Samstag, November 1, 2025

Haftung und Patientenaufklärung

Ärzte müssen ihre Haftung vor Patientenaufklärung berücksichtigen: Ein Arzt kann auch haften, wenn er z.B. nicht selbst einen Eingriff durchgeführt hat.

 

Deutschland. Wer operiert, ist auch für die Aufklärung des Patienten zuständig – dieses Credo hat ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) Ende letzten Jahres korrigiert: Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch ein Arzt schadenersatzpflichtig werden, der den umstrittenen Eingriff nicht selbst durchgeführt hat.

Diese BGH-Entscheidung hat Konsequenzen sowohl für den operierenden Arzt als auch für denjenigen, der das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten führt, darauf weist der Kölner Rechtsanwalt und SPezialist für Wirtschafts- und Medizinrecht, Dr. Albrecht Wienke, hin. Der aufklärende und der operierende Arzt sollten im Vorfeld des Patientengesprächs die Details der OP besprechen, damit der Patient ausreichend über Erfolgsaussichten und Risikofaktoren informiert werden kann.

 

Patientenaufklärung und Operation nicht immer aus einer Hand

„Es kommt in Kliniken nicht selten vor, dass ein Arzt das Patientengespräch übernimmt und ein anderer später die Operation durchführt“, erklärt Dr. Albrecht Wienke, Fachanwalt für Medizinrecht und juristischer Berater bei Thieme Compliance. Im Fall des BGH-Urteils vom 21. Oktober 2014 ging es um eine Patientin, die nach entsprechenden Voruntersuchungen zunächst am rechten und später am linken Knie operiert worden war. In beiden Fällen hatte eine Ärztin über die Risiken aufgeklärt, ein anderer Mediziner führte die Eingriffe durch.

Die Operationen brachten jedoch nicht den erhofften Erfolg, und die Patientin verklagte die Ärztin auf Schadenersatz und Schmerzensgeld mit der Begründung, sie habe sie unzureichend über die geringen Erfolgsaussichten der OPs aufgeklärt.

Der BGH stellte in seiner Entscheidung fest, dass eine Haftung der Ärztin tatsächlich in Frage kommt. Die Aufklärung sei unzureichend gewesen und nicht angemessen auf die eingeschränkten Erfolgsaussichten der Operation eingegangen. „Mit der Übernahme der Aufklärung nimmt der Arzt – auch wenn er nicht selbst behandelt – gegenüber dem Patienten eine Garantenstellung ein“, erläutert Experte Wienke das BGH-Urteil. Der Arzt schulde dem Patienten eine vollständige und sorgfältige Aufklärung und nicht nur jenen Teil, welchen er ohne nähere Kenntnisse des Eingriffs oder der individuellen Voraussetzungen des Patienten vornehmen könne.

 

Operierende Arzt kann ebenfalls haften

Für den aufklärenden Arzt bedeutet dies, dass er sich ausführlich mit der individuellen Krankengeschichte des Patienten beschäftigen, die Gründe für die Operation prüfen und die Ergebnisse der Voruntersuchungen einsehen sollte. Zudem empfiehlt der Medizinrechtsexperte eine enge Kooperation aller mit dem Patienten befassten Mediziner. Denn auch der operierende Arzt ist der BGH-Entscheidung zufolge nicht außen vor, was Patienteninformation und Haftung angeht. Er muss sicherstellen, dass der Kollege über die notwendige Kompetenz verfügt und die Aufklärung korrekt ausgeführt hat. „Wenn ein Patient mangels adäquater Aufklärung nicht juristisch wirksam einem Eingriff zugestimmt hat, haftet auch der Operateur“, warnt Dr. Wienke.

Anders als bei Therapiefehlern, die der Patient nachweisen muss, liegt die Beweispflicht im Hinblick auf eine fehlerfreie Aufklärung immer beim Arzt. Diese muss zudem so rechtzeitig erfolgen, dass sich ein Patient ohne Zeitdruck für oder gegen einen Eingriff entscheiden und darüber mit anderen sprechen kann. Für einen Arzt ist die umfassende Dokumentation der Aufklärung von entscheidender Bedeutung: „Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht geleistet“, betont der Medizinrechtsexperte. So sieht es auch das Patientenrechtegesetz ausdrücklich vor. „Der spätere Nachweis über den detaillierten Inhalt eines Aufklärungsgespräches, insbesondere durch Zeugen, ist meist schwierig.“

 

Quellen: http://openjur.de/u/751050.html
Kommentar Dr. jur. A. Wienke, Haftung des nicht operierenden Arztes wegen fehlerhafter Aufklärung, Newsletter Thieme Compliance vom Juni 2015.
Weitere Handlungsempfehlungen in Sachen Patientenaufklärung.

 

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