Mittwoch, Oktober 2, 2024

» Flüchtlinge Krankheiten «: Was Ärzte wissen müssen

Fokus » Flüchtlinge Krankheiten « – Migrationsmedizin am Internistenkongress: Wenn Flüchtlinge Krankheiten zu versorgen haben, sind diese meistens gut behandelbar.

 

Wenn Flüchtlinge Krankheiten bei der Ankunft haben, sind es in den Wintermonaten verstärkt Grippe und Erkältungskrankheiten. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. rechnet allerdings auch mit Tropenerkrankungen und kaum bekannte Infektionen oder seltenen Erbkrankheiten wie der Sichelzellkrankheit. Niedergelassene Ärzte und Allgemeinmediziner sind oft die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge.

DGIM-Präsident Professor Dr. Gerd Hasenfuß
DGIM-Präsident
Professor Dr. Gerd Hasenfuß

Trotz der sehr beschwerlichen Reise können viele Flüchtlinge Krankheiten vermeiden und kommen bei relativ guter körperlicher Gesundheit hier an. „Dennoch ist es wichtig, dass die Ärzte hier vor Ort diese Menschen sofort individuell und fachlich bestmöglich versorgen können“, sagt Professor Dr. med. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender der DGIM und Kongresspräsident vom 122. Internistenkongress.

Es zeichne sich bereits jetzt ab, dass den Ärzten hierzulande künftig wieder Krankheiten begegnen, die in Deutschland selten oder gar nicht mehr vorkommen. Zudem würden Mediziner in Klinik und Praxis mit Erkrankungen konfrontiert sein, die sie allenfalls aus dem Lehrbuch kennen, meint Professor Hasenfuß, der Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der Georg-August-Universität Göttingen ist.

Die Meldungen des Robert Koch-Instituts weisen darauf hin, dass einige Infektionserkrankungen wie Tuberkulose, Diphtherie oder Meningitis in Deutschland meist bei Menschen mit Migrationshintergrund auftreten können. Falsch wäre es jedoch, mit solchen Beispielen Ängste in der Bevölkerung zu schüren oder sich allein auf Infektionskrankheiten zu konzentrieren, so Hasenfuß: „Die meisten dieser Krankheiten sind gut behandelbar. Wichtig ist, dass der behandelnde Arzt sie rechtzeitig erkennt.“

Professor Dr. Thomas Löscher
Professor Dr. Thomas Löscher

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Infektionskrankheiten bei Flüchtlingen: Was Ärzte wissen müssen

 

Statement von Professor Dr. med. Thomas Löscher, Emeritus, ehem. Abteilungsdirektor der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München

Die hohe Zahl an Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland stellt für das Gesundheitswesen eine besondere Herausforderung dar. Einerseits sind Flucht und Migration mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden, andererseits kommen einige Flüchtlinge aus Regionen, in denen Krankheiten verbreitet sind, die in Deutschland nicht oder nur selten vorkommen.

Auch wenn derzeit noch keine repräsentativen Daten zu den Gesundheitsproblemen nach Ankunft in Deutschland vorliegen, so zeigen stichprobenartige Untersuchungen einiger Einrichtungen, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende medizinisch betreut und behandelt werden, dass die Gesundheitsprobleme ganz überwiegend dem ubiquitären allgemein-medizinischen Erkrankungsspektrum entsprechen. Je nach Herkunftsland, Flucht- und Migrationsweg sind allerdings auch infektions- und tropenmedizinisch relevante Erkrankungen wie Tuberkulose, Malaria, Skabies oder Bilharziose zu bedenken. In einigen Fällen wurden zudem sehr exotische Krankheiten diagnostiziert, die den Ärzten in Deutschland nicht geläufig sind – wie beispielsweise das L.userückfallfieber.

Seit Oktober 2015 veröffentlicht das Robert Koch-Institut (RKI) Daten zu den von den Gesundheitsbehörden übermittelten Fällen von meldepflichtigen Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden. Hierbei stehen neben der Tuberkulose vor allem impfpräventable Krankheiten wie zum Beispiel Windpockensowie Magen-Darm-Infektionen im Vordergrund. Einschränkend ist anzumerken, dass eine Zuordnung meldepflichtiger Erkrankungen zum Aufenthaltsstatus bislang nur eingeschränkt möglich ist. Zudem erfolgt nur für die Tuberkulose ein bundeseinheitliches Screening bei der vorgeschriebenen Eingangsuntersuchung vor beziehungsweise bei Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft.

