Das Coronavirus SARS-CoV-2 verwendet den ACE2-Rezeptor, um in die Zelle des Wirts einzudringen, das ist wichtig, um neue Medikamente gegen Covid-19 zu entwickeln.
Die neuartige Corona-Infektionskrankheit durch das schwere akute respiratorische Syndrom verursachende Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19) breitet sich rasch aus. Bis dato sind keine spezifischen Medikamente verfügbar. Deswegen umfasst das derzeitige Management zahlreiche Reise- und Ausgehbeschränkungen, Patientenisolation sowie unterstützende Symptom linderne medizinische Versorgung. Es gibt zwar bereits eine Reihe von Arzneimitteln, die getestet werden. Allerdings ist dazu ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Krankheitsentstehung erforderlich. Forscher um den österreichischen Wissenschaftler Josef Penninger argumentierten unlängst in einer rezenten Publikation, warum der Angiotensin-Converting-Enzym-2-(ACE2)-Rezeptor als spezifisches therapeutisches Target so wichtig sein könnte, um wirksame Medikamente gegen das Coronavirus SASR-Cov-2 sowie gegen die Corona-Erkrankung Covid-19 zu entwickeln.
Das schwere Coronavirus des akuten respiratorischen Syndroms (SARS-CoV) sowie das neue SARS-CoV-2 verwenden den ACE2-Rezeptor, um leichter in die Zelle des Wirts eindringen zu können!
Für ihre Forschung haben die Wissenschaftler SARS-CoV-2 sequenziert.
Die Analyse ergab dabei einen Fledermaus-Ursprung für SARS-CoV-2. Wobei eine Vielzahl möglicher Zwischenwirte denkbar sind, jedoch nicht Mäuse und Ratten.
Es gibt viele Ähnlichkeiten von SARS-CoV-2 mit dem ursprünglichen SARS-CoV aus dem Jahr 2003. Beispielsweise konnte man bereits die genaue Struktur des entscheidenden Oberflächenproteins (Spike Protein) von Sars-CoV zu entschlüsseln. Es zeigte sich, dass die Spike-Proteine von SARS-CoV-2 und SARS-CoV nahezu identische 3-D-Strukturen in der Rezeptorbindungsdomäne aufweisen.
Unter dem Strich soll das SARS-CoV-Spike-Protein eine starke Bindungsaffinität zum menschlichen ACE2-Rezeptor haben. SARS-CoV-2- und SARS-CoV-Spike-Proteine weisen in Aminosäuresequenzen eine Identität von 76,5% auf. Zudem weisen die SARS-CoV-2- und SARS-CoV-Spike-Proteine vor allem weisen einen hohen Grad an Homologie auf. Der Begriff Homologie beschreibt in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Übereinstimmung der beiden Virus-Typen aufgrund des gemeinsamen evolutionären Ursprungs.
Das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 kommt mit Homologie zum Angiotensin-konvertierenden Enzym (ACE) hauptsächlich in Eukaryoten sowie in Bakterien vor. ACE2 spielt ebefalls eine wichtige Rolle im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), das unter anderem den Blutdruck reguliert.
Im Grunde genommen exprimiert ACE2 im Herzen, sowie in der Lunge, Niere, im Gefäßendothel sowie im Magen-Darm-Trakt ist. Zudem ist ACE2 eben ein Rezeptor für verschiedene Coronaviren, einschließlich SARS-CoV und SARS-CoV-2, um in die Zelle ihre Wirts zu gelangen. Aktuelle Analysen deuten dabei sogar darauf hin, dass SARS-CoV-2 menschliches ACE2 effizienter erkennt als SARS-CoV.
Das erhöht wiederum die Fähigkeit von SARS-CoV-2, von Person zu Person übertragen zu werden. Schließlich ist ACE2 als funktioneller SARS-CoV-Rezeptor nicht nur für den Eintritt in die Wirtszelle, sondern auch für die anschließende Virusreplikation erforderlich.
