helfen, ihre Wünsche auf eine konstruktive und unschädliche Weise zu verwirklichen.

 

Primärprävention

Durch die Stärkung von Lebenskompetenzen wie Problem- und Konfliktbewältigungsstrategien lässt sich eine Sucht möglicherweise verhindern. Junge Menschen lernen, Schwierigkeiten konstruktiv zu lösen und mit Belastungen umzugehen, statt sich in Süchte zu flüchten. Sie entwickeln soziale und persönliche Fähigkeiten, die ihnen dabei helfen, mit Gefühlen umzugehen, Stress zu bewältigen und ein stabiles, positives Selbstwertgefühl aufzubauen.

Dieser Präventionsansatz beinhaltet sowohl substanzspezifische als auch substanzunspezifische Anteile. Beispielsweise erhalten junge Menschen im Rahmen der Suchtprävention Informationen über schädliche Substanzen beziehungsweise schädliche Verhaltensweisen. Gleichzeitig lernen sie – unabhängig von einem bestimmten Suchtmittel – wie sie mit Leistungsdruck umgehen können. Dabei kommen interaktive Übungen und Rollenspiele zum Einsatz.

Weitere Inhalte des Life-Skill-Ansatzes:

  • Selbstkonzept: Ausbildung einer positiven Gesamtidee von der eigenen Person und Stärkung des Selbstbewusstseins,
  • Selbstwirksamkeit: Entwicklung von Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten,
  • Selbstwahrnehmung: Erkennen von eigenen Bedürfnissen,
  • Stressbewältigung: Umgang mit Ängsten und Problemen, Konfliktbewältigung und Stärkung der Entscheidungsfähigkeit,
  • Soziale und kommunikative Fertigkeiten: Verbesserung der eigenen Ausdrucksfähigkeit, Knüpfen neuer Kontakte, Formulieren sozialer Bedürfnisse und Gefühle, Entwicklung von Empathie, Fähigkeiten zur Gesprächsführung, Umgang mit Konflikten,
  • Kritisches Denken: Manipulation erkennen und sich dagegen abgrenzen, Informationen und Erfahrungen analysieren, Stärkung der Fähigkeit, Konsumangeboten zu widerstehen,
  • Kritische Einordnung von Substanzen und ihren potentiellen Wirkungen: Informationen zur Wirkung von Subtanzen, Motive für den Konsum und Konsumgewohnheiten, Reflexion des eigenen Konsumverhaltens, rechtliche Aspekte, Bedeutung der Sucht.

Damit die Präventionsmaßnahmen greifen, ist das Setting entscheidend: Finden die Maßnahmen in einer Schulklasse statt, ist ein positives Klima wichtig. Außerdem spielt es eine Rolle, ob die Schüler der Lehrkraft vertrauen.

 

Sekundärprävention

Die Zielgruppe der sekundären Suchtprävention sind suchtgefährdete Menschen, die wiederholt durch den Missbrauch von legalen und illegalen Substanzen oder durch schädigende Verhaltensweisen aufgefallen sind. Sie befinden sich möglicherweise am Anfang einer Suchterkrankung. Durch individuelle Maßnahmen sollen psychische, körperliche und soziale Schäden verhindert werden. Wenn suchtgefährdete Menschen noch kein stabiles Konsumverhalten entwickelt haben, ist die Chance auf eine Verhaltensveränderung gegeben.

 

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention gliedert sich in zwei Bereiche:

  • Bei süchtigen Menschen besteht das Ziel darin, die Sucht zu überwinden und Schäden des sozialen Lebens abzuwenden.
  • Bei allen, die bereits eine Suchterkrankung überstanden haben, liegt der Fokus auf der Nachsorge. Selbsthilfegruppen sind ein wichtiges Instrument, das Rückfälle verhindern kann.

 

Interventionsmaßnahmen

Die möglichen Interventionsmaßnahmen werden in drei verschiedene Kategorien unterschieden. Sie setzen ein, bevor sich die Suchterkrankung manifestiert:

  • Universelle präventive Intervention: Damit sind Maßnahmen für die allgemeine Bevölkerung gemeint. Dahinter steht das Ziel, zukünftige Abhängigkeiten von Substanzen oder Verhaltensweisen zu vermeiden. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Schulprogramme zur Stärkung der Kompetenzen von Schülern, Maßnahmen am Arbeitsplatz und die Aufklärungsarbeit in den Medien.
  • Selektive präventive Intervention: Diese Maßnahme nimmt konkrete Risikogruppen in den Blick. Das sind Menschen, bei denen die Gefahr groß ist, dass sie zu Suchtmitteln greifen. Dazu gehören beispielsweise Kinder von suchtkranken Eltern, junge Menschen mit geringen Zukunftsaussichten und Einzelgänger mit wenig sozialer Bindung.
  • Indizierte präventive Intervention: Hierunter fallen Angebote für Menschen, die bereits ein gefestigtes Risikoverhalten zeigen, bei denen aber noch keine Abhängigkeit diagnostiziert werden kann. Zu nennen sind hier beispielsweise junge Erwachsene, die an den Wochenenden bis zum Vollrausch Alkohol konsumieren.

