Nach wie vor sind Anamnese und klinische Untersuchung entscheidend in der Diagnostik und Einschätzung von Sport-Muskel-Sehnenverletzungen.
Ob im Alltag, in Freizeit- oder im bezahltem Hochleistungssport . Viele Menschen, die Sport treiben, kennen einen Muskelkater, eine Muskelzerrung, eine Faser- oder Bündelverletzung oder sogar ärgere Sehnenverletzungen wie einen Sehnenriss aus eigener Erfahrung oder zumindest aus dem direkten Umfeld. Die überwiegende Mehrzahl (98 Prozent) der Muskel- und Sehnenverletzungen stellt aber im schlimmsten Fall eine Faserverletzung dar und verläuft vergleichsweise eher „glimpflich“ ab. Hingegen führen nur wenige solcher Verletzungen zu längeren Ausfällen oder benötigen sogar eine operative Behandlung.
Nichtsdestotrotz haben besonders körperlich sehr aktive Sportler und Patienten von Beginn an das Bedürfnis nach einer bestmöglichen Diagnostik. verbunden mit einer optimalen Therapie und dadurch bedingtem kürzest möglichem zeitlichem Ausfall – idealerweise auf den Tag genau vorhergesagt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine hochauflösende Bildgebung wie ein Kernspintomogramm notwendig ist.
Weiter werden Patienten und Ärzte immer wieder mit neuen Therapieansätzen konfrontiert. Schließlich sollen diese den zitierten Wunsch nach einer optimalen Behandlung in kürzester Zeit erfüllen.
Diagnostik und Einschätzung von durch Sport verursachten Muskel-Sehnenverletzungen
Grundsätzlich sind Anamnese und klinische Untersuchung auch heute die wichtigsten Bausteine in Diagnostik und Einschätzung von Muskel-Sehnenverletzungen. Ergänzend kann eine Sonografie das vermutete Verletzungsausmaß weiter bestätigen oder eingrenzen. Schließlich können anhand der genannten Parameter in den meisten Fällen eine zeitlich prognostische und therapeutische Aussage valide getroffen werden.
Eine detaillierte Größenbestimmung, zum Beispiel einer Muskelfaserverletzung in Millimetern, mit anschließender Klassifizierung nach aktuell gängigen Einteilungen gelingt so indes nicht immer zweifelsfrei. In solchen Zweifelsfällen oder bei Verdacht auf höhergradige Muskel-Sehnenverletzungen ist eine weiterführende Bildgebung im Sinne eines Kernspins durchaus sinnvoll.
Bedacht werden sollte allerdings, dass die oft gewünschte, reine zeitliche Prognose eines Verletzungsausfalls nicht alleine von kernspintomografisch bestimmten Millimetern als vielmehr von der initial beschriebenen, generellen Unterscheidung zwischen funktionellem und strukturellem Schaden sowie dessen genauer Einschätzung abhängt: Ein Kernspin beeinflusst trotz genauerer Darstellung den Verletzungsverlauf also nicht unbedingt.
Physikalische und infiltrative Therapieansätze
Ähnliche Daten finden sich in der Literatur auch bezüglich adjuvanter physikalischer und / oder infiltrativer Therapieansätze. Beispielsweise zeigen Grundlagenforschungsergebnisse bezüglich des Spritzens konditionierten Blutserums oder anderer Substanzen im Verletzungsfall vielversprechende Ansätze. Jedoch gibt es in puncto Beschleunigung oder Verbesserung des Heilungsverlaufes bislang keine wissenschaftliche Evidenz.
So bleibt die Frage, ob „viel auch wirklich viel hilft“ weiterhin unbeantwortet. Unbestritten scheint indes, dass die beste Voraussetzung für einen bestmöglichen Heilungsverlauf weiterhin zunächst in einer optimalen ersten Verletzungseinschätzung durch die erfahrene Hand besteht.
Wenn man die biologischen Phasen der Heilung berücksichtigt, folgt dieser Verletzungseinschätzung eine schrittweise, phasenadaptierte und nicht zwangsweise nur zeitbasierte Rehabilitation. So hat man „die Natur vielleicht nicht überholt“, aber mit ihr das Beste daraus gemacht.
Quelle:
Statement » Diagnostik und Therapie von Muskel- und Sehnenverletzungen im Sport: Wie groß ist der Einfluss auf Heilung und Prognose? «. Von Privatdozent. Dr. med. habil. Raymond Best Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart, Chefarzt Department Sportorthopädie/Sporttraumatologie Untere Extremität, Facharzt für Orthopädie, Chirurgie, Unfallchirurgie, Notfallmedizin, Sportmedizin, Sportklinik Stuttgart beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), Oktober 2018, Berlin