Donnerstag, November 6, 2025

Fliegenlarven zur Wundheilung: sie fressen als Mikrochirurgen totes Gewebe und wirken damit antimikrobiell

Fliegenlarven fressen als eine Art Mikrochirurgen totes Gewebe, wirken damit antimikrobiell und unterstützen so die Wundheilung.

Der Einsatz von Fliegenlarven zur Wundheilung ist keine neue Erfindung. Die Wirksamkeit der Larventherapie wurde bereits während der Kriege Napoleons beobachtet: So stammen aus dieser Zeit Aufzeichnungen eines Chirurgen, der beobachtete, dass Soldaten bessere Überlebenschancen hatten, wenn sie nach einer Verwundung länger auf dem Schlachtfeld gelegen hatten. Denn dort sammelten sich die Fliegenlarven der »blauen Fliege« und begannen ihr hilfreiches Werk für die Verwundeten, indem sie das tote Gewebe der Wunden aufzufressen begannen.

Etwa 100 Jahre später haben US-amerikanische Ärzte während des ersten Weltkrieges die wissenschaftliche Grundlage der modernen Larventherapie geschaffen. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen dokumentierten die Wirkung der Fliegenlarven. Mit der zunehmenden Verbreitung des Penicillins, das einfacher in der Anwendung war, geriet allerdings die Verwendung von Fliegenlarven wieder in Vergessenheit.

Heute ist die starke Zunahme von multiresistenten Keimen ein Grund, warum die als vermeintliches Ungeziefer angesehenen Fliegenlarven als Alternative zu Antibiotika wieder ein willkommener und schonender Helfer bei der Versorgung hartnäckiger, schmerzhafter Wunden ist.

 

Fliegenlarven sind Spezialisten für schlecht heilende Wunden

50 bis 300 Fliegenlarven der sogenannten Goldfliege (Lucilia sericata) – einer Fliegenart, die ausschließlich abgestorbenes Gewebe frisst – werden in einem teebeutelartigen Behältnis gesammelt und auf eine chronische, offene Wunde gelegt. Nun geben die Fliegenlarven durch ein feines Netz ein Sekret ab, das totes Gewebe verflüssigt. Dies wird anschließend von den Tieren aufgesaugt. Dr. Mona Bidier, Fachärztin an der Hautklinik des Universitätsklinikums Heidelberg, sieht mehrere Vorteile in dieser Methode: „Das Verfahren ist weniger schmerzhaft als chirurgische Eingriffe – und es ist besonders geeignet bei Wunden, die von multiresistenten Keimen besiedelt sind, denn das Verdauungssekret der Larven reduziert die Keimbelastung.“ Einziger Nachteil dieser Therapieoption: „Man muss etwas mehr Geduld haben, es dauert circa vier bis zwölf Tage, bis deutliche Erfolge zu sehen sind.“

 

Alternative zur Chirurgie

In chronischen Wunden ist der geordnete Ablauf der Wundheilung gestört. Damit Wunden von Patienten – beispielsweise mit Druckgeschwüren (Dekubitus), offenen Beinen (venöser Insuffizienz) oder auch diabetischem Fuß – heilen können und eine Infektion des umliegenden Gewebes verhindert wird, muss infiziertes oder abgestorbenes Gewebe entfernt werden. Der schnellste Weg ist das sogenannte chirurgische Débridement, das jedoch schmerzhaft und nur bei ausreichend durchblutetem Gewebe erfolgreich ist. Bei schwierigen Fällen können die Fliegenlarven mit ihren Verdauungssäften einspringen – und damit eine Behandlung an kniffeligen Stellen bei geringerer Gabe von Schmerzmitteln und Antibiotika ermöglichen.

Wundbehandlung in der Universitäts-Hautklinik Heidelberg © Universitätsklinikum Heidelberg
Wundbehandlung in der Universitäts-Hautklinik Heidelberg © Universitätsklinikum Heidelberg

Für Patienten ist die Larventherapie zunächst etwas gewöhnungsbedürftig – und sie haben vor allem zwei Befürchtungen: Tut das weh? Und: Können die Larven sich in der Wunde vermehren? „Es kann etwas kribbeln“, sagt Dr. Mona Bidier, weswegen Patienten auf Wunsch zusätzlich ein Schmerzmittel bekommen. Eine Vermehrung der Tiere ist ausgeschlossen, denn dazu müssten sich die Larven verpuppen und sich zu ausgewachsenen Fliegen entwickeln. Nach maximal vier Tagen sind die Larven bis zu 12 mm groß, ein Behandlungszyklus gilt als abgeschlossen und die kleinen Helfer werden bei Bedarf durch einen Beutel mit neuen, hungrigen Nachfolgern ersetzt  – da reicht die Zeit zur Verpuppung oder gar zur Fortpflanzung nicht.


Quelle:

Die Universitäts-Hautklinik Heidelberg bietet Larventherapie an, um Wunden von abgestorbenem Gewebe zu befreien. Die Fliegenlarven der Goldfliege fressen dabei nur totes Gewebe, das Verfahren wirkt antimikrobiell und ist bei chronischen, offenen Wunden schonender und weniger schmerzhaft als chirurgische Eingriffe.

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