Zwei Besonderheiten erschweren eine wirksame Schmerztherapie bei Kindern sehr. Es fehlen Kinder-Studien und das Erkennen der Schmerzen ist oft ein großes Problem.
Lange Zeit wurde eine adäquate Schmerztherapie bei Kindern unterlassen, da man annahm, dass Kinder weniger Schmerzen empfinden. Heute ist das eindeutig widerlegt. Tatsächlich zeigen Untersuchungen zur Reifung der Schmerzbahnen beim Fötus, dass bereits zwischen der 30. und 35. Schwangerschaftswoche die Myelinisierung der afferenten Bahnen des nozizeptiven Systems abgeschlossen ist und die wesentlichen synaptischen Verbindungen geknüpft sind. Bereits bei Früh- und Neugeborenen ist ein nozizeptives Schmerzsystem ausgebildet. Auch die Annahme, dass Kinder Schmerzen schneller vergessen als Erwachsene ist falsch. Eine entsprechende Schmerztherapie bei Kindern muss wie bei Erwachsenen mit dem Ziel der Schmerzbeseitigung erfolgen.
Schmerzerkennung und Schmerzmessung
Je jünger das Kind ist, desto schwieriger sind Schmerzerkennung und Schmerzmessung. Es bedarf einer großen Erfahrung der Betreuungspersonen, Schmerzen aber auch die Wirkung der Schmerztherapie bei Kindern zu erkennen und richtig einzuschätzen.
Besonders Neu- und Frühgeborene können sehr unterschiedlich auf Schmerzen reagieren. Dies reicht von den typisch motorischen Reaktionen wie Anstieg der Herzfrequenz über physiologische wie Abfall der Sauerstoffsättigung und Anstieg des Noradrenalinspiegels bis zu Apnoen und verminderter Aktivität. Bei der Beurteilung helfen Schmerzskalen wie die KUSS oder – später zur Selbsteinschätzung – die Smileys-Skala. Schmerzfragebögen und – tagebücher sind bei chronischen Schmerzen angezeigt.
Die Schmerztherapie bei Kindern
Unter der Strich empfinden viele Kinder Blutabnahmen als besonders schmerzhaft. Dementsprechend sollte man bei solchen und anderen kleinen invasiven Maßnahmen ein Lokalanästhetikum wie das EMLA-Pflaster oder EMLA-Gel einsetzen. Wobei man bei einer medikamentösen Schmerztherapie bei Kindern folgende grundlegende Regeln beachten sollte:
- Schmerzen so früh sowie auch so wirksam wie möglich stoppen.
- Diagnostische Verfahren, Klärung der Schmerzursache und kausale Therapie folgen
- Schmerzen, die sich aus Erkrankungen langsam entwickeln, so früh wie möglich unterbinden
- Orale und rektale Medikation ist zu bevorzugen
- Wenn möglich, keine Verordnung von Analgetika nach Bedarf, sondern nach einem festen Medikationszeitplan
- Vorhersehbare Schmerzen (postoperativ) so optimal wie möglich ausschalten: antizipatorisches Prinzip
- Rechtzeitig starke Opioide, Dosis durch Titration des Schmerzes einstellen
- Nebenwirkungen der Schmerztherapie prophylaktisch therapieren
- Regelmäßige Dokumentationen
Ibuprofen und Paracetamol und sind Substanzen, die sich auch generell für die Behandlung von kindlichem Schmerz eignen. Erst an dritter Stelle wird in der Schmerztherapie bei Kindern die bei Erwachsenen bewährte Acetylsalicylsäure eingesetzt. Das liegt daran, dass bei Kindern unter zwölf Jahren in Kombination mit Infekten die schwere Nebenwirkung des Reye Syndroms – eine Erkrankung, in deren Verlauf es zu Schädigungen der Organe kommt – auftreten kann.
Begleitmaßnahmen zur Schmerztherapie bei Kindern
Einerseits sind die optimale medikamentöse Schmerztherapie bei Kindern sowie flankierende Maßnahmen wie verbesserte Lagerung, Kühlung oder Ruhigstellung von großer Bedeutung. Andererseits sind auch die Betreuungspersonen und insbesondere der behandelnden Arzt wesentliche Faktoren, die das Schmerzempfinden des Kindes beeinflussen können.
