Tinnitus führt mit der Zeit zu einer unabhängig vom Ohr gesteuerten Schallempfindung, eine elektrophysiologische Musiktherapie bei Tinnitus bietet Hilfe als App.
In wenigen Tagen, am 27. April, ist weltweiter Tag gegen den Lärm, an dem die Menschen für die Gefahren konstanter Lärmbelastung sensibilisiert werden sollten. Zum gegebenen Anlass berichten Forscher aus Münster über ihre entwickelte Musiktherapie bei Tinnitus auf Basis neurowissenschaftlicher Studien in Form einer App gegen das Störgeräusch.
Die elektrophysiologische Musiktherapie gegen Tinnitus steigert die Lebensqualität
Lärm begleitet uns ständig im Alltag: ob durch laute Musik beispielsweise über In-Ohr-Kopfhörer oder durch die Geräuschkulisse am Arbeitsplatz. An vielen Orten und Situationen ist man einer konstanten Lärmbelastung ausgesetzt – mit bis zu 100 Dezibel (dB). „Das ist eine immense Belastung für das Ohr“, warnt Prof. Dr. Christo Pantev, Direktor des Instituts für Biomagnetismus und Biosignalanalyse an der Medizinischen Fakultät Münster. Er erforscht gemeinsam mit Prof. Dr. Claudia Rudack, Direktorin der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des UKM (Universitätsklinikum Münster), die Probleme konstanter Lärmbelastung.

Unkonzentriertheit und erhöhtes Stressempfinden bis zum belastenden Tinnitus – dem Ohrensausen – können als Folge von Lärm auftreten. Letzterer beginnt im Innenohr und führt erst zu einer partiellen Hörminderung, die durch das Gehirn ausgeglichen wird. „Mit der Zeit kommt es zu einer komplett unabhängig vom Ohr gesteuerten Schallempfindung“, erklärt Pantev. „Die hyperaktiven Neuronen im Gehirn senden permanent Signale, die nur die Betroffenen hören können.“ Für sie stellt die Tinnitus-Wahrnehmung eine enorme Einschränkung ihrer Lebensqualität dar. Um diesen Menschen zu helfen, entwickelten die Wissenschaftler in Münster eine elektrophysiologische Musiktherapie.
Musik an die Frequenz des Tinnitus anpassen
Die Möglichkeiten der Musiktherapie bei Tinnitus wurden nun auf Basis von neurowissenschaftlichen Studien mit über 250 Teilnehmern untersucht. Die Forscher fanden eine positiv-lindernde Wirkung des sogenannten physiologischen Effekts der seitlichen Hemmung heraus. „Wir setzen quasi eine Kerbe im Musikspektrum rund um die Frequenz des Tinnitus und passen so die Musik individuell an“, macht Pantev den Prozess deutlich. Durch das Auslassen der jeweiligen Frequenzen im Musikspektrum werden die für den Tinnitus verantwortlichen Neuronen nicht weiter gereizt.
Musiktherapie bei Tinnitus kann durch die Mobilisierung der Nachbarneuronen die Erkrankung dauerhaft lindern. Im Laufe der münsterschen Studien konnte die durchschnittliche Tinnitus-Lautheit um etwa 25 Prozent reduziert werden. Momentan entwickeln die Wissenschaftler in Kooperation mit einem australischen Unternehmen eine App, mit der Betroffene zuerst ihre Tinnitus-Frequenz zuverlässig bestimmen und dementsprechend ihre Lieblingsmusik individuell anpassen können. So kann eine ausreichend lange Nutzung zu einer nachhaltigen Minderung führen. Die App wird voraussichtlich im Sommer 2016 erhältlich sein.
Maßnahmen gegen starke Lärmbelastung
Generell gilt, dass zu lautes Musik hören über Kopfhörer das Ohr auf Dauer schädigt – wenn der Sitznachbar im Zug mithören kann, ist es zu laut. Ist man am Arbeitsplatz von einer starken Lärmbelastung betroffen, hilft das konsequente Tragen von Ohrenschützern. In seltenen Fällen ist ein Tinnitus eine Nebenwirkung von Medikamenten wie beispielsweise Antidepressiva oder Blutdrucksenkern. Hier hilft eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.
Weitere Informationen: