Donnerstag, März 28, 2024

Kritische Selbstwahrnehmung

Forscher am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik untersuchen mit realistischen 3D-Körpermodellen von Frauen deren kritische Selbstwahrnehmung.

Von jedem von uns gibt es Fotos, von denen wir wünschten sie wären nie entstanden. Wir finden uns darauf vielleicht zu dick oder die Kleidung sitzt nicht – wir bevorzugen jene Bilder, die uns vorteilhaft erscheinen lassen. Nur unter bestimmten Bedingungen akzeptieren wir uns also so, wie wir sind. Doch welche Kleidungsstücke erscheinen uns besonders schmeichelhaft? Und welche Farben haben einen Einfluss darauf, wie wir unser Körpergewicht wahrnehmen? Ivelina Piryankova, Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe für Körper- und Raumwahrnehmung von Betty Mohler am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik nutzte realistische 3D-Körpermodelle von Frauen zwischen 20 und 40 Jahren, um deren Selbstwahrnehmung im Zusammenhang mit deren Körper und Körpergewicht zu untersuchen.

 

Kritische Selbstwahrnehmung führt oft zu unrealistischen Vorstellungen des eigenen Körpers

Um die kritische Selbstwahrnehmung zu untersuchen – wie Menschen ihren Körper wahrnehmen –, verwenden Forscher meist Zerrbilder von Fotografien oder Zeichentrick ähnliche Abbildungen des Körpers. Nutzt man jedoch Fotos oder Abbildungen, ist es schwierig die Körperwahrnehmung systematisch zu untersuchen. Man erhält keine ausreichenden Informationen darüber, wie sich die Gewichtszunahme beziehungsweise -abnahme auf andere Körperteile wie Arme, Beine oder Gesicht auswirkt. Dennoch deuten viele Forschungsreihen darauf hin, dass auch gesunde Menschen ihren Körper nicht so wahrnehmen, wie er wirklich ist.

Kritische Selbstwahrnehmung und Form eines Avatars

Die Informatikerin Piryankova untersuchte nun, ob die Form eines Avatars und sein Farbmuster einen Einfluss auf die Gewichtswahrnehmung haben. Welche Rolle spielen diese Aspekte bei der Selbstwahrnehmung? Hierzu wurden die Körper der Frauen zunächst gescannt und ihr BMI leicht verändert. Die Avatare hatten im Versuch dann entweder dieselben Körperproportionen wie die Probandinnen oder aber Durchschnittsmaße.

Die Wissenschaftler konnten so messen, wie akkurat Menschen ihr aktuelles Körpergewicht in Abhängigkeit von Figur und Muster einschätzen. Es stellte sich heraus, dass die Probanden das eigene Körpergewicht richtig einschätzen konnten. Auffällig war dabei aber, dass Frauen offenbar bereitwillig einen schlankeren Körper als ihren eigenen akzeptieren, nicht jedoch einen dickeren. Wurde die farbbasierte Information geändert und ein Schachbrettmuster auf den Körper der Avatare gelegt, also das Kleidungsmuster geändert, tendierten die Teilnehmerinnen generell zu den schlankeren Versionen.

Diese Forschungsergebnisse könnten dazu genutzt werden, um neue Methoden zur Messung der Selbstwahrnehmung für Personen zu entwickeln, die in dieser Hinsicht sehr empfindlich reagieren. Auf diese Weise können sogar alternative Erfahrungen ermöglicht werden für Menschen mit Körperwahrnehmungs- und Körperbildstörungen, zum Beispiel Patienten mit Essstörungen oder jenen, die nach einem Schlaganfall einzelne Gliedmaßen nicht als ihre eigenen erkennen.

Der Avatar

Damit der Avatar wirklichkeitsgetreu aussieht und sich in seiner Computer-Welt realistisch bewegt, brauchen seine Schöpfer möglichst detaillierte Informationen über den Körper des realen Vorbilds – auch in Bewegung. Genau diese Daten liefert der erste vierdimensionale Ganzkörper-Scanner. Entwickelt hat den 4D-Scanner Michael J. Black, Direktor am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, gemeinsam mit dem amerikanischen Unternehmen 3dMD. Um die Körperform und deren Haut realistisch abbilden zu können, wird eine Person mit einem schnell pulsierenden Fleckenmuster beleuchtet und zusätzlich mit roten und blauen Quadraten bedruckt. Beide Muster helfen den Forschern, die dreidimensionale Oberfläche des Körpers und die Haut wahrheitsgetreu zu rekonstruieren. Mit 60 Aufnahmen pro Sekunde zeichnen 22 Stereo- und 22 Farbkameras den Körper in verschiedenen Haltungen und Aktivitäten auf. Für die oben beschrieben Forschung wurde jedoch nur der Körper gescannt. Zukünftig soll jedoch auch die vierte Dimension – die Avatare in Bewegung – mit genutzt werden.


Originalpublikation:
Piryankova IV, Stefanucci JK, Romero J, de la Rosa S, Black MJ and Mohler BJ (September-2014) Can I recognize my body’s weight? The influence of shape and texture on the perception of self ACM Transactions on Applied Perception 11(3:13) 1-18.
Piryankova IV, Wong HY , Linkenauger SA, Stinson C, Longo MR , Bülthoff HH and Mohler BJ (August-2014) Owning an Overweight or Underweight Body: Distinguishing the Physical, Experienced and Virtual Body PLoS ONE 9(8) 1-13

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