Statement von Monika Otte – Kinderkrankenschwester und Lehrerin für Pflegeberufe: Kinderkrankenpflege-Ausbildung vor dem Aus – Was sagen die Betroffenen?
Als Kinderkrankenschwester und Lehrerin für Pflegeberufe aus Marburg habe ich am 9.12.2015 eine Petition zum Erhalt der eigenständigen Kinderkrankenpflege-Ausbildung beim Deutschen Bundestag eingereicht. Ich wollte dem Sterben meines Berufes nicht tatenlos zusehen, als die Bundesregierung Ende November 2015 den Entwurf des neuen Pflegeberufegesetzes veröffentlichte.
Das Quorum wurde am 25.1.2016 erfolgreich mit 80.326 Mitzeichnern erreicht. Die Anzahl der Mitzeichner stieg bis zum 22.3.2016 auf 149.458. Über 20 Fach- und Elternverbände haben sich hinter das Anliegen der Kinderkrankenpflege gestellt.
Grundsätzlich bin ich für die Akademisierungsmöglichkeit des Pflegeberufes, was durch die Reform erneuert werden soll. Zukünftig sollen Studierende einen Bachelor-Grad über ein dreijähriges Studium an einer Fachhochschule erlangen können. Dies entspricht einer Angleichung im europäischen Umfeld und unterstützt die wissenschaftliche Entwicklung innerhalb des Pflegeberufes, insbesondere für die Bereiche Pflegemanagement, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft. Allerdings wird der größte Anteil der Pflegenden nach wie vor über eine dreijährige Ausbildung die Qualifikation erreichen.
Die von den Befürwortern des Pflegeberufegesetzes verfolgte Absicht, insbesondere die Altenpflege im Sinne der Gleichwertigkeit zu anderen Pflegeberufen aufzuwerten und die Ausbildungsfinanzierung zu vereinheitlichen, unterstütze ich ebenso. Allein die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft erfordert den Ausbau der Altenpflege, damit auch in Zukunft pflegebedürftige alte Menschen gut versorgt werden können.
Deutliche Kritik äußere ich allerdings am Zusammenlegen aller drei Pflegeausbildungen zu einer generalisierten Pflegefachkraft. Qualitätseinbußen hat es schon mit dem aktuellen Krankenpflegegesetz von 2003 für die Kinderkrankenpflege gegeben, weil Schulträger die integrierte Phase der Ausbildung (Gesundheitsthemen für Menschen aller Altersstufen) gemeinsam anbieten, wodurch häufig Kind-spezifische Inhalte verloren gehen. Außerdem gehen notwendiges Fachwissen und die berufliche Handlungsfähigkeit für die Kinderkrankenpflege
verloren, so dass das breite Spektrum der pflegerischen Versorgung vom Frühgeborenen bis zum Jugendlichen nicht mehr ausreichend abgedeckt werden kann.
Wie soll in Zukunft eine generalistisch ausgebildete Pflegefachkraft in der Lage sein, den Gesundheitszustand eines Frühgeborenen einzuschätzen? Ein Gähnen des Kindes könnte als Müdigkeitszeichen gewertet werden, wohingegen es ein eindeutiges Stresssignal des Kindes sein kann.
Wie wird sie die Eltern im feinfühligen Wahrnehmen der kindlichen Signale anleiten können, damit die Voraussetzungen für eine sichere Bindungsentwicklung geschaffen werden? Wie wird zukünftig eine Pflegefachkraft die Assistenz bei einer Blutentnahme an einem Kleinkind durchführen? Sie hat die Aufgabe, das Kind auf eine gute Art und Weise abzulenken, es sicher zu halten, damit der Arzt die Venenpunktion durchführen kann. Gleichzeitig muss sie den Eltern Sicherheit vermitteln. Wie wird eine Pflegefachkraft den Konflikt zwischen einen jugendlichen Diabetiker und seinen Eltern begleiten können, bei dem es darum geht, die Selbständigkeit und Verantwortung des
Jugendlichen für seine Gesundheit zu stärken? Wie werden Eltern zukünftig begleitet werden, die schon bei der Diagnosestellung erfahren müssen, dass ihr Kind an einer lebensverkürzenden Erkrankung leidet und die Versorgung durch eine palliative Begleitung nötig ist?
Dies sind einige Fragen, die verdeutlichen, wie der jeweilige Entwicklungsbedarf des Kindes die Gesundheits- bzw. Krankheitsthemen maßgeblich beeinflusst und die Spezifität der Kinder- und Jugendmedizin berücksichtigt werden muss. Das Vorhaben der Bundesregierung aber würde eine entsprechende fachliche Weiterbildung für
die Kinderkrankenpflege erst nach dem Examen erfordern.
