Infektionsprophylaxe bedeutet auch eine Rückbesinnung und Stärkung der Basishygiene wie sorgfältige Händedesinfektion und hygienisch tadelloses Arbeiten.
Wurden noch vor wenigen Jahrzehnten Patienten mit schweren Grundleiden, chronischen Erkrankungen oder sehr hohem Alter kategorisch als „inoperabel“ erklärt, so ist die operative Medizin heute in der Lage, auch sogenannte Hochrisikopatienten auf höchstem Standard zu versorgen. Während die technischen Probleme sozusagen im Griff sind, bringen viele dieser Patienten aufgrund ihrer Grund- und Begleiterkrankungen ein erhöhtes Infektionsrisiko mit. Ein Beispiel hierfür sind Wundheilungsstörungen bei Patienten mit schwerem Diabetes oder bei Personen, die regelmäßig Cortisonpräparate einnehmen. Die Herausforderung für die Infektionsprophylaxe besteht darin, Patienten mit sogenannten Risikofaktoren für eine spätere Infektion zu identifizieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Das heißt, der Blutzucker beim Diabetiker sollte gut eingestellt sein, der Zigarettenkonsum vor der Operation reduziert werden und eine Besiedelung mit möglichen Problemkeimen, wie beispielsweise dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), bereits bei der Aufnahme ins Krankenhaus erkannt werden.
Bei der ambulanten Vorstellung oder stationären Aufnahme wird in vielen Kliniken ein sogenanntes Aufnahmescreening der Patienten auf das Vorliegen multiresistenter Erreger durchgeführt. Im Zuge dessen werden mithilfe von Wattetupfern Nase und gegebenenfalls Rachen und Schamregion abgestrichen. Wird ein multiresistenter Erreger festgestellt, so ergeben sich hieraus möglicherweise Konsequenzen. In solchen Fällen werden Patienten möglicherweise im Einzelzimmer untergebracht und Mitarbeiter sowie Besucher müssen Schutzkleidung tragen. Weiterhin kommen Strategien zur vollständigen Entfernung eines Krankheitserregers oder zumindest einer Keimzahlverringerung infrage. Hierzu gehören die Applikation von antibakteriellen Substanzen in die Nase oder die Ganzkörperwaschung mit Antiseptika. Alle diese Maßnahmen beinhalten einen höheren personellen und logistischen Aufwand für die Kliniken.
Lohnt sich das? Wenn wir den bekanntesten multiresistenten Erreger betrachten, den schon erwähnten MRSA, so zeigte sich, dass die Anzahl der schweren Infektionen mit MRSA in den letzten Jahren zurückging, gleichzeitig war ein stetiger Anstieg der Screening-Untersuchungen auf MRSA zu verzeichnen. Ein Zusammenhang scheint plausibel; nämlich, dass bei frühzeitigem Erkennen einer Besiedelung mit dem Erreger Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können, die eine Weiterverbreitung im Krankenhaus einschränken. Ein weiterer Aspekt ist die passgerechte antibiotische Therapie des Patienten.
Weniger positiv sieht es leider bei den sogenannten gramnegativen Erregern aus, zu denen Bakterien des Darmtraktes und sogenannte Pfützenkeime gehören. Dabei handelt es sich um Keime, die sich auch mit geringem Nährstoffangebot vor allem in feuchten Umgebungen vermehren. Bei diesen Erregern ist ein stetiger Anstieg zu beobachten. Demgegenüber gibt es kaum neue Antibiotika – auch nicht in der Entwicklung –, die bei Multiresistenz gezielt diese Bakteriengruppen angreifen könnten. „Zurück in die Zukunft“ bedeutet daher für die Infektionsprophylaxe auch eine Rückbesinnung und Stärkung der sogenannten Basishygiene, also beispielsweise die sorgfältige Händedesinfektion und hygienisch tadelloses Arbeiten. In diese gängigen Präventionskonzepte sollte der Patient als aktiver Partner zunehmend einbezogen werden – auch das ist zukunftsweisend.
Quelle:
Statement »Auf Nummer sicher: Welche Herausforderungen stellen sich in der Infektionsprophylaxe für O & U?« von Professor Dr. med. Heike von Baum, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene im Universitätsklinikum Ulm, Sektion Klinikhygiene, Ulm anlässlich des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2016.