Angst spielt dabei als schmerzverstärkender Parameter eine besondere Rolle. Experten meinen, dass ein Kind Schmerzen viel besser ertragen kann, wenn es viele Informationen hat. Wenn es weiß, was es erwartet, warum die Behandlung notwendig ist. Und wenn es mit entscheiden kann. Beispielsweise welcher Arzt die Therapie machen soll.
Zuwendung und Hinwendung zum Kind sind fast ebenso maßgebend wie das geeignete Therapieregime. Darüber hinaus hilft eine altersgerechte Informationsvermittlung im Vorfeld durch Rollenspiele, Zeichnungen, Handpuppen etc., Angst und Schmerzerleben zu reduzieren. Konkrete Bewältigungstechniken wie spielerische Atemübungen, Rechnen, langsames Zählen, Vorlesen usw. werden mit den Eltern eingeübt.
Kopfschmerzen
Übrigens führen Gefühls- und Verhaltensstörungen sowie problematische Familienverhältnisse bei Kindern und Jugendlichen häufiger zu Migräne und spannungsartigem Kopfschmerz. Durch psychosoziales Screening könnte man hierzu die Kopfschmerzbehandlung deutlich Verbessern.
Eingriffe und Känguruhing
Während schmerzhafter Eingriffen ohne Allgemeinnarkose oder lokaler Sedierung hat das Kind das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Dies wirkt erheblich zur Angst-Schmerzspirale bei. Durch einfache Wahlmöglichkeiten wie Einstichstellen und Körperpositionen erlangt das Kind das Gefühl, die Situation im Griff zu haben. Im Vorfeld trainierte elaborierte Copingstrategien können bei Knochenmarkpunktionen sogar einer Narkose überlegen sein.
Bei Blutabnahmen im Frühgeborenen- und Säuglingsalter hat sich jedenfalls das Känguruhing bewährt. Dabei sollen nach dem Eingriff Belobigungen und feste Abschlussriten den Kleinen helfen. Dazu gibt es kleine Geschenke aus der „Nadelkiste“. Besonders gut geschulte Mitarbeiter sollten die Kinder betreuen.
Chronische postoperative Schmerzen bei Kindern
Zahlreiche Studien in den letzten Jahren deuten darauf hin, dass die Schmerzen bei vielen Kindern nach einer größeren Operation länger anhalten. Dementsprechend wirkt sich das erheblich beziehungsweise langfristig auf die Gesundheit der Kinder aus.
Unlängst haben übrigens Forscher mittels einer Metaanalyse sowohl biomedizinische als auch psychosoziale Risikofaktoren untersucht. Damit wollten sie die Wahrscheinlichkeit sowie den Schweregrad von chronischen postoperativen Schmerzen vorhersagen können.
Drei Studien untersuchten beispielsweise biologische Faktoren wie Alter und Geschlecht. Hier zeigten sich aber keine signifikanten Zusammenhänge. Auch medizinische Faktoren wie Body-Mass-Index zeigten keine Aussagekraft. Im Zusammenhang mit psychosozialen Faktoren zeigte sich, dass größere Angstzustände bei Kindern vor der Operation dazu führten, dass die Schmerzen langsamer abnahmen.
Schließlich galt das auch, wenn die Kinder zuvor aufgrund früherer Erfahrungen schon das Gefühl hatten, dass bei ihnen Schmerzmittel schlechter wirken. Jedoch waren auch diese Faktoren sowie eine katastrophale Schmerztherapie bei Kindern nicht mit chronischen postoperativen Schmerzen verbunden.
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Quellen:
Schmerztherapie bei Kindern. Mag. Monika Heinrich. MEDMIX 4-5/2004.
Univ.-Prof. Dr. Eckhard Beubler, Kompendium der medikamentösen Schmerztherapie. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer, ISBN 3-211-00806-3.