Donnerstag, März 28, 2024

Steigende Tuberkulose-Fallzahlen als Bedrohung einer globalisierten Welt

Der Anstieg der Tuberkulose-Fallzahlen durch Flüchtlingsbewegungen stellt eine Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen dar.

Die Tuberkulose gehört weltweit weiterhin zu den häufigsten Todesursachen durch eine Infektionskrankheit bei Erwachsenen. Wobei aktuelle Fallzahlen zeigen, dass jedes Jahr mehr als 10 Millionen Menschen neu an Tuberkulose erkranken. Fortschritte in der Diagnose, einschließlich des Einsatzes molekularer Schnelltests und der Sequenzierung des gesamten Genoms sowohl in Sputum- als auch in Nicht-Sputum-Proben, könnten diese Situation ändern.

Obwohl sich bei der Behandlung der medikamentösen Tuberkulose wenig geändert hat, hat die WHO im Jahr 2018 aufgrund von Daten zur erhöhten Wirksamkeit mit neuen und umfunktionierten Arzneimitteln erstmals eine vollständig orale Therapie bei arzneimittelresistenter Tuberkulose empfohlen. Studien haben gezeigt, dass kürzere latente Tuberkulose-Präventionsschemata, die Rifampicin oder Rifapentin enthalten, genauso wirksam sind wie längere Schemata auf Isoniazid-Basis. Zudem gibt es einen vielversprechenden Impfstoff-Kandidaten, um das Fortschreiten der Infektion zur Krankheit zu verhindern.

Aber neue Werkzeuge allein reichen nicht aus. Bei der Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen und menschenzentrierten Versorgung von Tuberkulose müssen weitere Fortschritte erzielt werden. Ein erneuerter politischer Wille in Verbindung mit einem verbesserten Zugang zu hochwertiger Versorgung könnte die Morbidität, Mortalität und Stigmatisierung, die lange mit Tuberkulose verbunden waren, sowie hohe Fallzahlen der Vergangenheit angehören.

 

Multiresistenz gegen Tuberkulosemedikamente

Etwa eine halbe Millionen Patienten erkrankten an Tuberkulose-Erregern, die gegen die zwei wichtigsten Tuberkulosemedikamente resistent geworden sind und zu einer sogenannten Multiresistenz (MDR) führen. Diese ist schwierig zu behandeln und führt oft nicht zum erwünschten Therapieerfolg. Über 95 Prozent aller an Tuberkulose Erkrankten kommen aus ärmeren Ländern.

Auch wenn die Erkrankungszahlen jährlich um etwa 2 Prozent fallen, verstarben im Jahr 2017 noch 1,6 Millionen Menschen an Tuberkulose. Diese globale Notsituation führte dazu, dass sich am 23. September 2018 Staats- und Regierungsoberhäupter zu einem UN High-Level-Meeting trafen, um die internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der Erkrankung zu intensivieren.

Auch in Deutschland war Tuberkulose bis in die Nachkriegszeit noch eine häufige Todesursache. Seit vielen Jahren ist Deutschland jedoch ein Niedriginzidenzland. Zwischen 2013 und 2016 waren die Fallzahlen vorübergehend ansteigend. Seit 2017 haben wir wieder einen Rückgang der Fallzahlen auf 5486 Tuberkulose-Erkrankungen registriert. Fast Dreiviertel (73 Prozent) der Neuerkrankungen traten bei Personen auf, die nicht in Deutschland geboren sind.

Die höchsten Erkrankungszahlen zeigten sich bei Menschen aus Somalia und Eritrea. Somit kann ein Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre angenommen werden. Der Anteil an Patienten mit einer Multiresistenz betrug in Deutschland 3 Prozent aller gemeldeten Fälle, also 109 Fälle im Jahr 2017. Dieser Anteil ist weitgehend gleichbleibend.

Die Herkunftsländer der meisten nach Deutschland geflüchteten zählen nicht zu den Ländern, in denen die Multiresistenz als sehr häufig gilt. Daher wird ein bedeutender Anstieg der multiresistenten Fälle in Deutschland nicht erwartet.

 

Anstieg bei Tuberkulose-Fallzahlen

Im weltweiten Vergleich ist die Tuberkulose in Deutschland weiterhin eine sehr seltene Erkrankung. Der Anstieg der Tuberkulose-Fallzahlen durch die Flüchtlingsbewegungen stellte dennoch eine große Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen dar. Vor allem umAusbrüche in Gemeinschaftsunterkünften zu vermeiden, führen die Gesundheitsämter verpflichtende Screeninguntersuchungen bei Flüchtlingen und Asylsuchenden durch. In den Unterkünften sind die Wohnverhältnisse sehr beengt, was die Übertragung der Tuberkulose vereinfacht.

Auch aus Beispielen anderer Länder ist bekannt, dass eine Übertragung der Erkrankung auf die Allgemeinbevölkerung nur in seltenen Fällen vorkommt. Datenerhebungen aus den Niederlanden haben allerdings gezeigt, dass höhere Tuberkulose-Fallzahlen auch Jahre nach der Migration auftreten können. Deswegen ist die Entwicklung der Fallzahlen daher schwer vorhersehbar. Über Tuberkulose-Erkrankungen bei dem auf 1000 Personen monatlich begrenzten Familiennachzug sind keine Daten bekannt.

 

Tuberkulose-Risikogruppen eruieren

Mit dem 1. Januar 2019 sind Änderungen in § 36 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Kraft getreten, die die Landesregierungen ermächtigt, medizinische Untersuchungen auf alle ab diesem Zeitpunkt zugewanderten Menschen auszuweiten. Unserer Ansicht nach bieten umfassende Aufklärung über Tuberkuloserisiken und der zeitnahe, niederschwellige Zugang zum Gesundheitssystem nach Einreise effiziente Möglichkeiten, mit indikationsgerechten Untersuchungen eine Tuberkulose und, darüber hinaus, andere Erkrankungen festzustellen.

Die Weltgesundheitsorganisation hat mit der End-TB-Strategie das ehrgeizige Ziel ausgerufen, bis 2035 die Tuberkuloseepidemie zu beenden. Eine Impfung mit guter Schutzwirkung für alle Zielgruppen steht derzeit nicht zur Verfügung. Daher liegt der Schwerpunkt der internationalen Bemühungen darauf, in Hochprävalenzgebieten möglichst viele Fälle zu finden und erfolgreich zu behandeln. In Niedrigprävalenzländern wie Deutschland muss in den Risikogruppen nach Tuberkulosefällen gesucht werden. Auch die präventive Behandlung von Menschen mit besonders hohem Risiko kann für die Eliminierung der Erkrankung an Bedeutung gewinnen.


Literatur:

Furin J, Cox H, Pai M. Tuberculosis. Lancet. 2019 Apr 20;393(10181):1642-1656. doi: 10.1016/S0140-6736(19)30308-3. Epub 2019 Mar 20. PMID: 30904262.


Quelle:

Statement » Tourismus, Migration und Resistenzen: Wird die Tuberkulose zur Bedrohung in der globalisierten Welt? «. Professor Dr. med. Torsten Bauer, Generalsekretär des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK). Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin. 60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)

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