Freitag, Oktober 31, 2025

Posttraumatische Belastungssymptomen nach der Diagnose Brustkrebs

Die Diagnose Brustkrebs führt bei den meisten Patientinnen zu posttraumatischen Belastungssymptomen. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen halten diese mindestens ein Jahr an.

Im Grunde genommen kann die Diagnose Brustkrebs posttraumatische Belastungssymptome auslösen. Wie die rezente Studie Cognicares um Dr. Kerstin Hermelink vom Brustzentrum der Frauenklinik der LMU unlängst zeigte, sind diese Belastungssymptome bei der Mehrheit der Frauen noch ein Jahr nach der Diagnose messbar.

 

Cognicares zur Diagnose Brustkrebs

Die Studie Cognicares des Teams um Kerstin Hermelink und ihrer Doktorandin Varinka Voigt hat die Deutsche Krebshilfe gefördert. Und zwar haben die Forschenden mehr als 160 Patientinnen mit der Diagnose Brustkrebs über einen Zeitraum von einem Jahr wissenschaftlich begleitet. Und mit 60 Frauen ohne die Diagnose Krebs verglichen. Zu drei Zeitpunkten wurden alle Teilnehmerinnen auf Symptome posttraumatischer Belastung untersucht.

82,5 Prozent aller Patientinnen zeigten vor Beginn der Behandlung posttraumatische Belastungssymptome wie zum Beispiel ständige, unabweisbare Gedanken an die Erkrankung, das Gefühl emotionaler Taubheit, große Reizbarkeit mit Wutausbrüchen und übermäßige Schreckhaftigkeit. Ein Jahr später hatten zwar nur wenige Patientinnen (zwei Prozent) eine voll ausgeprägte Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Aber mehr als die Hälfte (57,3 Prozent) litt noch immer unter posttraumatischen Symptomen.

„Es ist bemerkenswert, dass die hohe seelische Belastung durch die Erkrankung über einen so langen Zeitraum bestehen bleibt“, sagt Kerstin Hermelink. Wie schwer die Diagnose Krebs wiegt, zeigt auch ein Vergleich mit anderen Auslösern von Traumata. Von den Patientinnen, die bereits vor ihrer Erkrankung und Diagnose ein anderes Trauma erlebt hatten, die etwa Opfer eines schweren Unfalls oder eines gewalttätigen Angriffs geworden waren, hielten 40 Prozent die Diagnose Brustkrebs für die schlimmere Erfahrung.

„Cognicares ist eine der ganz wenigen Längsschnittstudien, die es zu traumatischen Störungen nach der Diagnose Brustkrebs gibt“, sagt Kerstin Hermelink. Die Daten basieren nicht auf Selbstauskunft, sondern wurden mithilfe eines diagnostischen Interviews von Psychologen erhoben. Untersucht wurden nur Patientinnen ohne Metastasen, die also berechtige Hoffnung auf eine Heilung haben konnten. Zudem wurden Frauen mit psychischen Vorerkrankungen und fehlenden Deutschkenntnissen ausgeschlossen.

„Wir gehen daher davon aus, dass unsere Daten die Verbreitung posttraumatischer Belastungssymptome bei Brustkrebspatientinnen und gesunden Frauen eher unterschätzen“, sagt Hermelink.

 

Manche leiden länger

Die Forscher haben in ihren Daten nach Einflussfaktoren gesucht, warum nicht alle Patientinnen posttraumatische Belastungssymptome entwickelten. Zudem warum die Belastung bei einigen länger anhielt. „Einen Einfluss der Art der Operation oder einer Behandlung mit Chemotherapie konnten wir nicht nachweisen. Dagegen zeigte sich deutlich ein günstiger Effekt von Bildung. Offenbar ist Bildung ein Marker für Ressourcen, die es erlauben, sich schneller von der psychischen Belastung durch eine Krebsdiagnose wieder zu erholen“, sagt Kerstin Hermelink.

Die Studienergebnisse sind auch vor dem Hintergrund interessant, dass das Klassifikationssystem DSM, das in der Psychiatrie als Leitfaden für Diagnosen verwendet wird, seit dem Jahr 2013 lebensbedrohliche Erkrankungen nicht mehr als potenzielle Auslöser für Traumata aufführt.

„Vor dem Hintergrund unserer Studienergebnisse und meiner Erfahrungen aus der Arbeit mit Brustkrebspatientinnen als Psychoonkologin halte ich das für falsch“, sagt Hermelink. „Ärzte sollten sich bewusst sein, dass nach einer Brustkrebs-Diagnose ein Großteil der Patientinnen posttraumatische Belastungssymptome entwickelt und eine entsprechende Unterstützung benötigt.“


Literatur:

Voigt V, Neufeld F, Kaste J, Bühner M, Sckopke P, Wuerstlein R, Hellerhoff K, Sztrókay-Gaul A, Braun M, von Koch FE, Silva-Zürcher E, Hasmüller S, Bauerfeind I, Debus G, Herschbach P, Mahner S, Harbeck N, Hermelink K. Clinically assessed posttraumatic stress in patients with breast cancer during the first year after diagnosis. In the prospective, longitudinal, controlled COGNICARES study. Psychooncology. 2017 Jan;26(1):74-80. doi: 10.1002/pon.4102. Epub 2016 Feb 22. PMID: 26898732.


Quelle: Frauenklinik der LMU

Latest Articles

Folgt uns auf Facebook!

Fokus Kinder

Behandlung mittels Psychotherapie bei jungen Menschen mit Depression

Psychotherapie wie die kognitive Verhaltenstherapie sollte die erste Behandlung bei jungen Menschen mit Depression sein. Und erst später Medikamente. Laut einer rezenten australischen Studie sollte...
- Advertisement -

Related Articles

Depressionen bei Kindern und im Jugendalter erkennen

Traurigkeit ist häufig ein Anzeichen für Depressionen bei Kindern: Bis zu 2,5 Prozent der Kinder und bis zu 8,3 Prozent im Jugendalter leiden daran,...

Fieber bei Kindern muss man erst senken, wenn das Kind dadurch leidet

Wenn die Temperatur stark steigt, dann hilft das oft gegen Krankheitserreger. Wobei man Fieber bei Kindern nicht senken muss, solange das Kind nicht darunter...

Enuresis – beim Einnässen von Kindern an alles denken

Prinzipiell muss man zwischen der klassischen Enuresis und der nicht organischen und organischen Harninkontinenz unterscheiden. Beim Einnässen von Kindern muss man zwischen erstens der klassischen Enuresis,...