 

Schutz gegen Spielsucht: Intervention in einer frühen Phase

Spielsucht_Audio-und-werbung©shutterstock
Spielsucht_Audio-und-werbung©shutterstock

Spielsucht wird auch „pathologisches Spielen“ oder „Glücksspielstörung“ genannt. Darunter ist das zwanghafte „Zocken“ von Glücksspielen zu verstehen. Typische Anlaufstationen für Menschen mit Spielsucht sind Spielhallen und Spielkasinos. Manche setzen ihr Geld auch in Online-Wettportalen ein. Das größte Gefährdungspotenzial wird Automaten zugeschrieben: Sie gelten als häufigste Einstiegsdroge für diese Suchterkrankung. Schätzungen zufolge gibt es 40.000 bis 60.000 glücksspielsüchtige Menschen in Österreich.

Die Folgen von Spielsucht sind weitreichend:

  • Manche Spielsüchtige verspielen ihr gesamtes Hab und Gut.
  • Oft belasten hohe Schulden ihre Beziehung, Freundschaften und Familien.
  • Eine unbehandelte Spielsucht kann Betroffene in den Suizid treiben.

Neben Automaten haben Roulette, Würfelspiele, Internet-Glücksspiele und Sportwetten ein hohes Suchtpotential. Bei Lotto gilt die Suchtgefahr dagegen als gering.

 

Ursachen für Spielsucht

Bestimmte Aspekte begünstigen die Entstehung einer Glücksspielsucht. Treffen mehrere dieser Faktoren zusammen, erhöht sich die Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Jüngere Männer sind häufiger von dieser Erkrankung betroffen als ältere Menschen und Frauen.

  • Verfügbarkeit und Wirkung: Glückspiele sind sowohl online als auch offline überall verfügbar. Kommen dabei virtuelle Währungen zum Einsatz, senkt das beim Geldeinsatz die Hemmschwelle. Wer mehrfach hintereinander gewinnt, erlebt positive Gefühle von Glück und Macht. Beinahe-Gewinne werden dabei im Gehirn ähnlich wie Gewinne verarbeitet. Verluste bleiben weniger im Gedächtnis haften.
  • Lebenssituation: Menschen, die unter Stress und intensiven Belastungen im Arbeitsalltag oder im Privatleben leiden, sind besonders anfällig für die Glücksspielsucht. Als Risiko gelten eine niedrige Bildung, ein geringes Einkommen, Migrationserfahrung sowie „falsche Freunde“ und Gruppendruck.
  • Persönliche Eigenschaften: Eine fehlende oder gering ausgeprägte Impulskontrolle, ein niedriges Selbstwertgefühl sowie eine hohe Risikobereitschaft können die Entstehung einer Glücksspielsucht fördern. Gleichzeitig wirkt sich das Glücksspiel auf die Persönlichkeit aus. Bei Betroffenen kommt es zum „magischen Denken“: Sie glauben, durch bestimmte Rituale Einfluss auf den Verlauf des Spiels nehmen zu können, etwa, wenn sie beim Roulette vor dem Wurf die Würfel küssen. Oder sie gehen von einer Glückssträhne aus, wenn sie mehrfach nacheinander kleine Summen gewinnen.
  • Psychische Erkrankungen: Als Risikofaktor für die Entwicklung einer Spielsucht zählen neben Angststörungen Depressionen sowie andere bereits vorhandene Suchterkrankungen. Auch Suchterkrankungen in der Familie erhöhen das Risiko.

 

Drei Phasen bis zur Spielsucht

Eine Glücksspielsucht entwickelt sich in drei Etappen. Im Zentrum stehen dabei die positiven Emotionen, die das Spielen auslöst. Wer Glücksspiele macht, flüchtet vor bestehenden Problemen. Er möchte sich entspannt und glücklich fühlen.

