Freitag, Juni 9, 2023

Medikamentöse Therapie bei Diabetes Typ 2 im Alter

Zur Medikamentösen Therapie bei Diabetes Typ 2 im Alter ist zu berücksichtigen, welche Therapien ältere Menschen brauchen – und welche nicht.

Mit dem sturem Abarbeiten von Leitlinien kann man ältere multimorbide geriatrische Patienten problemlos umbringen, meinen manche Diabetes- und Geriatrieexperten. Vor etwa 10 Jahren zeigte Diabetesexpertin Cynthia Boyd in ihrer in JAMA veröffentlichten Arbeit zu Diabetes im Alter die Auswirkungen einer unreflektierten Anwendung von Leitlinien zur Medikamentösen Therapie bei Diabetes Typ 2 im Alter an einer 79-jährigen fiktiven Patientin mit fünf verschiedenen Diagnosen (u.a. Typ-2-Diabetes).

Wäre Einzelerkrankung bei der beschriebenen Patientin Leitlinien gerecht behandelt worden, so hätte sie täglich 12 unterschiedliche Medikamente in 19 Dosierungen zu fünf unterschiedlichen Tageszeiten einnehmen müssen. Neben den hohen Therapiekosten wären schwerste Erkrankungen bis hin zum Tod aufgrund von Neben- und Wechselwirkungen zu erwarten gewesen.

Statt eines unreflektierten Einsetzens von immer noch mehr pharmakologischen Vorgehensweisen für Symptome und Einzelerkrankungen nach Kochbuch, verlangt es gerade in der Therapie von Diabetes im Alter neben einer altersmedizinischen Expertise auch der Bereitschaft, sich von dem harten Studienendpunkt „Mortalität“ abzuwenden und den im Alter wesentlich wichtigeren Endpunkt „Lebensqualität“ zu fokussieren.

 

Medikamentöse Therapie von Typ 2 Diabetes im Alter

Notwendig sind Medikamente, deren Wirkung, Nutzen und Verträglichkeit bei alten multimorbiden Menschen gesichert sind. Hierzu sind weitere Studien bereits bei der Zulassung erforderlich, die auch die spätere Zielgruppe – den alten multimorbiden Menschen – mit einbeziehen. Beispiele für sinnvolle Entwicklungen in der Therapie von Diabetes im Alter sind:

  • Kombi-Präparate (z.B. Metformin plus DPP4-Hemmer) – dabei wird die Zahl der einzunehmenden Tabletten deutlich reduziert.
  • moderne Insuline – weniger Hypoglykämie-Gefahr, diese hängt dabei aber auch von den Einstellungszielen und vom Umgang mit dem Insulin selbst ab.
  • Therapiestrategien des Blutzuckers, die eine Hypoglykämiefreiheit als oberes Behandlungsziel haben.

Forderungen an eine optimale medikamentöse Therapie bei Diabetes Typ 2 im Alter

  • geringe Hypoglykämiegefahr
  • altengerechte Darreichungsformen
  • maximale Verträglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität
  • individualisierte Therapie
  • insgesamt weniger Tabletten

Im Bereich der Insulintherapie ist klar festzustellen, dass sich die immer wieder gefundene hohe Rate an Hypoglykämien bei Älteren unter Insulintherapie auch mit falschen bzw. nicht vorhandenen Schulungsmaßnahmen und der undifferenzierten Selbstverabreichung von Insulin trotz möglicherweise bestehender kognitiver Defizite erklären lässt. Auch waren in den meisten Ländern die HbA1c-Zielkorridore in den letzten Jahren viel zu niedrig angesetzt.

 

Adäquate Schulung und Therapie

Mit angemessenen Schulungsmaßnahmen, individualisierten Therapiezielen und modernen Therapien lassen sich Menschen mit Typ 2 Diabetes im Alter hinsichtlich ihrer Blutzuckerziele oft bis ins hohe Alter gut behandeln. Bei der Therapie von Begleit- und Folgeerkrankungen ist besonders bei hochbetagten Menschen mit äußerstem Augenmaß vorzugehen. Primär präventive, aber auch sekundär präventive Vorgehensweisen sind kritisch zu überdenken.


Literatur:

Boyd CM, Darer J, Boult C, Fried LP, Boult L, Wu AW. Clinical practice guidelines and quality of care for older patients with multiple comorbid diseases: implications for pay for performance. JAMA. 2005 Aug 10;294(6):716-24. doi: 10.1001/jama.294.6.716. PMID: 16091574.


Quelle:

Statement von Dr. Dr. Rom Andrej Zeyfang –  Leiter der AG Diabetes und Geriatrie der DDG, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Geriatrie, Ärztlicher Direktor, Agaplesion Bethesda Krankenhaus, Stuttgart – zu Medikamentenversorung bei Diabetes im Alter. 50. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Mai 2015.

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