Freitag, März 29, 2024

Alkohol am Arbeitsplatz häufig ein Tabuthema

Die Problematik Alkohol am Arbeitsplatz ist speziell in der Medienbranche aber auch in Gesundheitsberufen häufig zu beobachten – und auch besonders tabuisiert.

Eine große Anzahl der Berufstätigen sind alkoholkrank oder haben ein hohes Risiko dafür. Solche betroffenen Arbeitnehmer konsumieren täglich mehr als 60 Gramm beziehungsweise 40 Gramm reinen Alkohol. Das bedeutet, dass sie mehr als jene Menge trinken, die die Weltgesundheitsorganisation WHO als gesundheitsgefährdend einstuft. Erfreulicherweise widmen sich immer mehr Unternehmen in offener und kompetenter Weise dem Problem Missbrauch von Alkohol am Arbeitsplatz. Dennoch besteht nach wie vor Bedarf vor allem in Klein-, Mittel- und Familienbetrieben sowie in Institutionen des Gesundheits- und Sozialbereichs, der öffentlichen Hand und in der Medienbranche.



 

Teils hohe Mengen Alkohol am Arbeitsplatz wegen Stress und Belastung

20 Gramm entsprechen einem halben Liter Bier oder einem Viertel Wein, und diese Menge trinken Betroffene schnell weg, wenn Stress und Belastung bei der Arbeit sehr groß sind. Aufgrund permanenten Zeit- und Leistungsdrucks zählen die Medien- und die Gesundheitsbranche zu jenen Berufszweigen, in denen man sehr zum »Erleichterungsschluck« neigt, um Druck wegzutrinken und Probleme zu »lösen«, was aber lange Zeit in der Öffentlichkeit weniger bekannt war. Tatsächlich ist die Problematik Alkohol am Arbeitsplatz unter Journalisten ebenso wie zum Beispiel bei Ärzten in beträchtlichem Ausmaß beobachtbar – und besonders tabuisiert.

 

Risikofaktoren wie Trinksitten, Stress und Monotonie

Allgemein bekannter ist die Problematik Alkohol am Arbeitsplatz bei anderen Berufsgruppen. Spitzenreiter sind hier die Arbeitnehmer aus dem Bau- und Hilfsgewerbe, gefolgt von den Sicherheitsbranchen und den Beschäftigten in Gastgewerbe und Hotellerie. Einer der Hauptrisikofaktoren für den Missbrauch von Alkohol am Arbeitsplatz sind beispielsweise vorherrschende Trinksitten (wie das klassische, gemeinsame Bier unter Kumpels).

Aber auch Stress, Überforderung, Unterforderung, monotone Arbeit und mangelnder Einfluss auf Entscheidungsprozesse veranlassen viele Arbeitnehmer dazu, diese Probleme mit dem Konsum von Alkohol am Arbeitsplatz zu lösen.

 

Alkohol am Arbeitsplatz als wirtschaftlicher Faktor

Alkohol am Arbeitsplatz verursacht neben dem oft großen persönlichen Leid für Betroffene und deren Angehörige auch ökonomischen Schaden für die Gesellschaft.

Täglich entsteht bei Unternehmen ein alkoholbedingtes Defizit. Das können einerseits alkoholbedingte Krankenstände verursachen. Denn solche Ausfallzeiten kommen bei betroffenen Alkoholabhängigen im Schnitt dreimal so häufig vor. Im Vergleich zum Durchschnitt von Arbeitnehmern. Andererseits entstehen durch Alkohol am Arbeitsplatz Probleme sozialer Natur. Mit anderen Worten kommt es oft zu zusätzliche Belastungen für andere Mitarbeiter und Vorgesetzte. Aber auch durch Fehlleistungen der Alkoholkonsumenten entstehen Problem. Schließlich werden 30 Prozent aller Arbeitsunfälle durch Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit Alkohol am Arbeitsplatz verursacht.



Warum Alkohol am Arbeitsplatz aus unterschiedlichen Gründen von Führungskräften ignoriert wird

Viele Führungskräfte und Betriebsräte scheuen sich, entsprechende Gespräche mit gefährdeten oder bereits erkrankten Mitarbeitern zu führen. Denn es ist ihnen beispielsweise durchaus peinlich. Außerdem haben viele Verantwortliche zu wenig Wissen über die Risikofaktoren von Alkohol am Arbeitsplatz.

Weiters sind falsche Strategien im Umgang mit Alkoholkranken stark verbreitet. Wenn ein Suchtproblem bereits augenscheinlich ist, wird oft nicht die zuständige Füh­rungs­kraft aktiv. Stattdessen wird an Betriebsarzt, Betriebsrat oder Personalabteilung delegiert, die ihrerseits mit der Situation überfordert sind.

Eine kontraproduktive Praxis ist auch das Abschieben von unbequemen Mitarbeitern in andere Abteilungen. Häufig ist auch das so genannte Co-Abhängigkeitsverhalten zu beobachten. Chefs sehen beispielsweise über die offensichtlichen Verfehlungen hinweg. Oder Kollegen, die für alkoholkranke Mitarbeiter kurzfristig die Arbeit übernehmen. Mit solchen Strategien, die oft gut gemeint sind und zum Erhalt eines Arbeitsplatzes beitragen sollen, wird jedoch in Wirklichkeit verhindert, dass alkoholkranke Mitarbeiter sich mit der Krankheit auseinandersetzen müssen.

 

Früh erkennen

Das frühe Erkennen von zu viel Alkohol am Arbeitsplatz ist ein Qualitätsmerkmal der jeweiligen Unternehmenskultur. Führungskräfte sollten offenherzig ihren eigenen Trinkstil und den Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz reflektieren. Dementsprechend ist es auch notwendig, wichtige Informationen über Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit von Alkohol bereitzustellen. Dazu gehört das Erkennen von bestimmten Verhaltensweisen. Und zwar solche, die auf eine Alkoholgefährdung hinweisen könnten, und das Führen effektiver Konfrontationsgespräche mit möglichen betroffenen Mitarbeitern.




Literatur:

Wolfenden L, Goldman S, Stacey FG, Grady A, Kingsland M, Williams CM, Wiggers J, Milat A, Rissel C, Bauman A, Farrell MM. Légaré F, Ben Charif A, Zomahoun HTV, Hodder RK, Jones J, Booth D, Parmenter B, Regan T, Yoong SL. Strategies to improve the implementation of workplace-based policies or practices targeting tobacco, alcohol, diet, physical activity and obesity. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Nov 14;11(11):CD012439. doi: 10.1002/14651858.CD012439.pub2. PMID: 30480770; PMCID: PMC6362433.

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...