  • Einstiegsphase (Stadium 1): Bei Freizeitaktivitäten kommt es zu ersten Erfahrungen mit dem Glücksspiel. Durch anfängliche Gewinne entwickeln sich positive Gefühle gegenüber dem Spiel. Je häufiger Menschen gewinnen, desto höher ist das Suchtpotenzial. Betroffene nehmen den Gewinn als persönlichen Erfolg wahr. Die Höhe der Einsätze steigert sich, was das Suchtrisiko zusätzlich erhöht.
  • Verlustphase (Stadium 2): Betroffene spielen immer öfter. Dadurch kommt es zu teilweise erheblichen finanziellen Verlusten. Wer sich in dieser Phase befindet, leiht sich Geld, um weiterspielen zu können. Das eigentliche Problem – die sich entwickelnde Glücksspielsucht – wird von den Betroffenen nicht erkannt und verschwiegen. In der Familie und am Arbeitsplatz häufen sich die Konflikte.
  • Verzweiflungsphase (Phase 3): Das Spielen von Glücksspielen entwickelt sich zu einem Zwang. Betroffene erhöhen ihre Einsätze bis zum Maximum. Manche verspielen ihren gesamten Besitz. Dabei sind sie fest davon überzeugt, das investierte Geld zurückgewinnen zu können. Bedingt durch ihre finanzielle Not kann es sein, dass Spielsüchtige zu illegalen Mitteln greifen, um an Geld zu kommen. Dabei fühlen sie sich wie ferngesteuert. Gleichzeitig nehmen Schuldgefühle und Selbstverachtung zu. Ohne professionelle Hilfe gelingt es Menschen mit einer Glücksspielsucht oft nicht, vom Spielen loszukommen.

Fällt das Glücksspiel weg, können sich Entzugssymptome entwickeln. Dazu zählt ein Gefühl intensiver Anspannung.

 

Wie lässt sich problematisches Spielverhalten erkennen?

Problematisches Spielverhalten wird als Vorstufe der Glücksspielsucht betrachtet: Zwar gibt es bereits negative Folgen, aber noch scheint das Spielverhalten unter Kontrolle, was das investierte Geld und die Zeit angeht. Erst, wenn der Spieler die Gewalt über sein eigenes Spielverhalten verliert, liegt eine Glücksspielsucht vor.

Dagegen hilft verantwortungsvolles Spielen. Es stellt eine wichtige Schutzmaßnahme dar.

7 Tipps für verantwortungsvolles Spielen:

  • Ein Limit setzen: Bei Glücksspielen sollten die eingesetzte Zeit und das investierte Geld bewusst begrenzt werden.
  • Nur mit klarem Kopf spielen: Wer unter dem Einfluss von Alkohol, Medikamenten oder illegalen Substanzen steht, hält sich von Glücksspielen besser fern.
  • Nicht aus Geldnot spielen: Man sollte nur spielen, wenn tatsächlich Geld zur Verfügung steht, das nicht anderweitig benötigt wird. Kein Geld leihen, um Glücksspiele machen zu können.
  • Bei Verlusten nicht weiterspielen: Das „Hinterherjagen“ hinter dem verlorenen Geld führt zu weiteren Verlusten.
  • Riskante Glücksspiele meiden: Dazu zählen Automatenspiele, Sportwetten sowie Spiele in Spielbanken, aber auch Online-Glücksspiele.
  • Anderen Freizeitaktivitäten nachgehen: Das Glücksspiel sollte nur einen kleinen Teil der eigenen Freizeitgestaltung ausmachen.
  • Nicht in schlechter Stimmung spielen: Unter Stress und Anspannung ist die Gefahr groß, nicht rechtzeitig aufzuhören oder zu viel Geld einzusetzen.

 

Hilfe bei schädlichem Alkoholkonsum

Alkoholsucht_Pormezz©shutterstock
Alkoholsucht_Pormezz©shutterstock

Schätzungsweise 340.000 Menschen in Österreich gelten als alkoholkrank. Jede vierte Person konsumiert Alkohol in einem gesundheitsschädlichen Ausmaß. Dieser schädliche Alkoholkonsum ist eine Vorstufe zur Alkoholabhängigkeit. Die Sucht selbst hat nicht eine einzelne Ursache, sondern entsteht aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Diese können psychisch, aber auch sozial und körperlich bedingt sein.

 

Was ist „problematischer“ Alkoholkonsum?

Einen vollständig risikolosen Alkoholkonsum gibt es nicht. Als risikoarm gelten bei Männern 0,6 Liter Bier und bei Frauen 0,4 Liter Bier pro Tag. Mindestens zwei Tage pro Woche sollte allerdings kein Alkohol konsumiert werden.

