Für Gebärende bringt eine Schmerzpumpe bei Geburt autonome Selbstkontrolle – das neue Schmerztherapie-Konzept in der Geburtshilfe ruft Begeisterung hervor.
Innovative Hightech-Schmerzpumpen-Systeme für die autonome Kontrolle von Geburtsschmerz: Bei der Geburt sollte die Frau die „Bestimmerin“ über ihre Schmerzen sein, so Schmerz- und Geburtshilfeexperten. Moderne Möglichkeiten der Schmerzlinderung wie „Programmed Intermittent Epidural Bolus (PIEB)“ ermöglichen Gebärenden die autonome Kontrolle über ihre Schmerzen: Über intelligente Pumpensysteme werden Schmerzmittel nach Schema plus zusätzlich auf Abruf bei Bedarf abgegeben.
Eine neue Form der Schmerztherapie bei der Geburt, bei der Frauen mit einem intelligenten Pumpensystem den Geburtsschmerz autonom kontrollieren können, wurde heute bei einem Pressegespräch vorgestellt. „Beim Schmerzempfinden spielen physische und psychische Faktoren auf komplexe Weise zusammen. Die Psyche kann den physischen Schmerz sehr stark beeinflussen“, so die Anästhesiologin Priv.-Doz. Dr. Heidrun Lewald (München).
„Eine schmerzlose Geburt gibt es nach unserem heutigen Verständnis jedoch nur mithilfe von Medikamenten. Wenn eine Frau, aus welchen Gründen auch immer, keine Schmerzen erleiden möchte, können wir diese mit anästhetischen Mitteln sehr gut in den Griff bekommen.“ Es sei allerdings nicht immer im Interesse einer gut ablaufenden Geburt, dass Frauen gar nichts mehr empfinden: „Eine gewisse Sensorik und somit auch der Schmerz helfen einer Frau, den Geburtsvorgang besser zu lenken.“
Gebärende sollen die Methode der Schmerzerleichterung individuell wählen können
Wie viel an Schmerz erträglich ist, hängt sehr stark von der individuellen Einstellung und den persönlichen Bedürfnissen ab, weiß Priv.-Doz. Lewald. „Mein Leitgedanke für die geburtshilfliche Schmerztherapie ist, dass die Frau die Bestimmerin sein sollte. Nicht jede Frau muss die maximale Therapie in Anspruch nehmen. Aber wer eine wirksame Schmerzkontrolle will, soll sie auch haben. Die Frau sollte Zeitpunkt und Methode der Schmerzerleichterung frei wählen können.“
Stufenschema zur Schmerzlinderung
Wenn Schmerzmittel verabreicht werden, wird häufig nach einem Stufenschema vorgegangen. Manchmal bekommen die Gebärenden zunächst nur ein peripheres Schmerzmittel wie etwa Paracetamol. „Auch hier wirken sich eine intensive Begleitung der Frau und, wenn erwünscht, auch begleitend dazu Massagen positiv auf den Geburtsverlauf und das Empfinden der Frau aus. Als nächster Schritt können Opioide intravenös oder intramuskulär verabreicht werden“, so Priv.-Doz. Lewald. „Reichen diese Medikamente als Schmerztherapie nicht aus, ist der letzte Schritt der Schmerztherapie der Periduralkatheter, auch Epiduralkatheter genannt, und die darüber verabreichte Periduralanalgesie (PDA).“
Neues Schmerztherapiekonzept: Frau steht im Mittelpunkt
Neuerdings werden Schmerzmedikamente über eine elektronisch gesteuerte Pumpe abgegeben, die die Gebärende im Rahmen der Patienten-kontrollierten Analgesie (PCA) per Knopfdruck selbst bedient. „Die aktuellste Innovation ist hier PIEB, das Kürzel für Programmed Intermittent Epidural Bolus. Dabei wird in einem fixen Intervall durch eine kurze und kraftvolle Infusion das Schmerzmittel in den Periduralraum der Wirbelsäule abgegeben, was eine schmerzlindernde Grundversorgung sichert“, sagt Priv.-Doz. Lewald. Hier zeichne sich ein neues Schmerztherapiekonzept in der Geburtshilfe ab, bei dem die Frau im Mittelpunkt steht, „denn sie kann selbst bestimmen, wann sie ein Schmerzmittel erhält. Das hat auch einen positiven psychologischen Effekt, weil ein Element der Schmerztherapie darin besteht, Betroffenen das Gefühl der Beherrschbarkeit des Schmerzes zu geben und ihm nicht ausgeliefert zu sein.“
Innovative Schmerzpumpe bei Geburt: Schmerzmittel nach Schema plus bei Bedarf
„Der derzeitige Goldstandard zur Schmerzlinderung bei der Geburt ist die Periduralanästhesie“, so OA Priv.-Doz. Dr. Stefan Jochberger, Stv. Bereichsoberarzt für den Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Innsbruck. „Das belegt auch eine neue Studie, die die Wirkung von intravenös verabreichtem Remifentanil mit einer PDA vergleicht. Sie zeigt, dass sich das Schmerzniveau mithilfe von PDA deutlich besser absenken lässt, was sich in einer höheren Zufriedenheit der Gebärenden mit der Schmerzreduktion ausdrückt.“
Bei der PDA wird vom Anästhesisten zunächst unter sterilen Bedingungen ein kleiner Schlauch in den unteren Bereich des Rückens zwischen den Wirbeln außerhalb und unterhalb des Rückenmarks eingeführt. Anschließend wird ein lokales Betäubungsmittel eingespritzt, das die Nerven blockiert, die aus dem Rückenmark austreten. Der Geburtsschmerz, der durch die Kontraktionen der Gebärmutter und durch die Öffnung des Gebärmutterhalses entsteht, kann mit einer PDA sehr effektiv und gut ausgeschaltet werden.