Anreicherung des ACE2-Rezeptors in menschlichen Lungenzellen (Alveolarepithelzellen, Pneumozyten)
Eine Schlüsselfrage ist, warum die Lunge das am stärksten gefährdete Zielorgan des Coronavirus SARS-Cov-2 zu sein scheint. Ein Grund dafür ist, dass ihre große Oberfläche die Lunge sehr anfällig für inhalierte Viren macht, wobei es aber auch einen biologischen Faktor gibt.
Unter Verwendung von normalem Lungengewebe von acht erwachsenen Spendern konnten Forscher früher schon zeigen, dass 83% der ACE2-exprimierenden Zellen alveoläre epitheliale Typ-II-Zellen (AECII) waren. Das deutet wiederum darauf hin, dass diese Lungenzellen als Reservoir für die Virusinvasion dienen könnten.
SARS-CoV-2 in den Darmzellen
Die Expression des ACE2-Rezeptors findet aber auch in vielen extrapulmonalen Geweben, einschließlich Herz, Niere, Endothel und Darm statt.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ACE2 auf der Lumenoberfläche von Darmepithelzellen stark exprimiert wird und als Co-Rezeptor für die Nährstoffaufnahme fungiert, Und zwar insbesondere für die Aminosäure-Resorption aus der Nahrung.
Das Forscherteam um Penninger geht daher davon aus, dass der Darm ebenfalls eine wichtige Eintrittsstelle für SARS-CoV-2 sein könnte. Und dass deswegen die erste Infektion möglicherweise durch den Verzehr von Nahrungsmitteln am Wuhan-Markt, dem mutmaßlichen Ort des Ausbruchs, geschah.
Wenn SARS-CoV-2 tatsächlich das menschliche Darmepithel infizieren kann, dann hat das wichtige Auswirkungen auf die fäkal-orale Übertragung und die Eindämmung der Coronavirus-Ausbreitung sowie möglicherweise auch für Medikamente.
Die Verteilung des ACE2-Gewebes in anderen Organen könnte auch die bei Patienten beobachtete Dysfunktion mehrerer Organe erklären. Übrigens muss erst noch bestätigt werden, ob man an COVID-19 erkranken kann, indem man Oberflächen oder Objekte berührt, auf denen sich Viren befinden, wenn man dann anschließend die Schleimhäute berührt.
Mögliche Ansätze für neue Medikamente zur Bekämpfung von ACE2-vermitteltem COVID-19
Impfstoff auf Spike-Protein-Basis
Die Entwicklung eines Impfstoffs auf der Basis einer Spike-Untereinheit auf Proteinbasis könnte auf der Tatsache beruhen, dass ACE2 eben der SARS-CoV-2-Rezeptor ist. Zelllinien, die die Virusreplikation in Gegenwart von ACE2 erleichtern, könnten bei der Impfstoffproduktion in großem Maßstab am effizientesten sein.
Aktivität der Transmembranprotease Serin 2 (TMPRSS2) hemmen
Andere Studien konnten kürzlich zeigen, dass die anfängliche Spike-Protein-Vorberitung durch die Transmembranprotease Serin 2 (TMPRSS2) für den Eintritt und die virale Ausbreitung von SARS-CoV-2 durch Wechselwirkung mit dem ACE2-Rezeptor wesentlich ist. Und so ist sie auch für den Eintritt und die virale Ausbreitung von SARS-CoV-2 durch Wechselwirkung mit dem ACE2-Rezeptor wesentlich.
Deswegen könnte Medikamente, die die TMPRSS2-Aktivität blockieren, ebenfalls ein interessante Wirkstoffe zur Bekämpfung des Coronavirus beziehungsweise der Corona-Erkrankung Covid-19 sein.
Medikamente zur Blockierung des ACE2-Rezeptors gegen das Coronavirus
Die Wechselwirkungsstellen zwischen ACE2 und SARS-CoV wurden auf atomarer Ebene identifiziert und sollten aus bisherigen Studien auch für Wechselwirkungen zwischen ACE2 und SARS-CoV-2 gelten. Somit könnte man diese Interaktionsstelle mit Antikörpern oder kleinen Molekülen ansteuern.
Abgabe einer übermäßig löslichen Form von ACE2.
