Dienstag, November 4, 2025

Digitale Bildgebung in der Augenheilkunde

Digitale Bildgebung in der Augenheilkunde ermöglicht heute nicht nur die optisch gute Darstellung von Hornhaut, Vorderkammerstrukturen, Linse, Netzhaut und Sehnerv.

Nach der Radiologie ist die Augenheilkunde das Fach mit der meisten diagnostischen Bildgebung. In den vergangenen Jahren sind die Aufnahmemöglichkeiten verfeinert worden, die digitale Bildgebung ist weit vorangeschritten. Hornhaut, Vorderkammerstrukturen, Linse, Netzhaut und Sehnerv etwa lassen sich mittels hochauflösender Bildgebung nicht nur optisch gut darstellen. Vielmehr können eine Vielzahl quantitativer Parameter aus diesen Bildern generiert werden. Die Komplexität dieser Diagnostik schreitet in einem Maß voran, dass die Interpretation der Bildgebung durch den Arzt in der Routineversorgung kaum mithalten kann. Der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Auswertung solcher großer Bilddatenmengen bietet riesige Potenziale. Algorithmen wie Machine Learning und Deep Learning sind in der Lage, Merkmale aus einer großen Menge Bilddaten auszulesen und für weitere Auswertungen verfügbar zu machen. Eine Vernetzung dieser Systeme mit Informationen aus elektronischen Akten oder weiteren Daten im Gesundheitssystem bietet einen noch größeren Erkenntnisgewinn und kann durch eine Optimierung komplexer, klinischer Entscheidungsprozesse maßgeblich zur Qualitätsverbesserung in der Patientenversorgung und Beschleunigung von Routineaufgaben beitragen. Machine Learning ist der Oberbegriff für die künstliche Generierung von Wissen aus Erfahrung. Das System erkennt Muster und Gesetzmäßigkeiten in Lerndaten und kann das Erlernte nutzen, unbekannte Daten zu beurteilen. Deep-Learning-Systeme ermöglichen durch neuronale Netze eine völlig neue Qualität von Anwendung künstlicher Intelligenz in der Medizin. Im Bereich der Hornhaut kann durch Deep-Learning-Algorithmen eine Früherkennung von Verformungen (Ektasien), wie sie zum Beispiel beim Keratokonus auftreten, ermöglichen. Ein Fortschreiten der Erkrankung, was sich an äußeren Anzeichen noch nicht wirklich bemerkbar macht, kann ebenfalls problemlos erkannt werden. Auch Fragen zum OP-Erfolg einer Hornhauttransplantation (Anheften der transplantierten Schicht bei der hinteren Teiltransplantation) lassen sich mittels Deep-Learning-Algorithmen untersuchen. Im Bereich der Glaukombildgebung können durch immer hochauflösendere Bilduntersuchungstechniken anatomische Kleinststrukturen zum Beispiel im Bereich der retinalen Nervenfaserschicht analysiert werden. Veränderungen des Sehnervenkopfes können messtechnisch erkannt werden, bevor sie funktionelle Gesichtsfeldausfälle verursachen, das heißt, man kann einen Glaukomschaden erkennen und therapieren, bevor er einen für den Patienten wahrnehmbaren Schaden verursacht. Im Rahmen der altersabhängigen Makuladegeneration konnten in mehreren Studien sowohl bei Fundusautofluoreszenzbildern als auch bei Schnittbildern der optischen Koherenztomografie (OCT) die Diagnose einer AMD sicher gestellt werden und die Notwendigkeit einer Therapieeinleitung mit höherer Verlässlichkeit festgestellt werden als durch den Arzt in der Routineversorgung. Die automatisierte Analyse von Netzhautfotografien zur Früherkennung der diabetesbedingten Netzhauterkrankungen funktioniert sehr gut und kann nicht nur gesunde Augen von diabetischen Veränderungen unterscheiden. Vielmehr konnten die diabetischen Veränderungen in mild, moderat, schwer und proliferativ eingeteilt werden und eine Unterscheidung in therapiebedürftige und nicht therapiebedürftige Befunde getroffen werden. Deep-Learning-Algorithmen können aber auch Hinweise auf allgemeine Gesundheitsmerkmale geben: Nach Analyse der Netzhautbilder von fast 300 000 Patienten konnte eine neu entwickelte „Artificial-Intelligence-Software“ Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand eines Patienten ermöglichen, wie zum Beispiel das individuelle Alter, den Blutdruck, Vorliegen eines Diabetes und auch die wichtige Unterscheidung zwischen Raucher und Nichtraucher abzuleiten. Aus der Gesamtheit der Daten errechnet die Heuristik dann das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse. Der Fortschritt in der künstlichen Intelligenz in Kombination mit zunehmender Verbesserung von Auflösung und Aufnahmetechnik digitaler Bildgebung wird in Zukunft bei Screening und Früherkennungsuntersuchungen einen noch höheren Stellenwert einnehmen.

