Die Leitlinie Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen gibt das Wissen zu Diagnose und Therapie von Nervenschmerzen wieder.
Die Häufigkeit von Nervenschmerzen liegt ungefähr bei drei bis fünf Prozent der gesamten Bevölkerung in unseren Breiten. Unter dem Strich stellen Nervenschmerzen (sogenannte neuropathische Schmerzen) jedenfalls ein sehr bedeutendes medizinisches Problem dar. Wobei die neuropathischen Schmerzen die Art von Schmerzen sind, die als direkte Folge einer Schädigung von Nerven entstehen können. Beispielsweise gehören dazu Schmerzen bei einer Gürtelrose, nach einem Schlaganfall sowie Nervenschmerzen bei Diabetes mellitus. Schließlich zählen aber auch manche Formen von Rückenschmerzen dazu. Die Nervenschmerzen sind oft schwer zuzuordnen (Diagnose, Diagnostik) und auch die Therapie gilt als schwierig. Die neue Leitlinie „Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen“ fasst nun das Wissen über die Diagnostik und Therapie von Nervenschmerzen ganz aktuell zusammen.
Neue Leitlinie zum aktuellen Wissen zu Nervenschmerzen
Die Leitlinie betont nun ausdrücklich, dass der behandelnde Arzt seine betroffenen Patienten ausführlich befragen muss (Anamnese). Zudem ist eine genaue klinische Untersuchung von großer Bedeutung. zusätzlich geht die Leitlinie auch auf die Wertigkeit verschiedener Untersuchungsverfahren ein.
Jedenfalls kommen neurophysiologische Testverfahren standardmäßig in der Neurologie zum Nachweis von Schädigungen des peripheren oder zentralen Nervensystems zum Einsatz. Ergänzend dazu kann heute auch die Bildgebung (Kernspintomografie, Ultraschall) die zu den neuropathischen Schmerzen führende Schädigung identifizieren. Und zwar nicht nur in Gehirn und Rückenmark, sondern auch in der Peripherie.
Zudem können bei speziellen Fragestellungen vor allem auch die Quantitativ-Sensorische Testung (QST) und eine Hautbiopsie weiterhelfen. Weitere Testverfahren, insbesondere zum Nachweis einer selektiven Schädigung der kleinen schmerzleitenden Nervenfasern, sind meist sehr aufwendig. Außerdem sind sie nur in speziellen Klinikeinrichtungen verfügbar.
Behandlung, Schmerzlinderung
Eine effektive Therapie versucht einerseits die Schmerzen so wirksam wie möglich zu linder. Andererseits will man damit auch psychosoziale Aspekte stark berücksichtigen und damit die Situation für die Patienten hierzu verbessern. Dazu gehören auch die Verbesserung der Lebensqualität, der Schlafqualität, der Erhaltung der sozialen Aktivität sowie des sozialen Beziehungsgefüges. Auch die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und eine Verbesserung der Funktionalität ist von großer Bedeutung.
Für die medikamentöse Therapie steht eine Reihe von Präparaten zur Verfügung. Die Gabe von Pregabalin oder Gabapentin, trizyklischen Antidepressiva und Duloxetin ist jeweils erste Wahl innerhalb der Zulassungen.
Topische Therapieformen wie Lidocain oder Capsaicin werden jeweils als zweite Wahl innerhalb der Zulassungen eingeordnet. Die Opioide gelten als dritte Wahl. Auch Botulinumtoxin hat bei lokalen neuropathischen Schmerzen eine Wirksamkeit gezeigt (dritte Wahl, off-label).
Eine relativ einfach einzusetzende nicht medikamentöse Methode stellt die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) dar, die ebenfalls im Einzelfall eingesetzt werden kann. In therapierefraktären Fällen können Cannabinoide erwogen werden. Schließlich sind die multimodale Schmerztherapie und eine Schmerzpsychotherapie bei chronischen, schwer zu behandelnden neuropathischen Schmerzen wichtige Therapieoptionen.
Mehr Qualität der Leitlinie
Sehr erfreulich ist bei der aktuellen Leitlinie, dass sie im Vergleich zu der früheren Version eine insgesamt höhere methodische Qualität aufweist. Denn es handelt sich um eine sogenannte „S2k-Leitlinie“. Dies bedeutet, dass sich eine repräsentative Expertengruppe intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt hat und eine strukturierte Konsensusbildung vorgenommen hat.
Quellen:
S2k-Leitlinie Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen
Expertenstatement » Nervenschmerzen – oft unerkannt oder schlecht therapiert: was die neue Leitlinie zu neuropathischen Schmerzen empfiehlt «. Prof. Dr. med. Claudia Sommer, Präsidentin der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V., Leitende Oberärztin und Schmerzforscherin an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg und Professor Dr. med. Christian Maihöfner. Kongresspräsident des Deutschen Schmerzkongresses 2019 und Chefarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Fürth. Deutscher Schmerzkongress der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG). Oktober 2019, Mannheim