Dienstag, Oktober 1, 2024

Gesunde Wirkungen und Defizite vegetarischer und veganer Ernährung

Vegetarische und vegane Ernährung sind keineswegs einheitlich, deswegen sind Aussagen zu gesunden Wirkungen allgemein im schwer zu treffen.

Die Diät eines Menschen wird vom ihm individuell gewählt, und zwar stark in Abhängigkeit von kulturellen, aber nicht zuletzt auch von geschmacklichen Aspekten. Dies kann auch die Entscheidung für eine vegetarische oder vegane Ernährung sein, was in den westlichen Ländern in etwa zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung – zumindest phasenweise – tun. Fast ein Drittel davon entscheidet sich sogar für eine vegane Ernährung.

 

Vegane Ernährung beinhaltet keine einheitlichen Diäten

Da dies keineswegs einheitliche Diäten sind, sind Aussagen zu positiven Gesundheitsauswirkungen im Allgemeinen im Sinne eines „Functional Food“ nur schwer zu treffen, auch wenn solche positiven Effekte von vielen Betroffenen für ihre Entscheidung als Begründung mit angeführt werden. Dem Arzt kommt also hier in erster Linie eine beratende Funktion zu, indem er – an der individuellen Nahrungsaufnahme orientiert – Defiziten vorzubeugen hat, eine Aufgabe, die natürlich prinzipiell auch für nicht vegetarische Diätformen gilt.


Mit veganer Ernährung geringeres Herz- und Krebsrisiko

Menschen mit veganer Ernährung sind vor allem junge, gebildete Städterinnen. © Svetlana Fedoseyeva / shutterstock.com
Menschen mit veganer Ernährung sind vor allem junge, gebildete Städterinnen. © Svetlana Fedoseyeva / shutterstock.com

Vegane Ernährung senkt das Herz- und Krebsrisiko: eine rezente Studie bestätigte die vermuteten positiven Effekte vegetarischer und veganer Ernährung. Mehr dazu siehe https://medmix.at/mit-veganer-ernaehrung-geringeres-krebsrisiko/


Vegetarische und vegane Ernährung sowie potenzielle Defizitrisiken

Allgemeingültige Aussagen zu potenziellen Defizitrisiken einzelner Nahrungsinhaltsstoffe bei vegetarischer und veganer Kost sind im Folgenden nach ihrer Bedeutung aufgeführt. Am wichtigsten ist die ausreichende Versorgung mit Vitamin B12, das normalerweise mit Fleisch oder Milchprodukten aufgenommen wird.

Zwar können auch auf der Oberfläche pflanzlicher Nahrungsmittel vorhandene Bakterien Vitamin B12 bilden. Aber dies gelangt in unserer klassischen Nahrungszubereitung meist nicht in ausreichender Menge zum Konsumenten. Die Supplementierung durch spezialisierte nicht tierische Lebensmittel wie Algen ist möglich und wird inzwischen auch vielfach praktiziert. Defizite finden sich auch erst nach mehreren Jahren, da die Leberspeicher für Vitamin B12 einen sehr langen Vorrat bieten.

Nicht nur deshalb wirkt sich eine verminderte Aufnahme in vielen Studien nicht in abgesenkten Spiegeln im Körper aus. Insbesondere weil auch viele Vegetarier und Veganer Vitamin B12 ja supplementieren, sodass sich die Speicher (noch) nicht entleert haben. Dazu kommt hier noch die Schwierigkeit, dass Serumspiegel das Stoffwechseldefizit durch erniedrigtes Vitamin B12 nicht ausreichend reflektieren. Und dass die Forschung sensitivere Stoffwechseluntersuchungen nicht regelhaft in der Routine – ja sogar nicht einmal in Studien – anstellt. Die Auswirkungen eines Mangels sind schwere irreversible neurologische Defizite, die auch bei den gestillten Kindern sich vegan ernährender Mütter auftreten können.

 

Eisen und Calcium, Zink und Selen

Weiter bringen die vegetarische und vegane Ernährung ein potenzielles Risiko im Zusammenhang mit den Eisenvorrat des Menschen. Eisen ist zwar auch in pflanzlichen Nahrungsmitteln vorhanden, kann aber von dort nur schwer aufgenommen werden. Insbesondere da pflanzliche Nahrungsmittel Aufnahmehemmer wie Polyphenole und Phytinsäure enthalten. Diese hemmenden Substanzen können auch andere Spurenelemente in ihrer Resorption beeinflussen wie zum Beispiel Zink.

