Montag, April 22, 2024

Kardiologie und Herzchirurgie: enge Zusammenarbeit notwendig

Kardiologie und Herzchirurgie müssen zusamenarbeiten. Die enge und gute Kooperation zwischen Herzchirurgen und Kardiologen wird immer wichtiger.

Die Zukunft gehört dem „Heart Team“ aus Kardiologie und Herzchirurgie. In solchen multiprofessionellen Teams treffen Kardiologen und Herzchirurgen – bei Bedarf gemeinsam mit weiteren medizinischen Fachrichtungen – relevante therapeutische Entscheidungen für Herzpatienten. Zum Beispiel, wenn es um die Frage geht, ob ein Patient herzchirurgisch oder interventionell-kardiologisch behandelt werden soll.



 

Vereinfacht gesagt liegt der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Vorgangsweisen im Zugang. Denn während Herzchirurgen offen, also bei geöffnetem Brustkorb und unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine operieren, nähern sich interventionelle Kardiologen dem Herzen schonend mit dem Herzkatheter, in der Regel über die Blutgefäße.

Wobei die Grenzen bereits ein wenig verschwimmen. Einerseits finden in der Herzchirurgie auch immer öfter minimalinvasive Methoden Anwendung. Andererseits gibt es auch Katheter-Interventionen, bei denen der Herzmuskel sozusagen angestochen werden muss.

 

Kardiologie mit Stent oder Herzchirurgie mit Bypass?

Bei zahlreichen Problemstellungen bieten Kardiologie und Herzchirurgie unterschiedliche Lösungsansätze. Zum Beispiel im Fall von verschlossenen Herzkranzgefäßen. Diese werden von der interventionellen Kardiologie mit einem Stent behandelt, der mittels Herzkatheter über die Blutgefäße an seinen Bestimmungsort gebracht und in das zuvor aufgedehnte Herzkranzgefäß geschoben wird.

Die Herzchirurgie löst das Problem mittels Bypass-Operation. Dabei wird das verschlossene Gefäß mit einem zuvor aus dem Bein entnommenen Stück einer Vene überbrückt (Venen-Craft).

Beide Methoden haben ihre Besonderheiten, Vor- und Nachteile. Im Heart Team werden solche Fälle besprochen und jene Lösung gewählt, die für den individuellen Patienten die beste ist.



Typische Kandidaten für eine Bypass-Operation sind beispielsweise Patienten mit mehreren Gefäßverschlüssen (Mehrgefäßerkrankung), bei denen alternativ mehrere Stents gesetzt werden müssten, um eine adäquate Blutversorgung des Herzmuskels sicherzustellen.

Studien haben auch gezeigt, dass herzkranke Diabetiker von einem Bypass mehr profitieren als von einer Stent-Versorgung. Im Gegensatz dazu ist der Stent bei allen unkomplizierten Patienten vorzuziehen, weil seine Implantation deutlich weniger belastend ist als eine Herzoperation.

 

Chirurgische Klappe oder TAVI?

Ein weiterer Berührungspunkt zwischen interventioneller Kardiologie und Herzchirurgie ist die Implantation künstlicher Herzklappen, insbesondere der Aortenklappe. Hier bietet seit einigen Jahren die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) eine immer häufiger angewandte Alternative zum chirurgischen Klappenersatz.

TAVI ist inzwischen ein etabliertes Verfahren zur Behandlung der Aortenklappen-Stenose bei inoperablen Patienten und bei Patienten mit sehr hohem Operationsrisiko. Laut aktuellen deutschen Registerdaten (AQUA) hat TAVI auch bei Patienten mit mittlerem Risiko ein niedrigeres Mortalitätsrisiko als die konventionelle Operation. Ob eine TAVI bei Patienten mit mittlerem Risiko generell empfohlen werden kann, muss allerdings noch durch große, randomisierte Studien bestätigt werden.

Auch hier sollte kein Konkurrenzverhältnis zwischen den Fachrichtungen gesehen werden. Vielmehr muss im Heart Team für den individuellen Patienten die richtige Lösung gefunden werden.

Hierzu gilt eine Faustregel. Ältere und kränkere Patienten erhalten eher eine TAVI, weil man ihnen den Eingriff am offenen Herzen ersparen möchte. Jüngere, gesündere Patienten bekommen eher die chirurgische Klappe, weil bei ihnen mit einer hohen Lebenserwartung gerechnet werden kann. Und zur TAVI noch die Langzeitdaten fehlen.



 

Österreichisches Schockweste-Register: Bei jedem zweiten muss kein Defi implantiert werden

Von großer Bedeutung für den klinischen Alltag sind die Daten aus dem österreichischen Register zur Schockweste (Wearable cardioverter defibrillator – WCD). Dabei handelt es sich um einen Defibrillator, der in einer Weste getragen wird und im Falle lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen mittels Stromstoß den physiologischen Herzrhythmus wiederherstellt. Dieses Gerät bietet sich für Patienten an, bei denen nicht sicher ist, ob sie langfristig einen implantierbaren Defibrillator (ICD) benötigen werden.

Die Registerdaten zeigen, dass die WCD-Schockweste sicher ist. Und dass bei rund der Hälfte der Patienten keine ICD-Implantation erforderlich wurde. Besonders bei Patienten mit Herzmuskelentzündung erholte sich das Herz in der großen Mehrzahl der Fälle.

 

Acute PCI Registry: Blutgerinnungs-Hemmer vor Herzinfarkt-Eingriff möglichst früh geben

Ebenfalls bedeutsam für die klinische Praxis sind Ergebnisse aus dem Austrian Acute PCI Registry, in dem Patienten erfasst werden, die wegen eines Herzinfarktes mit dem Herzkatheter behandelt wurden.

Ein Forscherteam stellte die Frage, ob es sich auch in Zeiten der neuen, wirksameren Blutgerinnungshemmer P2Y12 Rezeptor-Inhibitoren bezahlt macht, diese vor dem Eingriff möglichst früh zu geben. Die Antwort lautete: ja. Ebenso wie mit dem älteren Clopidogrel reduzierte der frühe Einsatz der neuen Substanzen die Sterblichkeit im Krankenhaus.




Literatur:

Odeneg T, Ebner C, Mörtl D, Keller H, Dirninger A, Stix G, Föger B, Grimm G, Steinwender C, Gebetsberger F, Stühlinger M, Mastnak B, Haider C, Manninger M, Scherr D. Indications for and outcome in patients with the wearable cardioverter-defibrillator in a nurse-based training programme: results of the Austrian WCD Registry. Eur J Cardiovasc Nurs. 2019 Jan;18(1):75-83. doi: 10.1177/1474515118790365. Epub 2018 Aug 1.

Dörler J et al. Pre-treatment with potent P2Y12 receptor inhibitors is associated with reduced in-hospital mortality in a real world setting of primary percutaneous coronary intervention. Conference: ESC, At Rome, Volume: 37. Wiener klinische Wochenschrift 128:S229-S230 · May 2016.

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