„Bisher war es in unserer Klinik Standard, dass bei der PDA kontinuierlich zwischen acht und zwölf Milliliter Schmerzmittel pro Stunde verabreicht wurden. Nun stellen wir auf eine Bolus-Gabe von zwei Mal fünf Milliliter pro Stunde mit einer CADD-Pumpe des Medizintechnik-Unternehmens Smiths Medical um“, berichtet Priv.-Doz. Jochberger. „Die PIEB hat den Vorteil, dass man das Schmerzmittel, ein Opioid oder ein Lokalanästhetikum, besser im Rückenmark verteilen und es mit höherer Geschwindigkeit applizieren kann. Damit ist eine schmerzlindernde Basisversorgung nach Schema sichergestellt.“
Zusätzlich kann sich die Gebärende bei Schmerzspitzen mit einem einfachen Knopfdruck auf das Gerät einen weiteren Schmerzmittel-Bolus verabreichen. Über den Mikroprozessor, der mit Tastenfeld und Display ausgestattet ist, aktiviert sie eine elektrisch gesteuerte Pumpe. Diese schickt mithilfe einer mechanischen Förderapparatur ein Schmerzmittel über eine Infusionsleitung in Richtung PDA-Zugang und pumpt das Analgetikum in den Körper.
„Die Anästhesistin oder der Anästhesist hat zuvor die Höhe des Bolus festgelegt und im Prozessor des Gerätes gespeichert. Auch wird ein Sperrintervall bestimmt, sodass in einem gewissen Zeitraum nur ein Bolus abgegeben werden kann. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme gegen Überdosierung wird eine Maximaldosis festgelegt. Die Gebärende kann sich also je nach Bedarf zusätzliche Schmerzmittel applizieren, ohne Gefahr zu laufen, zu viel zu dosieren“, erklärt Priv.-Doz. Jochberger. „Allerdings muss auch diese Anwendung beständig von Arzt oder Ärztin überwacht werden.“ Das Schmerzmittel selbst befindet sich in einer verschließbaren Kammer in einem Reservoir. Das Gerät wird mit Netzteil, Batterie oder Akku elektrisch betrieben. Zudem verfügt die CADD-Pumpe über eine PC-Verbindung, damit das Benutzungsprotokoll übertragen und abgespeichert werden kann.
Priv.-Doz. Jochberger: „Mit der Pumpe wird den Frauen neben einer stabilen Schmerzlinderung eine Möglichkeit gegeben, die Schmerzkontrolle selbst zu steuern. Sowohl unsere Erfahrungen als auch aktuelle Studiendaten zeigen eindeutig, dass das auch einen positiven psychologischen Effekt hat. PIEB bietet Gebärenden darüber hinaus die Möglichkeit zur Mobilität, sie können pressen, und es kommt nicht zu Taubheit in den Beinen.“
Zu wenig beachtet: Schmerzen nach der Geburt
Eine optimale Versorgung in Sachen Geburtsschmerz sei schon deshalb von Bedeutung, weil sonst das Risiko einer Chronifizierung bestehe, so Priv.-Doz. Lewald: „Viele Frauen leiden nach der Geburt an chronischen Schmerzen. Laut einer Erhebung ist rund jede zehnte Frau auch acht Wochen nach Spontangeburt oder Kaiserschnitt nicht frei von Schmerzen. Bis zu 13 Prozent der Frauen, die einen Dammschnitt erhalten haben, sind auch sechs Wochen nach der Geburt nicht schmerzfrei. Bei schweren Dammverletzungen leidet jede fünfte Frau unter Beschwerden. Laut einer amerikanischen Studie spüren 18 Prozent der Frauen auch noch ein Jahr nach einem Kaiserschnitt die Folgen der Entbindung, zehn Prozent davon sogar intensiv. Bei den Frauen, die vaginal entbunden haben, leiden zehn Prozent unter Schmerzen, jede vierte empfindet diese als stark. Wir sollten daher unser Augenmerk verstärkt auch auf die analgetische Versorgung nach der Geburt richten und bei ersten Anzeichen einer Chronifizierung rechtzeitig eine schmerztherapeutische Beratung anbieten.“
„Periduralanästhesie gehört für Hebammen zur Betreuung dazu“