Literatur:

1. Current state and future prospects of artificial intelligence in ophthalmology: a review; Hogarty DT, Mackey DA, Hewitt AW; Clin Exp Ophthalmol. 2018 Aug 28.

2. Deep Learning in der Augenheilkunde; Eter N; Ophthalmologe. 2018 Sep;115(9):712-713.

3. Clinically applicable deep learning for diagnosis and referral in retinal disease; De Fauw J, Ledsam JR, Romera-Paredes B, Nikolov S, Tomasev N, Blackwell S, Askham H, Glorot X, O’Donoghue B, Visentin D, van den Driessche G, Lakshminarayanan B, Meyer C, Mackinder F, Bouton S, Ayoub K, Chopra R, King D, Karthikesalingam A, Hughes CO, Raine R, Hughes J, Sim DA, Egan C, Tufail A, Montgomery H, Hassabis D, Rees G, Back T, Khaw PT, Suleyman M, Cornebise J, Keane PA, Ronneberger O; Nat Med. 2018 Sep;24(9):1342-1350.

4. Deep Learning and Its Applications in Biomedicine; Cao C, Liu F, Tan H, Song D, Shu W, Li W, Zhou Y, Bo X, Xie Z; Genomics Proteomics Bioinformatics. 2018 Feb;16(1):17-32.

5. Deep Learning und neuronale Netzwerke in der Augenheilkunde; Treder M; Eter N; Ophthalmologe. 2018 Sep;115(9):714–721.

6. A Deep Learning Algorithm for Prediction of Age-Related Eye Disease Study Severity Scale for Age-Related Macular Degeneration from Color Fundus Photography; Grassmann F, Mengelkamp J, Brandl C, Harsch S, Zimmermann ME, Linkohr B, Peters A, Heid IM, Palm C, Weber BHF; Ophthalmology. 2018 Sep;125(9):1410-1420.

7. Fully Automated Detection and Quantification of Macular Fluid in OCT Using Deep Learning; Schlegl T, Waldstein SM, Bogunovic H, Endstraßer F, Sadeghipour A, Philip AM, Podkowinski D, Gerendas BS, Langs G, Schmidt-Erfurth U; Ophthalmology. 2018 Apr;125(4):549-558.

8. Automated Grading of Age-Related Macular Degeneration From Color Fundus Images Using Deep Convolutional Neural Networks; Burlina PM, Joshi N, Pekala M, Pacheco KD, Freund DE, Bressler NM; JAMA Ophthalmol. 2017 Nov 1;135(11):1170-1176.


Quelle:

Statement »Blutdruck, Diabetes, AMD, Glaukom – Was digitale Bildgebung am Auge alles erkennen kann« – Professor Dr. med. Nicole Eter, Präsidentin der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG); Direktorin der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Münster zum 116. Kongress der DOG, September 2018, Bonn

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