Samstag, November 1, 2025

Gefäßchirurgen: Ein Hosengürtel genügt – wie man Unfallopfer vor dem Verblutungstod rettet

Blutung abbinden kann nach Unfall, Explosion oder Terroranschlag Leben retten, Gefäßchirurgen raten, Abbinden in Erste-Hilfe-Kursen zu lehren.

Unter dem Strich stirbt mindestens ein Drittel aller Unfallopfer durch Verbluten. Dabei ist es für unbeteiligte Zeugen einfach, eine lebensbedrohliche Blutung an Armen oder Beinen zu stoppen – das Abbinden mit einem Hosengürtel eine Handbreit über der Wunde kann Leben retten. Experten der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) fordern daher, Blutungsstillung in Erste-Hilfe-Kurse aufzunehmen. Abbinde-Geräte, sogenannte Tourniquets, gehören auch in jeden Erste-Hilfe-Kasten, erläutern Gefäßchirurgen.

 

Deutsche Gefäßchirurgen schlagen vor, Tourniquets in der Ersten Hilfe und in der Laienrettung zu etablieren

Ob in Würzburg, München und Ansbach im Jahr 2016 oder in Hamburg in 2017 – bei all diesen Anschlägen gab es Opfer, die einer ungestillten Blutung erlagen. „Die unkontrollierte, lebensbedrohliche Blutung ist nach wie vor die Haupttodesursache bei schwerverletzten Patienten sowohl im zivilen als auch im militärischen Umfeld“, sagt Dr. med. Daniel Hinck, Stellvertretender Klinikdirektor Klinik II am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. „Dies gilt für kriegerische Auseinandersetzungen, aber auch etwa für Unfälle im Straßenverkehr“, fügt der Gefäßchirurg und Oberfeldarzt hinzu.

Bisher liegen noch nicht genügend Untersuchungen vor, um die Zahl der Menschen zuverlässig beziffern zu können, die durch adäquate medizinische Versorgung – etwa durch das Abbinden der Verletzung – vor dem Verblutungstod gerettet werden könnten. „Wir gehen aber davon aus, dass eine unkontrollierte Blutung in 50 Prozent der Fälle die Ursache für den Tod eines Soldaten ist“, berichtet Hinck. Für schwerstverletzte Unfallopfer in der Zivilbevölkerung wird diese Quote bei 33 bis 56 Prozent angesetzt.

Um die Versorgung von Gefäßverletzungen zu verbessern, hat die DGG 2013 die Kommission für Katastrophenmedizin und Gefäßtraumatologie gegründet. Sie widmet sich zusammen mit anderen medizinischen Gesellschaften unter anderem der bundesweiten Verbreitung von Abbinde-Systemen, sogenannten Tourniquets. „Ziel ist, die Tourniquets in der Ersten Hilfe und in der Laienrettung zu etablieren. Im deutschen Rettungswesen, bei polizeidienstlichen Kräften und im deutschen Militär sind diese schon fast flächendeckend verbreitet, auch bei der Deutschen Bahn und Bundespolizei“, erläutert Hinck.

 

Nur wenige Minuten Zeit: Oberhalb der Wunde abbinden, bis es schmerzt

Unabhängig davon kann jeder Bürger, der Zeuge eines Unfalls wird, einen Verblutungstod an Armen oder Beinen verhindern – auch wenn kein Tourniquet zur Stelle ist. „Man muss sich einfach nur ein Herz fassen und einen Gürtel oder ein Stück Laken eine Handbreit oberhalb der Blutung so fest zu ziehen, bis die Blutung stoppt“, erklärt Gefäßchirurg Hinck. Angst, bei dem Abbinde-Manöver etwa Nerven des Unfallopfers zu verletzen, braucht der Hilfeleistende nicht zu haben. „Die Befürchtung ist unbegründet“, versichert Hinck. Was aber sehr wohl zählt, ist Zeit. „Es bleiben mitunter nur Minuten, um einen Verblutungstod zu verhindern“, betont Hinck.

Der DGG-Experte plädiert deshalb dafür, das Abbinden von Blutungen mit Tourniquets regulär in allen Erste-Hilfe-Kursen zu schulen. „Wer den Führerschein macht, sollte nicht nur die stabile Seitenlage kennen, sondern auch wissen, wie man eine lebensbedrohliche Blutung an Armen und Beinen stillt“, so Hinck. „Darüber hinaus gehört ein Tourniquet in jeden Erste-Hilfe-Kasten im Kofferraum“, ergänzt Professor Dr. med. Dittmar Böckler, Präsident der DGG.

Welche neuen Erkenntnisse es zur Versorgung schwerer Gefäßverletzungen gibt, erläutern Experten auf der Pressekonferenz anlässlich der 35. Jahrestagung der DGG in Mannheim. Programm und Akkreditierungsmöglichkeit finden Sie unten stehend.


Quelle:

Deutsche Gesellschaft für Gefaesschirurgie und Gefäßmedizin: www.gefaesschirurgie.de

Latest Articles

Folgt uns auf Facebook!

Fokus Kinder

Behandlung mittels Psychotherapie bei jungen Menschen mit Depression

Psychotherapie wie die kognitive Verhaltenstherapie sollte die erste Behandlung bei jungen Menschen mit Depression sein. Und erst später Medikamente. Laut einer rezenten australischen Studie sollte...
- Advertisement -

Related Articles

Depressionen bei Kindern und im Jugendalter erkennen

Traurigkeit ist häufig ein Anzeichen für Depressionen bei Kindern: Bis zu 2,5 Prozent der Kinder und bis zu 8,3 Prozent im Jugendalter leiden daran,...

Fieber bei Kindern muss man erst senken, wenn das Kind dadurch leidet

Wenn die Temperatur stark steigt, dann hilft das oft gegen Krankheitserreger. Wobei man Fieber bei Kindern nicht senken muss, solange das Kind nicht darunter...

Enuresis – beim Einnässen von Kindern an alles denken

Prinzipiell muss man zwischen der klassischen Enuresis und der nicht organischen und organischen Harninkontinenz unterscheiden. Beim Einnässen von Kindern muss man zwischen erstens der klassischen Enuresis,...