„Als Hebamme kläre ich Schwangere zunächst darüber auf, dass es neben Medikamenten auch alternative Möglichkeiten zum Umgang mit Geburtsschmerzen gibt. Dazu zählen Homöopathie, Geburt in der Badewanne oder Aromapflege sowie eine geburtsvorbereitende Akupunktur, die ab der 36. Schwangerschaftswoche angeboten wird“, so Anna Harm, Leitende Hebamme, Universitätsklinik Innsbruck. „Manchen Frauen ist es wichtig, während der Geburt nicht im Bett liegen zu müssen, sondern eine Position einnehmen zu können, die für sie am bequemsten ist. Die Schmerzen sind dadurch erträglicher.“
An der Innsbrucker Universitätsklinik steht 24 Stunden ein Anästhesieteam zur Verfügung, deshalb kann jederzeit, auch auf Wunsch der Gebärenden, eine Periduralanästhesie (PDA) durchgeführt werden. „Früher war die PDA immer mit der Indikation durch Oberärztin oder -arzt verbunden und es gab noch eine gewisse Hemmschwelle, sie einzusetzen. Mittlerweile können die Kreissaal-Assistenzärztinnen und -ärzte mit der Gebärenden und der Hebamme abklären, ob die Methode angezeigt ist, sie wird daher den Frauen früher angeboten. Wenn eine Gebärende starke Schmerzen hat, wird die PDA rasch zum Thema“, weiß Anna Harm. „Für uns Hebammen ist die PDA kein Problem, sondern gehört zur Betreuung einfach dazu. Unsere Pflicht als Hebammen ist es, Frauen fachlich zu begleiten und sie in ihrem Sinne zu betreuen. Die Selbstbestimmung der Frau steht im Mittelpunkt. Die Geburt soll nicht im Nachhinein ein traumatisierendes Erlebnis sein.“
Frauen, die diese Pumpen bereits ausprobiert haben, waren begeistert
Eine große Beruhigung für eine Gebärende sei es, wenn sie den Einsatz von Schmerzmitteln selbst kontrollieren kann, weiß die Leitende Hebamme. „Sie kann mit der Pumpe mobil bleiben, ihr Zimmer verlassen und weiterhin hin und her gehen. Sie kann sich selbst einen Bolus geben, wenn sie das Gefühl hat, die Schmerzen werden wieder mehr. Die Frauen, die diese Pumpen bereits ausprobiert haben, waren begeistert. Früher waren Frauen bei einer PDA an das Bett gebunden und man hat sich auch auf eine bestimmte Lage für die Geburt festlegen müssen. An Aufstehen war sowieso nicht zu denken. Bei der Anästhesie in der Geburtshilfe hat sich glücklicherweise sehr viel getan, mehr denn je kann Frauen eine Geburt nach ihren Vorstellungen und Wünschen ermöglicht werden.“
„PDA hat mir die Schmerzspitzen genommen“
Lisa Maria S. war die erste Gebärende an der MedUni Innsbruck, bei der die neue Schmerzpumpe angewendet wurde. „Ich habe meine Tochter Ende April entbunden. In meiner Schwangerschaft habe ich die Hebammenberatung in Anspruch genommen und mich über die Möglichkeiten zur Linderung von Geburtsschmerzen informiert – angefangen von Akupunktur, Aromatherapie und Globuli über Schmerzmedikamente bis hin zur Periduralanästhesie (PDA)“, berichtet Lisa Maria. „Ich habe das Ganze realistisch betrachtet und mich zur Sicherheit damit auseinandergesetzt, wie mir geholfen werden könnte, falls extreme Schmerzen auftreten. Wie sich herausstellte, war das eine weise Entscheidung: Die Geburt meines Kinder hat schlussendlich um die 16 Stunden gedauert. Ich habe schließlich nach einer PDA verlangt, denn ich war bereits am Ende meiner Kräfte und litt unter sehr starken Schmerzen.“
Die PDA sei so gut gesetzt gewesen, dass sie weiter gut mithelfen und die Geburt führen konnte, erinnert sich Lisa Maria: „Alles lief so ab, wie in der Geburtsvorbereitung geschildert: Die Anästhesie nahm mir die extremen Schmerzspitzen, aber ich spürte weiterhin jene Schmerzen, die einem anzeigen, wann man pressen muss. Äußerst beruhigend war auch das Wissen, dass ich zur Not auch noch die Schmerzpumpe bedienen und selbst die Schmerzmitteldosis der PDA erhöhen könnte, wenn die Schmerzen unerträglich werden.“