Donnerstag, März 28, 2024

Oxybutynin–Pflaster zeigt in der Therapie gegen Inkontinenz Wirkung

Bei der Therapie mit dem Oxybutynin-Pflaster gegen Inkontinenz kommt hauptsächlich die Blasenmuskulatur entspannende Muttersubstanz zur Wirkung.

Das Anticholinergikum Oxybutynin bringt eine gute Wirkung in der Therapie von Patienten mit überaktiver Blase, Inkontinenz, oder Symptomen einer Detrusorüberaktivität, einschließlich Harnfrequenz und Harndrang. Beispielsweise konnten Tierversuche zeigen, dass der Wirkstoff die vier- bis zehnfache krampflösende Wirkung von Atropin hat. Problemtisch sind bei der oralen Gabe allerdings die häufig auftretenden anticholinergen ­Nebenwirkungen, wenngleich eine retardierte Darreichung von Oxybutynin hier weniger unerwünschte Wirkungen in der Therapie verursacht. Sehr interessant ist die transdermale Anwendung als Oxybutynin-Pflaster, mit sehr geringen anticholinergen Nebenwirkungen.

 

Oxybutynin-Pflaster anwenden

Das Oxybutynin-Pflaster wird aus dem Schutzbeutel genommen und unmittelbar danach auf trockene, intakte Haut im Bereich von Bauch, Hüfte oder Gesäß durch 10 Sekunden dauerndes Anpressen angeklebt. Nach 3 bis 4 Tagen wird das nächste Pflaster platziert.

Man wendet das Oxybutynin-Pflaster speziell zur symptomatischen Therapie der Drang-Inkontinenz und/oder des häufigen Wasserlassens und des (imperativen) Harndranges an. Zu den häufigsten Nebenwirkungen des Oxybutynin-Pflasters zählen Reaktionen an der Klebestelle, allen voran Juckreiz und Haut­rötungen.

Übrigens sind vor allem ältere Patientinnen und Patienten mit Inkontinenz unter einer antimuskarinischen Behandlung sind besonders anfällig für kognitive Beeinträchtigungen. Hierzu zeigte eine rezente Studie, dass bei älteren Patienten mit dem transdermalen Oxybutynin-Pflaster keine kognitiven Auffälligkeiten auftraten.

Die Wirkung des Oxybutynin-Pflasters verbesserte in einer Studie nach sechs Monaten die Inkontinenz-Symptome sowie in Folge auch die Lebensqualität. Die Patienten mit der transdermalen Oxybutynin-Therapie als Pflaster litten weniger unter Beeinträchtigungen des Alltags. Sie waren in Haushalt und Beruf wieder leistungsfähiger und hatten weniger körperliche Einschränkungen. Eine Besserung zeigte sich auch beim Schlaf und bei der Tagesmüdigkeit.

 

Oxybutynin: Standard in der Behandlung der Inkontinenz

Seit fast vier Jahrzehnten ist Oxybutynin Standard in der Behandlung der über­aktiven Blase (Inkontinenz). Die oralen Darreichungen besserten in Studien bei nicht vorbehandelten Patienten die Symptome zwischen 60% und 80%. Der Wirkstoff verursacht aber leider bei oraler Gabe durch den präsystemisch gebildeten Metaboliten N-Desethyl-Oxybutynin häufig kinetisch bedingte anticholinerge ­Nebenwirkungen.

Das Anticholinergikum ist auch bei Patienten mit Detrusorinstabilität im Zusammenhang mit der neurogenen Blase angezeigt. Gelegentlich wird Oxybutynin ohne Zulassung zur Behandlung von Blasenkrämpfen eingesetzt. Und zwar wenn diese durch verweilende Ureterstents oder Foley-Katheter hervorgerufen werden.

Doch zahlreiche anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, eingeschränktes Sehvermögen, Übelkeit, Verstopfung, Schläfrigkeit und Schwindel limitieren, insbesondere bei schnell freisetzenden Arzneiformen, den Einsatz. Stattdessen wird retardiertes Oxybutynin besser vertragen und kann das Auftreten moderater bis ausgeprägter Mundtrockenheit um die Hälfte senken.

Bei den Nebenwirkungen von Oxybutynin spielen offensichtlich seine präsystemische Metabolisierung eine bedeutsame Rolle. Im Grunde genommen vermeidet man beim der transdermalen Pflaster mit Oxybutynin ­die präsystemische Bildung von N-Desethyl-Oxybutynin. Dadurch kommt hauptsächlich die Muttersubstanz zur ­Wirkung, die die Blasenmuskulatur relaxieren soll.

Das Oxybutynin-Pflaster wird 2x wöchentlich geklebt. Dabei zeigt es ähnlich gute Hautverträglichkeit wie die Hormonpflaster. Und zudem verursacht es die gefürchteten anticholinergen Nebenwirkungen nur auf Placeboniveau.