Vorstellung der Ergebnisse der Befragung zur Kinderkrankenpflege-Ausbildung
Forderungen, um die notwendige Qualität in der Kinderkrankenpflege-Ausbildung zu
sichern:
- Absicherung der Qualifikation durch eine eigene Berufsbezeichnung:
Kinderpflegefachkraft.- Die Hälfte der theoretischen Ausbildung muss spezialisiert sein auf Kinder:
Gesundheitsthemen: 350 Std., insbesondere zur kindlichen Entwicklung, Spezifität des
jeweiligen Kindesalters, z.B. Schlaf, Ernährung, Bewegung u.a.
Krankheitsthemen: 700 Std. (500 im differenzierten Teil und 200 zur freien Verfügung)- Zwei Drittel der praktischen Ausbildung sollten in kinder- und jugendmedizinischen
Einrichtungen erfolgen.http://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/03_Statement_Monika_Otte.pdf
Statement der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin zur Kinderkrankenpflege
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin als wissenschaftliche Fachgesellschaft der Pädiatrie setzt sich für die Erhaltung der Kinderkrankenpflege in Deutschland ein. Wir unterstützen daher die Petition von Frau Otte nachdrücklich. Uns Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten geht es um das Wohl unserer kleinen Patienten und ihrer Eltern. Und dieses sehen wir durch das anstehende Pflegeberufereformgesetz bedroht.
Kinder sind eben keine kleinen Erwachsenen, sondern zeigen ja nach Entwicklungsstufe unterschiedliche körperliche Reaktion auf unterschiedliche krankheitsspezifische Einschränkungen. Und die Betreuung der Eltern ist nicht auf einfaches „Krankheiten erklären“ reduziert, sondern dazu gehört ein umfassendes Hintergrundwissen und viel Empathie.
Arzneimittel bis zu 90% off label angewendet. Als Beispiel seien hier nur die Besonderheiten in der Entwicklung von Kindern, Wachstum und die Therapie mit Arzneimitteln (bis zu 90% off label – ohne ZuLassung) hinzuweisen. Diese körperlichen und psychischen Reaktionen zu sehen, richtig zu deuten und in der Pflege angemessen damit umzugehen, ist die Herausforderung einer guten Pflege für Kinder. Denn dies ist das Ziel unserer Bemühungen: eine gute medizinische Versorgung für unsere Patienten, die ohne eine gute Pflege nicht denkbar ist.
Teamwork. Die medizinische Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin im stationären Umfeld erfolgt schon seit langer Zeit im Team. Dabei ist die Kinderkrankenschwester (weniger häufig der Kinderkrankenpfleger) die wichtigste Partnerin für den Kinderarzt/die -ärztin. Die Pflegeperson ist diejenige, die den engsten und zeitlich intensivsten Kontakt zum Patienten und seinen Eltern unterhält und dem ärztlichen Part wichtige Beobachtungen mitteilen kann, die sie bei der Pflege gewinnt.
Als Beispiel sei hier nur die Mutter-Kind-Interaktion genannt. Um diese verantwortungsvolle und anspruchsvolle Aufgabe auszufüllen, muss das Pflegepersonal aber hinreichend qualifiziert und vorbereitet werden und zwar sowohl in der praktischen als auch in der theoretischen Ausbildung. Gerade die Theorie in der Kinderkrankenpflege-Ausbildung vermittelt das Wissen zur Funktion des menschlichen Organismus und seiner Ausprägungen und Veränderungen in den verschiedenen Entwicklungsstufen, angefangen vom Säugling bis zum Jugendlichen.
Diese Expertise müssen die jungen Auszubildenden, die anschließend in der Kinder-Krankenpflege tätig werden, während der Ausbildung erhalten. Die praktische Ausbildung schließlich qualifiziert im Klinikalltag für die verschiedenen Aufgaben der Pflege von kranken Kindern aller Altersstufen, vom Frühgeborenen und Säugling bis zum Jugendlichen. Die
DGKJ hat mit anderen Verbänden einen Kompromissvorschlag erarbeitet, wie die Kinderkrankenpflege im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfs für eine generalistische Pflegeausbildung trotzdem erhalten werden könnte. Hier geht es um wenige Änderungen im Gesetzestext, die eine Fortführung der Kinderkrankenpflege auch in einer generalistischen Ausbildung gewährleisten würde: Eine eigene Berufsbezeichnung und eine Verpflichtung der Ausbildungsträger gegenüber den Auszubildenden, die sich für die Vertiefung in der Kinderkrankenpflege entscheiden, die notwendige Spezialisierung in der praktischen und theoretischen Ausbildung zu gewährleisten.