Unter dem Strich wird Schmerz nicht nur individuell erlebt, sondern auch soziale Faktoren nehmen starken Einfluß.
Schmerz wird nicht nur individuell erlebt, sondern auch stark durch soziale Faktoren beeinflusst. Das Wohlgefühl von Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden, kann durch intensive soziale Unterstützung positiv beeinflusst werden. Allerdings kann übermäßige Sorge von Familienmitgliedern und Freunden das Schmerzempfinden negativ verstärken.
Soziale Faktoren von Schmerz und dessen Therapie
Schmerz ist nicht nur eine körperliche oder psychische Empfindung, sondern wird auch erheblich von sozialen Faktoren beeinflusst. Die Art, wie wir Schmerz empfinden, kann stark durch unser soziales Umfeld und durch unsere Interaktionen mit Ärzten, Therapeuten sowie mit Freunden und Familie geprägt sein. Forschungsarbeiten unterstreichen, dass die Qualität dieser Interaktionen einen erheblichen Einfluss darauf hat, wie intensiv Schmerzen wahrgenommen werden.
„Die Art und Weise, wie wir mit Schmerz umgehen, und wie intensiv wir ihn erleben, hängt in großem Maße von der Unterstützung und Nähe anderer Menschen ab – ob es die Anwesenheit eines geliebten Menschen ist oder einfach das Halten einer Hand“, betont Dr. Judith Kappesser, Psychologin an der Universität Gießen.
Trotz der breiten Anerkennung des biopsychosozialen Schmerzmodells und der Betonung sozialer Einflüsse in der Schmerzdefinition der International Association for the Study of Pain von 2020, sind soziale Faktoren in der Forschung bisher vernachlässigt worden. Dr. Judith Kappesser findet das sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus klinischer Sicht überraschend. „Das Erleben von Schmerz ist eingebettet in einen sozialen Rahmen. Die Art, wie und gegenüber wem wir ausdrücken, dass wir Schmerzen empfinden, wird stark durch unsere soziale Umgebung beeinflusst“, erklärt sie.
„Unterstützende Beziehungen können dazu beitragen, dass Schmerzen subjektiv als weniger stark empfunden werden, da emotionale Unterstützung dabei helfen kann, Stress und Ängste zu mindern. Im Gegensatz dazu kann soziale Isolation die Schmerzwahrnehmung intensivieren, da Einsamkeit die psychische Belastung steigert – ein Phänomen, das wir während der Corona-Pandemie häufig beobachtet haben“, betont Professor Dr. Thomas Fischer, der Präsident des aktuellen Schmerzkongresses. Er hat die sozialen Dimensionen von Schmerz und dessen Behandlung in den Mittelpunkt des Kongresses gestellt. Während positive Unterstützung das Wohlgefühl von Schmerzpatienten fördert, kann übertriebene Sorge von Angehörigen deren Schmerzerleben negativ beeinflussen.
Eine Untersuchung hat gezeigt, dass allergische Hautreaktionen am deutlichsten abnahmen, wenn Ärzte nicht nur ihre medizinische Fachkenntnis demonstrierten, sondern auch Empathie zeigten. Zu diesen empathischen Handlungen zählten einfache Gesten, wie die Patienten beim Namen zu nennen, sich zu ihnen zu setzen, Augenkontakt aufzunehmen und ermutigend zu lächeln. Diese Erkenntnisse betonen die zentrale Rolle des sozialen Umfelds in der Schmerzwahrnehmung und ihrer Behandlung. „Der soziale Rahmen spielt eine entscheidende Rolle im gesamten Heilungsverlauf“, schlussfolgert Dr. Kappesser.
Literatur:
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