Darüber hinaus ist auch die Aufnahme von Calcium kritisch, das in hoher Konzentration und Bioverfügbarkeit in Milchprodukten vorkommt, sodass hier vor allem Veganer, nicht aber Vegetarier mit Milchkonsum, davon betroffen sind. Ein mögliches Defizit lässt sich übrigens mit Serum-Calcium-Bestimmungen kaum erfassen, da der Spiegel durch Parathormon-Ausschüttung und Mobilisierung aus dem Knochen konstant geregelt wird. Insofern ist vegane Ernährung bezüglich der Langzeitauswirkung extrem schwierig abzuschätzen.

Auch Proteine gelten bei veganer Ernährung als potenziell kritische Nährstoffe. Insbesondere im Kleinkindesalter ist die Versorgung mit essenziellen Aminosäuren wegen der Wachstumsprozesse relevant. Pflanzliche Nahrungsmittel besitzen aber nicht immer alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge, sodass hier eine ausgewogene Mischung pflanzlicher Nahrungsmittel in kalorisch ausreichender Menge dargereicht werden muss, um Defizite zu vermeiden. Schließlich trifft eine kritisch niedrige Aufnahme bei Vegetariern und Veganern insbesondere auch auf Zink und Selen zu. Zink ist bei Untersuchungen zu den Auswirkungen einer veganen Ernährung sogar das Spurenelement, für das am häufigsten ein Defizit gefunden wird.

 

Allgemeine Ernährungsdefizite

Aber auch bei nicht vegetarischer Ernährungsweise können sich Defizite ergeben. Am häufigsten ist ein Mangelzustand für Folsäure in der westlichen Bevölkerung. Und zwar sowohl in der Menge der Einnahme dieses Mikronährstoffes in der Diät. Als auch in der Folge bei der Messung des Serumspiegels. Vor allem für Schwangere ist dies ein inzwischen klar erkanntes und auch therapeutisch bereits angegangenes Gesundheitsproblem. Regional unterschiedlich, aber in jedem Fall beachtenswert ist die kritisch niedrige Aufnahme von Jod bei vielen Westeuropäern, und zwar auch wieder unabhängig von vegetarischer oder nicht vegetarischer Lebensweise, was die Bedeutung der Jodierung von Lebensmitteln, zum Beispiel Kochsalz, für den Verzehr noch einmal unterstreicht.


5 einfache Tipps, um weniger Salz zu essen oder zu verwenden

Kochsalz © Itor / shutterstock.com
Kochsalz © Itor / shutterstock.com

Weniger Salz essen gilt als gesünder für das Herz. Denn der geringere Salzkonsum kann das Risiko für Herzerkrankungen sowie die Sterberate vermindern. Mehr dazu unter https://medmix.at/5-tipps-wie-man-weniger-salz-verwenden-kann/


Literatur:

Janssen M, Busch C, Rödiger M, Hamm U. Motives of consumers following a vegan diet and their attitudes towards animal agriculture. Appetite 2016;105:643-651.

Elorinne AL, Alfthan G, Erlund I, Kivimäki H, Paju A, Salminen I, Turpeinen U, Voutilainen S, Laakso J. Food and Nutrient Intake and Nutritional Status of Finnish Vegans and Non-Vegetarians. PLoS One. 2016;11(2):e0148235.

Kristensen NB, Madsen ML, Hansen TH, Allin KH, Hoppe C, Fagt S, Lausten MS, Gøbel RJ, Vestergaard H, Hansen T, Pedersen O. Intake of macro- and micronutrients in Danish vegans. Nutr J. 2015;14:115.

Schüpbach R, Wegmüller R, Berguerand C, Bui M, Herter-Aeberli I. Micronutrient status and intake in omnivores, vegetarians and vegans in Switzerland. Eur J Nutr. 2015 Oct 26. [Epub ahead of print]


Quelle:

Statement Vegetarische oder vegane Ernährung: Gibt es eine medizinische Ratio/Evidenz? von Professor Dr. med. Jörg-Dieter Schulzke, Leiter des Instituts für Klinische Physiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin anlässlich des Kongresses Viszeralmedizin 2016 – der gemeinsamen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), deren Sektion gastroenterologische Endoskopie und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV).

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