Als „problematisch“ wird der Konsum eingeschätzt, wenn Männer mehr als 60 Gramm Alkohol täglich zu sich nehmen. Das entspricht ungefähr eineinhalb Liter Bier. Bei Frauen liegt die Grenze bei 40 Gramm Alkohol pro Tag, was ungefähr einem Liter Bier entspricht. Ab dieser Menge besteht laut der Sucht- und Drogenkoordination Wien ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko.

Die Übergänge zwischen einem problematischen Konsum und Alkoholabhängigkeit sind fließend. Dabei spielt das familiäre und soziale Umfeld ebenso eine Rolle wie fehlende Stressresistenz und Schwierigkeiten mit der Emotionsbewältigung.
Als besonders gefährdet gelten Menschen mit den folgenden Merkmalen:

  • Sie reagieren positiv auf Alkohol und spüren keine negativen körperlichen Folgen.
  • Alkoholismus kommt in ihrer Herkunftsfamilie oder ihrem sozialen Umfeld vor.
  • Sie sind psychisch belastet, beispielsweise aufgrund von Traumata oder Stress. Im Konsum von Alkohol suchen sie Entspannung.
  • Sie sind beruflich in der Alkoholproduktion tätig oder arbeiten im Vertrieb von alkoholischen Getränken.

 

Wie entsteht Alkoholsucht?

Zu einer Alkoholabhängigkeit kommt es, wenn das Trinken von Alkohol eine Funktion übernimmt: Das Glas Wein am Abend soll möglicherweise helfen, Stress nach einem anstrengenden Tag abzubauen. Auf der Party dient Alkohol dazu, die Stimmung zu verbessern und „locker“ zu werden. Vielleicht kommt er als Beruhigungsmittel zum Einsatz, soll Ängste lindern oder Schmerzen stillen.

Wenn Menschen nicht oder kaum noch kontrollieren können, wie viel sie trinken, oder unter dem Zwang leiden, trinken zu müssen, liegt eine Alkoholabhängigkeit vor. Fehlt das Suchmittel, stellen sich Entzugssymptome ein. Dazu zählen unter anderem Zittern, innere Unruhe, Schwitzen, Schlaflosigkeit und Übelkeit, die sich bis zum Erbrechen steigern kann. Dazu können sich psychische Symptome zeigen wie Depressionen und Ängste.

Die Alkoholsucht zählt zu den chronischen Krankheiten. Was dabei beachtet werden muss, ist die Toleranzentwicklung: Betroffene brauchen immer mehr Mengen Alkohol, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Sie steigern also die Dosis und halten – trotz schädlicher Folgen – am Alkohol fest. Sie vernachlässigen zugunsten der Sucht ihre Beziehungen, ihre Arbeit und Freizeitaktivitäten.

Maßnahmen für Betroffene und Angehörige

Massnahme-fuer-Betroffene_Chaay_Tee©shutterstock
Massnahme-fuer-Betroffene_Chaay_Tee©shutterstock

Sowohl Betroffene als auch Angehörige können sich an die Sucht-Beratungsstellen wenden. Dort bekommen sie kostenfrei Hilfe und Unterstützung. Gerade für Familienmitglieder kann es entlastend sein, mit einer neutralen Person zu sprechen. Außerdem gibt es Selbsthilfegruppen, in denen sich entweder Betroffene oder Familienmitglieder austauschen können: Eine Anlaufstelle für Menschen mit Alkoholsucht sind die Anonymen Alkoholiker Österreich und Südtirol. Betroffene und Angehörige können sich auch an das Blaue Kreuz Wien und Wien-Umgebung wenden.

Gruppenprogramme für kontrolliertes Trinken

Der Psychologe Joachim Körkel führte das das „Ambulante Gruppenprogramm zum kontrollierten Trinken“ (AkT) zum ersten Mal im Jahr 1999 in Nürnberg durch. Inzwischen wird es in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeboten. Es besteht aus einer Diagnostikphase und zehn wöchentlichen Gruppenabenden mit festgelegten Themen wie „Bilanz des bisherigen Alkoholkonsums“, „Risikosituationen“ und „Umgang mit Ausrutschern“. Dabei spielen ein respektvoller Umgang miteinander und der Schutz der Privatsphäre eine große Rolle. Die Erfolgsquote bei dieser Maßnahme liegt bei 65 Prozent.