 

Zwei Formen der ­Blasenschwäche sind am häufigsten

Belastungsinkontinenz: der Füllungsdruck der Blase steigt durch intraabdominelle Druckerhöhung so an, dass er den Widerstand der Blasenschließmuskulatur übertrifft und ein unwillkürlicher Harnabgang resultiert.

Dranginkontinenz: durch eine »überempfindliche« Blasenmuskulatur wird der Füllungsdruck dermaßen erhöht, dass es zu einem ungewollten Harnverlust kommt. Man spricht auch von einer »über­aktiven Blase«, verbunden mit unmittelbarem und häufigem Harndrang, wobei die Erleichterung nach dem Wasserlassen meist fehlt. Eine »Reizblase« gilt als Frühform der Dranginkontinenz.

Die laufende Harnspeicherung in der Blase und ihre situativ gewollte Entleerung setzt ein abgestimmtes Zusammenspiel des unteren Harntraktes, der Niere und des steuernden Nervensystems voraus. Nur wenn während der Zeit der Füllung die Blasenmuskulatur relaxiert, steigt der Innendruck nicht an. Bei der Dranginkontinenz kontrahiert sich die Blasenmuskulatur zum falschen Zeitpunkt und löst so den Harnabgang aus.

 

Wirkweise und Pharmakokinetik

Oxybutynin liegt als racemische Mischung der (R)- und (S)-Form vor und wird als freie Base in die Klebeschicht des Pflas­ters eingearbeitet. Die druckempfindliche Acrylat-Klebematrix enthält noch Glycerol-triacetat als Penetrationsbeschleuniger und haftet nach dem Anpressen gut auf der Haut.

Oxybutynin
Oxybutynin

Über eine Hemmung des Acetylcholin am muskarinischen Rezeptor bewirkt Oxybutynin eine Relaxation der glatten Blasenmuskulatur. Und dadurch verbessert der Wirkstoff die urodynamischen Parameter und die Symptome einer überempfindlichen Blase.

Als mess­bares Ergebnis steigt das Füllungsvolumen bis zur ersten Detrusorkontraktion, der Harndrang geht zurück, und die Frequenz willkürlicher Blasenentleerungen wie auch Inkontinenzepisoden nehmen ab.

Oxybutynin wird durch passive Diffusion über die Hornschicht aufgenommen und in den systemischen Kreislauf transportiert. Schon nach der zweiten Anwendung sind Steady-State-Bedingungen erreicht. In der Leber findet der Abbau zu N-Desethyl-Oxybutynin, dem pharmakologisch ebenfalls aktiven Hauptmetaboliten, statt. Dessen Konzentration im Plasma ist für das Ausmaß der anticholinerg vermittelten Nebenwirkungen verantwortlich.

Bei oraler, schnell freisetzender Gabe von Oxybutynin sind jedenfalls die Plasmaspiegel des Metaboliten 4 bis 10 mal höher als jene der Muttersubstanz. Mit Retardformen treten hingegen nur 3-fach höhere Metabolitenspiegel auf. Bei transdermaler Zufuhr hingegen fehlt schließlich die präsystemische Verstoffwechselung überhaupt, und der Metabolit erreicht nur mehr 1,1 bis maximal 1,5 mal höhere Spiegel als die Ausgangssubstanz. Im Grunde genommen erklärt das die beobachtete bessere Verträglichkeit.


Literatur:

Dwyer J, Tafuri SM, LaGrange CA. Oxybutynin. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2020.

Müller-Arteaga C, Batista-Miranda JE, Zubiaur Libano C, et al. Cognitive function assessment in elderly patients with overactive bladder treated with transdermal oxybutynin. Evaluación de la función cognitiva en pacientes de edad avanzada con vejiga hiperactiva tratados con oxibutinina transdémica. Actas Urol Esp. 2019;43(3):143-150. doi:10.1016/j.acuro.2018.07.005

Aprile S, Canavesi R, Matucci R, Bellucci C, Del Grosso E, Grosa G. New insights in the metabolism of oxybutynin: evidence of N-oxidation of propargylamine moiety and rearrangement to enaminoketone. Xenobiotica. 2018 May;48(5):478-487. doi: 10.1080/00498254.2017.1342288. Epub 2017 Jul 6.

Canavesi R, Aprile S, Giovenzana GB, Di Sotto A, Di Giacomo S, Del Grosso E, Grosa G. New insights in oxybutynin chemical stability: Identification in transdermal patches of a new impurity arising from oxybutynin N-oxide rearrangement. Eur J Pharm Sci. 2016 Mar 10;84:123-31. doi: 10.1016/j.ejps.2016.01.015. Epub 2016 Jan 18.

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