Weiter kann SARS-CoV das ACE2-Protein (aber nicht ACE) herunter reguliert, indem es sein Spike-Protein bindet. Das ist für eine schwere Lungenverletzung mitverantwortlich.
Dies deutet wiederum darauf hin, dass übermäßiges ACE2 möglicherweise kompetitiv an SARS-CoV-2 bindet. Und zwar nicht nur, um das Virus zu neutralisieren, sondern auch um die zelluläre ACE2-Aktivität zu retten.
Denn dies soll das Renin-Angiotensin-System (RAS) negativ regulieren, um die Lunge vor Verletzungen zu schützen. Tatsächlich unterstützt eine erhöhte ACE-Aktivität und eine verringerte Verfügbarkeit von ACE2 einer Lungenverletzung.
Daher könnte die Behandlung mit einer löslichen Form von ACE2 zwei Funktionen ausüben. Einerseits könnte es den Eintritt de Coronavirus in die Zelle verlangsamen und damit der Virusausbreitung entgegenwirken. Andererseits könnte diese Therapie die Lunge gegen Verletzungen unterstützen.
Coronavirus-Medikamente: APN01 vielversprechend gegen Covid-19
Insbesondere konnten die Wissenschaftler feststellen, dass ein rekombinantes menschliches ACE2 (rhACE2; APN01, GSK2586881) bei gesunden Probanden und in einer kleinen Kohorte von Patienten mit ARDS (Akutes Lungenversagen, englisch Acute Respiratory Distress Syndrome) ohne negative hämodynamische Effekte sicher ist.
Die Verabreichung von APN01 verringerte schnell die Spiegel seines proteolytischen Zielpeptids Angiotensin II mit einem Trend zur Senkung der IL-6-Plasmakonzentrationen.
Die früheren Arbeiten des Forscherteams zur SARS-CoV-Pathogenese machen ACE2 zu einem rationalen und wissenschaftlich validierten therapeutischen Ziel für die aktuelle COVID-19-Pandemie.
Die Verfügbarkeit von rekombinantem ACE2 war der Anstoß, mit einem multinationalen Team von Intensivmedizineren, Wissenschaftlern und Biotechnologen eine Pilotstudie mit APN01 bei Patienten mit schwerem COVID-19 zu starten.
Medikamente beibehalten
Eine aktuelle Publikation zu bestehenden Medikationen warnt davor, dass es aufgrund dieser aktuellen Erkenntnisse zu ACE2 Änderungen bei der medikamentösen Behandlung von Patienten entstehen.
Die Patienten sollten ACE-Hemmer, Sartane oder Thiazolidindione weiterhin zur Behandlung ihrer Grunderkrankungen erhalten.
Denn solche Änderungen könnten ihren Gesundheitszustand gefährden. In Bezug auf die Verwendung von Ibuprofen oder anderen NSAR sollte der Arzt die Risiken und Vorteile bei einzelnen Patienten sorgfältig abwägen. Und zwar um eine bestehende Multimedikation insbesondere bei älteren Menschen zu optimieren.
Unter dem Strich hat eine große aktuelle Computerananlyse 145 Medikamente identifiziert, die das ACE2-Netzwerk beeinflussen und theoretisch die Schwere einer Covid-Erkrankung negativ beeinflussen. Dazu zählen beispielsweise zahlreiche NSAR-Schmerzmittel, weiter Medikamente gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Diese Computergestützten Beobachtungen sind jedoch möglicherweise auch dann nicht klinisch relevant, wenn sie biologisch fundiert sind.
Literatur:
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Haibo Zhang, Josef M. Penninger, Yimin Li, Nanshan Zhong, Arthur S. Slutsky. Angiotensin-converting enzyme 2 (ACE2) as a SARS-CoV-2 receptor: molecular mechanisms and potential therapeutic target. Intensive Care Med. 2020 Mar 3 : 1–5. doi: 10.1007/s00134-020-05985-9 [Epub ahead of print]
Gracia-Ramos AE. Is the ACE2 Overexpression a Risk Factor for COVID-19 Infection? [published online ahead of print, 2020 Apr 4]. Arch Med Res. 2020;S0188-4409(20)30378-7. doi:10.1016/j.arcmed.2020.03.011