Hausarzt bleibt für Patienten das Zukunftsmodell: Drei von vier Österreichern teilen die Sorgen der Ärzte, 60 % können mit Primary-Healthcare-Center nichts anfangen.
Österreichs Gesundheitssystem wird weiter „krankgespart“. Das zeigt sich nicht nur bei den aktuellen Missständen in den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbunds. Es bemerken auch die Patienten: Drei von vier Österreichern teilen die Sorgen der Ärztinnen und Ärzte – 45 Prozent antworten darauf sogar mit „sehr“. In Wien, wo erst kürzlich ein Warnstreik stattgefunden hat, haben sogar 53 Prozent der Patienten sehr großes Verständnis – und starke 75 Prozent teilen die Befürchtungen der Ärzteschaft. ****
Das sind zwei Hauptergebnisse einer im Auftrag der Wiener Ärztekammer vom 20. September bis 4. Oktober 2016 durchgeführten Meinungsumfrage.
Von der Ärztekammer beauftragt wurde das Meinungsforschungsinstitut Peter Hajek Public Opinion Strategies, das insgesamt 1000 Österreicher telefonisch befragt hat. „Die Umfrageergebnisse zeigen klar, wie breit inzwischen die Kluft zwischen den Bedürfnissen der Bürger und den Maßnahmen der Gesundheitspolitik geworden ist. Politik und Sozialversicherungen agieren immer mehr und immer offensichtlicher an den Wünschen und Überzeugungen der Patienten vorbei“, fasst Johannes Steinhart, Vizepräsident und Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte der Ärztekammer für Wien sowie der Österreichischen Ärztekammer, die Ergebnisse zusammen.
Der Politik ist es bisher trotz aller Bemühungen nicht gelungen, der Bevölkerung ihr rundum problematisches Primary-Healthcare-Center-Konzept schmackhaft zu machen. 60 Prozent der Österreicher können mit dem Begriff nichts anfangen oder wissen nicht genau, was das überhaupt sein soll. „Noch ist das Wissen der Patienten über Primary-Healthcare-Center schwach ausgeprägt. Im Fall der Fälle vertraut man aber in dieser Frage mehrheitlich der Ärztekammer“, erklärt Peter Hajek von Public Opinion Strategies. Demnach vertraut hier nur jeder Fünfte (22 Prozent) dem Gesundheitsministerium – der Ärztekammer hingegen vertraut mit 51 Prozent der Befragten jeder Zweite.
Gesundheitsgipfel gefordert – Mehr Ärzte für Österreich
Ein noch höheres Vertrauen hat nur einer: Nahezu alle Befragten empfinden den klassischen Hausarzt als extrem wichtig und stimmen mit 95 Prozent zu, dass dieser unbedingt erhalten bleiben müsste. „Für die Patienten sind und bleiben unsere Hausärzte die Zukunft“, so Steinhart. „Das ist ein massives Abmahnen all jener Akteure im Gesundheitswesen, die den Hausarzt als Auslaufmodell sehen und von Versorgungszentren ohne freie Arztwahl schwärmen.“
Die Patienten sind sich sicher, dass es sogar viel mehr Hausärzte bräuchte: 70 Prozent sehen einen dringenden Bedarf bei den Allgemeinmedizinern, nur 17 Prozent sind anderer Meinung. Die Forderung nach mehr Fachärzten wird ebenso eindeutig unterstützt: Für 72 Prozent braucht es viel mehr Fachärzte, nur 16 Prozent stimmen dem weniger zu.
„Dieses Ergebnis ist eindeutig und klar. Die Patienten wünschen sich mehr niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Der Hausarzt ist dabei fast schon sakrosankt. So einen Vertrauensvorschuss würden sich Unternehmen oder öffentliche Institutionen nur wünschen“, verdeutlicht Hajek. Die langjährige Forderung der Ärztekammer nach zusätzlich 1400 Kassenärzten, davon 300 in Wien, wird dadurch noch einmal bekräftigt.
Das ist ein klarer Auftrag, sich auch weiterhin politisch für den Ausbau und die Weiterentwicklung des niedergelassenen Bereichs einzusetzen. Das Konzept der Ärztekammer „Primärversorgung 2020“ liegt seit Februar dieses Jahres vor und behält seine Gültigkeit. Es sieht neben den klassischen Hausärzten auch mehr Gruppenpraxen, erweiterte Gruppenpraxen sowie eine optimale Vernetzung zwischen diesen Leistungsanbietern vor.
Um dies schnellstmöglich umzusetzen, bleibt die Forderung an Bundeskanzler Christian Kern nach einem institutionenübergreifenden Gesundheitsversorgungsgipfel mit allen Stakeholdern. Krankenkassen, der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, die Ministerien für Gesundheit, Wissenschaft und Finanzen bis hin zu den Landesregierungen und regionalen Spitalserhaltern müssten an einen Tisch.
„Kerns lapidare Antwort auf unseren Wunsch nach einem Gipfel, für solche Themen sei nun einmal das Gesundheitsministerium zuständig, greift zu kurz: Gesundheitsversorgung ist ein ebenso wichtiges wie umfassendes Thema, es muss endlich zur Chefsache werden“, so Steinhart mit Blick auf das Gesundheitsbarometer, das einen Gesprächsbedarf augenscheinlich macht. (lsd)
Quelle: http://www.aekwien.at