Freitag, April 19, 2024

Altersdiabetes: Diabetes mellitus Typ II im Alter als Herausforderung

Diabetes im Alter ist eine große Herausforderung für die Gesellschaft, von den Patienten mit Diabetes mellitus Typ II sind zwei Drittel älter als 60 Jahre.

Das Auftreten und die anschließende Behandlung des Diabetes mellitus des älteren Menschen stellt somit eher die Regel als die Ausnahme dar. In diesem Sinne kann man bezüglich Empfehlungen zur Therapie von Diabetes mellitus Typ II im Alter auf verschiedene Leitlinien der Diabetesgesellschaften verweisen.

Besondere Beachtung verdient die Patientengruppe der über 75-jährigen beziehungsweise über 80-jährigen Patienten mit Diabetes. Entsprechend des raschen Anwachsens dieser hochbetagten Personengruppe im letzten Jahrzehnt stellen sich Fragen nach Behandlungsspezifika in der klinischen Behandlungspraxis dementsprechend häufiger.

In den nächsten Jahrzehnten wird die Altersgruppe der über 80-Jährigen die am stärksten wachsende sein. Bis 2050 ist eine Vervierfachung der Anzahl Hochbetagter in unseren Breiten prognostiziert. Exemplarisch sollen im Folgenden einige Besonderheiten von Diabetes im Alter – vor allem bei Hochbetagten – dargestellt werden. Wobei ausschließlich auf den Glucosemetabolismus fokussiert wird.

 

Hypoglykämien

Im Grunde genommen konnte man erst im Rahmen der klinischen Tätigkeit an einer Stoffwechselabteilung eines Schwerpunktkrankenhauses erkennen, wie häufig schwere Hypoglykämien einen akuten Aufnahmegrund für Hochbetagte mit Diabetes mellitus darstellen. Als häufigste Auslöser einer medikamentös induzierten Hypoglykämie sind Sulfonylharnstoffpräparate und/oder eine Insulintherapie erhebbar. Wobei die Gründe für das stark gesteigerte Unterzuckerungsrisiko im hohen Alter vielfältig sind.

  • Organfunktionsstörungen (vor allem der Nieren), welche eine Kumulation der Medikamente bewirken;

  • eingeschränkte kognitive Funktion, die das rechtzeitige Erkennen von frühen Symptomen einer Unterzuckerung erschwert;

  • mangelnde Compliance hinsichtlich des richtigen Zeitpunktes und der richtigen Menge der Arzneimittelverabreichung (vor allem bei Insulintherapie);

  • große Unterschiede in der täglichen Nahrungsmittelaufnahme aufgrund von Appetitschwankungen;

  • Auftreten interkurrenter Gesundheitsstörungen, wie Erbrechen sowie Durchfällen.

Schwere Hypoglykämien bei hochbetagten Patienten führen fast immer zur stationären Aufnahme im Spital. Zudem können infolge von Hypoglykämie bedingten Stürzen Verletzungen und Frakturen auftreten. Im ­präklini­schen Akutfall ist eine rasche Differenzialdiagnose (schwere Hypoglykämie oder cerebrale Funktionsstörung anderer Ursache) gelegentlich verzögert oder durch unklare Umstände erschwert.

Das Bemühen, schwere Hypoglykämien bei hochbetagten Patienten zu vermeiden, ist daher ein vorrangiges Ziel der medikamentösen Diabetestherapie.

 

Anpassung der Stoffwechsel-Zielwerte

Diabetesstudien weisen darauf hin, dass auch bei »älteren« Diabetikern (Alter zwischen 60 und 70 Jahren) eine allzu strikte Stoffwechselkontrolle mit einem HbA1c-Zielwert von 6,0% mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sein könnte. Dies dürfte vor allem auf jene Patienten zutreffen, bei welchen eine lange Diabetesdauer besteht, bereits kardiovaskuläre Komplikationen vorliegen und die vor der raschen Stoffwechselverbesserung sehr schlecht eingestellt waren. Auch in diesen Fällen werden therapieinduzierte Hypoglykämien als mögliche Ursachen für die erhöhte Mortalität diskutiert.

Wobei bei hochbetagten Diabetikern (über 75 bzw. 80 Jahre) die Vermeidung diabetischer Spätkomplikationen aufgrund der beschränkten prospektiven Lebenserwartung nicht im Vordergrund steht. Deswegen sollte das Ziel-HbA1c in der Regel nicht unter 7% liegen. Im begründeten Einzelfall (ausgeprägt Multimorbidität, hochgradige Demenz, rezidivierende schwere Hypoglykämien) kann das Ziel-HbA1c schließlich auf 7,5 beziehungsweise 8% angehoben werden.


Literatur:

LeRoith D, Biessels GJ, Braithwaite SS, Casanueva FF, Draznin B, Halter JB, Hirsch IB, McDonnell ME, Molitch ME, Murad MH, Sinclair AJ. Treatment of Diabetes in Older Adults: An Endocrine Society* Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2019 May 1;104(5):1520-1574. doi: 10.1210/jc.2019-00198. PMID: 30903688; PMCID: PMC7271968.

Constans T, Lecomte P. Non pharmacological treatments in elderly diabetics. Diabetes Metab. 2007 Apr;33 Suppl 1:S79-86. doi: 10.1016/s1262-3636(07)80060-7. PMID: 17702102.


Quelle:

Diabetes im Alter. Prim. Univ.-Doz. Dr. Peter Fasching. MEDMIX 10/2008.

http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/leitlinien/evidenzbasierte-leitlinien.html

http://www.oedg.org/pdf/1301_oedg_PocketGuide_Diabetes.pdf

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