Von einer erhöhten Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende ist derzeit nicht auszugehen. So ist eine Übertragung bei den meisten Tropenkrankheiten unwahrscheinlich, da geeignete Übertragungsbedingungen in Deutschland fehlen. Bei den meisten direkt von Mensch zu Mensch übertragbaren Infektionskrankheiten kann eine Übertragung durch frühzeitige Erfassung und Behandlung (zum Beispiel Tb-Screening) oder durch Impfungen (zum Beispiel Windpocken, Masern, Mumps, Keuchhusten, Polio) verhindert werden (siehe Impfempfehlungen für Asylsuchende: www.rki.de).

Einige bei Flüchtlingen und Asylsuchenden auftretenden Infektionskrankheiten (wie Tuberkulose, Malaria, Typhus oder L.userückfallfieber) erfordern eine rasche Abklärung und Behandlung, um schwere Verläufe zu vermeiden sowie eine weitere Verbreitung zu verhindern. Hierzu hat das RKI Empfehlungen veröffentlicht („Akut behandlungsbedürftige, für Deutschland ungewöhnliche  Infektionskrankheiten, die bei Asylsuchenden auftreten können“: www.rki.de). Eine wichtige Aufgabe der Ärzteschaft in Deutschland ist es, bei erkrankten Asylsuchenden mit Verdacht auf eine Infektionskrankheit (unter Berücksichtigung der entsprechenden Umstände wie Symptome und Befunde, Inkubationszeit, Herkunftsland beziehungsweise Fluchtroute und Fluchtumstände) eine rasche diagnostische Klärung einzuleiten beziehungsweise umgehend eine Weiterbehandlung durch einen infektions- und tropenmedizinisch spezialisierten Arzt oder eine Einrichtung zu veranlassen.

Professor Dr. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch
Professor Dr. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch

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Herausforderung Migrationsmedizin

Statement von Professor Dr. med. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM, Kiel

Internisten, Allgemeinmediziner und Niedergelassene sind die ersten Anlaufstellen für kranke Migranten / Flüchtlinge. Um ein Bild darüber zu bekommen, in wieweit die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI) in die Betreuung und Versorgung von Migranten / Flüchtlingen involviert sind, mit welchen Erkrankungen und Problemen sie es zu tun haben, haben diese beiden Verbände mit Unterstützung des Sozialwissenschaftlichen Umfragezentrums GmbH in Duisburg eine große Umfrage unter ihren Mitgliedern im Zeitraum vom 28. Januar bis 3. März 2016 durchgeführt.

Insgesamt haben sich 3626 Kolleginnen und Kollegen an der Umfrage beteiligt. Dabei waren nahezu 45 Prozent der Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus und 27 Prozent in einer Praxis tätig. Die Mehrzahl der Ärzte (64 Prozent) hatte zwischen ein und 20 Migranten / Flüchtlingen untersucht und behandelt. Entsprechend den Angaben der betreuenden Ärzte wurden bei 75 Prozent der Migranten Infektionskrankheiten jedweder Art festgestellt, aber auch über 40 Prozent psychische Traumatisierungen. Dabei waren unter den Infektionskrankheiten bakterielle und virale Ursachen etwa in gleichem Maße verantwortlich.

Wurden die Ärztinnen und Ärzte nach den einzelnen Erkrankungen gefragt, die sie bei den Migranten / Flüchtlingen behandelt hatten, so wird die gesamte Bandbreite der Inneren Medizin sichtbar. Jedoch waren der Diabetes mellitus und der arterielle Hypertonus die dominierenden Erkrankungen.

Die Finanzierung der Behandlung erfolgte vorwiegend über die öffentliche Hand (Bezirksregierung, Landkreis, Landesbehörde, Gesundheitsämter). Eine kostenfreie bzw. ehrenamtliche Behandlung erfolgte in acht Prozent der Fälle.

Wesentliche Probleme bei der Behandlung der Migranten / Flüchtlinge wurden in den kulturellen Unterschieden gesehen (Akzeptanz von Ärztinnen!), in der Bürokratie und der unklaren Weiterbehandlung.

Alles in allem sind wir überrascht, wie viele unserer Kolleginnen und Kollegen bereits mit dieser Patientengruppe beschäftigt sind und dass im Wesentlichen die bekannten internistischen Erkrankungen und Probleme vorherrschen.

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