Experten und Betroffene diskutierten, was die Gesellschaft dazu beitragen sollte, um eine erfolgreiches Leben mit Multiple Sklerose zu unterstützen.
Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Leben mit Multiple Sklerose „Living MS – soziale Aspekte der Behinderungsprogression“ unterstrich die Neurologin Professorin Siegrid Fuchs, dass „die Persönlichkeit im Vordergrund stehen soll und nicht die Erkrankung“. Es sei die Aufgabe der Gesellschaft, Betroffene bestmöglich darin zu unterstützen, ein unabhängiges Leben mit Multiple Sklerose führen sowie am Arbeits- und am Sozialleben teilnehmen zu können. Fuchs betonte: „Wir wissen, dass die Lebensqualität von MS-Betroffenen umso besser ist, je erfolgreicher die Behandlung und je höher die Zufriedenheit der Menschen mit ihrer Behandlung ist. Die Unterstützung muss aber über die bestmögliche medizinische Versorgung hinausgehen. Denn soziale Ausgrenzung macht zusätzlich krank und unglücklich. Die Gesellschaft ist dazu aufgefordert, initiativ zu werden.“
Arndt Praxmarer – Referent für Soziales des Dritten Präsidenten des Nationalrates – betonte, dass „viele Menschen mit Multiple Sklerose (MS) etwas aus ihrem Leben machen“. Doch manche würden gerade wegen der MS-Erkrankung scheitern, so Praxmarer. Er selbst meistert seit 20 Jahren ein Leben mit Multipler Sklerose und betreut als Wirtschaftscoach auch einige MS-Patienten: „Es sind großartige, erfolgreiche Persönlichkeiten, die in großem Kontrast zum Bild stehen, das die Öffentlichkeit von Menschen mit MS hat. Mein Appell: Patienten mit Multipler Sklerose sollten sich mehr zutrauen, und vielleicht noch wichtiger: Die Gesellschaft sollte ihnen mehr zutrauen.“
Das wünscht sich auch Barbara Blaschke, eine junge MS-Betroffene, bei der die Diagnose bereits 1997 gestellt worden war, und die vor kurzem Mutter wurde: „Es würde MS-Betroffenen sehr helfen, von der Gesellschaft anders wahrgenommen zu werden. Noch müssen wir uns sowohl im Berufs- als auch im Privatleben die Frage stellen, wem und vor allem auch wann wir von unserer Erkrankung erzählen. Die Krankheit beherrscht meinen Alltag nicht, und ich grüble auch nicht über die Zukunft. Ich möchte von meinem Umfeld als der Energie geladene, lebensfrohe Mensch gesehen werden, der ich bin.“
Leben mit Multiple Sklerose durch effektive Therapien in den letzten Jahrzehnten wesentlich verbessert
Der Neurologe und MS-Experte Professor Eduard Auff von der MeduniWien verwies auf den Wandel der Multiplen Sklerose in den letzten Jahrzehnten: „Vor 40 Jahren war die MS anders als heute. Wir verfügen jetzt über ein breites Spektrum an sehr effektiven Behandlungsmöglichkeiten, die den Erkrankungsverlauf wesentlich verbessert haben.“
Sein Innsbrucker Fachkollege Professor Thomas Berger fügte hinzu: „Die Mehrheit der heute von MS-Betroffenen ist selbst nach 10-jähriger Erkrankung nicht oder kaum eingeschränkt.“ Ein Leben mit Multipler Sklerose bedeute nicht im Abseits zu stehen, sondern die Ausgrenzung würde leider durch die Gesellschaft geschehen.
Leben mit Multiple Sklerose hat gravierende ökonomische Folgen
Auf die teils gravierenden ökonomischen Folgen eines Leben mit Multiple Sklerose verwies der Gesundheitsökonom Professor Bernhard Rupp: „Die Stigmata und sozialen Belastungen durch Multiple Sklerose führen speziell bei jüngeren Betroffenen dazu, dass sie ihr Potenzial nicht ganz ausschöpfen (können), was sich nachteilig auf ihre Ausbildungs-, Lebens- und Karriereplanung und damit auf die Lebensverdienstsumme und die Pensionsansprüche auswirken kann.“
Prof. Rupp sieht dringenden Handlungsbedarf der Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik: „Es ist höchst an der Zeit, dass die Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einem Topf erfolgt. Solange die Früchte der Leistungen aus der Krankenversicherung von der Pensionsversicherung geerntet werden, werden die Ressourcen nicht bestmöglich genutzt. Den Schaden haben nicht nur die Patienten, sondern auch die Gesellschaft.“
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