Donnerstag, April 18, 2024

Autonome Adenome – gutartiger Tumore der Schilddrüse

Autonome Adenome ist die häufigste Variante gutartiger Tumore der Schilddrüse. Mutationen in zwei Genen sind für gut 70 Prozent von ihnen verantwortlich.

Hormone der Schilddrüse sind an der Steuerung vieler Funktionen des menschlichen Körpers beteiligt: Sie nehmen Einfluss auf den Zucker-, Fett- und Eiweißhaushalt, regeln die Körpertemperatur, den Herzschlag und den Kreislauf und vieles andere mehr. Beim Kind steuern sie zudem die Entwicklung von Gehirn und Nerven sowie das Knochenwachstum. Kein Wunder, dass eine Schilddrüsenüberfunktion sich bei den Betroffenen deutlich bemerkbar macht. Sie berichten häufig von einem anhaltenden Unruhezustand, einer ständigen Gereiztheit, Schlaflosigkeit, einem unerklärlichen Gewichtsverlust, vermehrtem Schwitzen und einem erhöhten Puls. Unbehandelt hat eine Schilddrüsenüberfunktion gravierende Folgen, vor allem eine erhöhte Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Auslöser einer solchen Schilddrüsenüberfunktion sind in vielen Fällen Schilddrüsentumore, von denen die überwiegende Zahl gutartig ist. Unter ihnen bilden autonome Adenome die Mehrheit.



 

Für autonome Adenome verantwortliche Mutationen

Im Grunde genommen sind autonome Adenom und ihre Entstehung mittlerweile gut erforscht. Bekannt ist, dass spezielle Mutationen in bestimmten Genen für rund 70 Prozent aller autonomer Adenome verantwortlich sind, erklärt Dr. Davide Calebiro vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie und Bio-Imaging Center der Universität Würzburg.

Unbekannt war bislang allerdings, ob diese Mutationen ausreichen, um Schilddrüsenzellen zu krankhaftem Wachstum und übermäßiger Hormonproduktion anzuregen – oder ob es dazu weiterer Faktoren bedarf. Unklar war auch, welche Faktoren an der Entstehung der übrigen 30 Prozent autonomer Adenome beteiligt sind. Bei der Suche nach weiteren Krankheitsursachen konnte ein internationales Team von Wissenschaftlern – unter Führung von Davide Calebiro, Luca Persani von der Universität Mailand und Ralf Paschke von der University of Calgary – unlängst einen Erfolg vermelden.

„Wir haben für unsere Studie insgesamt 19 autonome Adenome mit Hilfe des ‚Whole-Exome-Sequencings‘ untersucht“, beschreibt Calebiro die Vorgehensweise der Wissenschaftler. Mit dieser Technik wird nicht das komplette Erbgut der Zellen untersucht.

Im Mittelpunkt stehen nur die sogenannten Exons der Gene – also ausschließlich die Abschnitte, die tatsächlich auch in Proteine umgeschrieben werden. Zwischen ein und zwei Prozent beträgt normalerweise der Gesamtanteil der Exone („Exom“) an der DNA.

„Dabei konnten wir zeigen, dass ein bedeutender Prozentsatz dieser Adenome eine Mutation in einem Gen trägt, das in die Steuerung der Zellteilung und der Zelldifferenzierung involviert ist“, so Calebiro.

 

Genmutation führt zu vermehrter Zellteilung

EZH1 – oder Enhancer of Zeste Homolog 1 – lautet der wissenschaftliche Name dieses Gens. Mutationen dieses Gens stehen in einem engen Zusammenhang mit bereits bekannten Veränderungen anderer Gene, die ebenfalls für die Entstehung autonomer Adenome verantwortlich sind. Funktionelle Studien zeigen außerdem, dass Mutationen auf dem EZH1-Gen bestimmte Signalwege so verändern, dass sich Zellen der Schilddrüse vermehrt teilen.

„Wir konnten zeigen, dass eine Hot-Spot-Mutation in dem EZH1-Gen der zweithäufigste genetische Defekt in autonomen Adenomen ist“, fasst Davide Calebiro das zentrale Ergebnis der jetzt veröffentlichten Arbeit zusammen. Das gehäufte Auftreten zusammen mit anderen Mutationen spricht seiner Meinung nach für ein „Two-Hit-Model“, auf Deutsch: eine Zwei-Treffer-Hypothese. Demnach erhöht die erste Mutation die Veranlagung für die Entstehung von Tumoren; die zweite setzt dann den unheilvollen Prozess in Gang.




Literatur:

Recurrent EZH1 mutations are a second hit in autonomous thyroid adenomas. Davide Calebiro, Elisa S. Grassi, Markus Eszlinger, Cristina L. Ronchi, Amod Godbole, Kerstin Bathon, Fabiana Guizzardi, Tiziana de Filippis, Knut Krohn, Holger Jaeschke, Thomas Schwarzmayr, Rifat Bircan, Hulya Iliksu Gozu, Seda Sancak, Marek Niedziela, Tim M. Strom, Martin Fassnacht, Luca Persani, Ralf Paschke. Journal of Clinical Investigation, online published 08.08.16. doi:10.1172/JCI84894

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