Gegen riskantes Kaufverhalten angehen

Kaufsucht ist der Drang, etwas kaufen zu müssen, ohne es zu brauchen. Dabei kann es sich um Konsumgüter, aber auch um Dienstleistungen handeln. Das Kauferlebnis löst ein Hochgefühl aus. Doch nach dem Kauf folgen Schuldgefühle und Frustration. Die betroffene Person kauft, um sich besser zu fühlen, aber die Hochgefühle sind nur von kurzer Dauer. Danach muss ein neuer Kauf ausgelöst werden.

Folgende Symptome lassen sich bei Menschen mit einer Kaufsucht beobachten:

  • Sie machen Schulden durch immer neue Kaufaktionen, denn sie leben über ihre Verhältnisse.
  • Die Beschäftigung mit dem Kaufen nimmt viel Zeit in Anspruch, die an anderer Stelle fehlt.
  • Handelt es sich um Gegenstände, füllt sich die Wohnung mit Dingen.
  • Betroffene erfinden Ausreden, wenn sie auf ihr Verhalten angesprochen werden.

Risiken und Ursachen von Kaufsucht

Elnur©shutterstock
Elnur©shutterstock

Für Kaufsucht gibt es gesellschaftliche, emotionale und psychische Ursachen beziehungsweise Risikofaktoren. Wir leben wir in einer Konsumgesellschaft. Die Wirtschaft profitiert davon, wenn möglichst viel gekauft wird. Darum bleibt die Kaufsucht häufig auch zunächst verborgen.

Ein weiterer Risikofaktor sind psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen und andere Süchte. Allerdings kann Kaufsucht die genannten Probleme ebenso verursachen.

Durch den Kauf von Dingen oder Dienstleistungen wird das Belohnungszentrum im Gehirn angesteuert. Das führt zu einer Dopamin-Ausschüttung, was als Glücksgefühl wahrgenommen wird. Mit der Zeit kommt es zu Veränderungen im Gehirn, die denen von substanzabhängigen Menschen ähneln.

Risiken, an einer Kaufsucht zu erkranken:

  • Junges Lebensalter,
  • Weibliches Geschlecht,
  • Niedriger Bildungsstand,
  • Bezahlen mit Karte und
  • Online-Shopping.

Kaufsucht kann hohe Schulden verursachen. Bei der Kartenzahlung und beim Online-Shopping geht schnell der Überblick verloren. Dies kann sich negativ auf das soziale Umfeld beziehungsweise auf persönliche Beziehungen auswirken und in Isolation resultieren. Die Anhäufung von Schulden kann zu kriminellen Aktivitäten führen. Manche Betroffene werfen diese Dinge irgendwann weg. Das wiederum kann erneut Schuldgefühlen auslösen.

 

Wie lässt sich eine Sucht verhindern?

Am besten ist es, zunächst alles aufzuschreiben, was gekauft wird. Dann geht es in die Reflexion: Warum wurde das Produkt gekauft? Erfüllt es einen Zweck? Oder wurde geschafft, um ein negatives Gefühl, zum Beispiel Langeweile oder Frustration zu kompensieren? Wem das nur gelegentlich mal passiert, muss sich keine Sorgen machen. Liegt eine Kaufsucht vor, ist das Verhalten ein Muster, das immer wiederkehrt.

Es kann helfen, keine Kreditkarten zum Einkaufen mitzunehmen.

Eine Einkaufsliste hilft dabei, schriftlich zu fixieren, was in den Einkaufswagen kommt. Wer kann, sollte besser in bar als mit Karte zahlen.

Tipps fürs Online-Shopping:

  • Funktionen wie den „1-Klick-Kauf“ deaktivieren,
  • Apps zu Kaufangeboten oder Webshops vom Handy löschen,
  • Personalisierte Werbung entfernen.
  • Es hilft, sich selbst Regeln aufzuerlegen, wie etwa prinzipiell keine Käufe über das Smartphone zu tätigen.

 


Literatur:

Zarate D, Fullwood L, Prokofieva M, Griffiths MD, Stavropoulos V. Problematic Shopping Behavior: An Item Response Theory Examination of the Seven-Item Bergen Shopping Addiction Scale. Int J Ment Health Addict. 2022 Jun 20:1-19. doi: 10.1007/s11469-022-00844-8. Epub ahead of print. PMID: 35754859; PMCID: PMC9208247.

Jorgenson AG, Hsiao RC, Yen CF. Internet Addiction and Other Behavioral Addictions. Child Adolesc Psychiatr Clin N Am. 2016 Jul;25(3):509-20. doi: 10.1016/j.chc.2016.03.004. Epub 2016 Apr 11. PMID: 27338971.

Clay SW, Allen J, Parran T. A review of addiction. Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-7. doi: 10.3810/pgm.2008.07.1802. PMID: 18654058.

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