Konzept der Österreichischen Schmerzgesellschaft soll für wirkungsvolles Management postoperativer Schmerzen sorgen.
Jährlich leiden 120.000 Patientinnen und Patienten nach chirurgischen Eingriffen an chronischen postoperativen Schmerzen. Ein soeben in der Fachzeitschrift „Der Schmerz“ publiziertes Konzept der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) zeigt, wie sich die meisten Fälle durch gezieltes Schmerzmanagement vermeiden oder lindern ließen.
In österreichischen Krankenhäusern werden laut Spitalsentlassungsstatistik jährlich mehr als 1,2 Millionen Operationen durchgeführt. Etwa 20 bis 40 Prozent der Patientinnen und Patienten leiden danach unter starken Schmerzen. Bei etwa 120.000 werden sie chronisch und bleiben bei jedem Zehnten davon so stark, dass er mit massiven Beeinträchtigungen leben muss. Soweit die nüchternen Zahlen, die österreichische Schmerzexperten im Vorfeld der vom 11. bis 13. Mai stattfindenden Jahrestagung der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) präsentierten.
„Wir wissen, dass postoperative Schmerzen in aller Regel gut beherrschbar sind und dass bei entsprechendem Schmerzmanagement einer Chronifizierung effizient vorgebeugt werden kann“, betont der Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), OA Dr. Wolfgang Jaksch. „Dennoch wird postoperativen Schmerzen und ihrer Behandlung nach wie vor nicht jene Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdienen“.
In vielen Fällen bedeutet das nicht nur unnötige Schmerzen sondern auch unnötige Kosten: „Wir nehmen damit nicht nur Leid und eine Verschlechterung der Lebensqualität unserer Patientinnen und Patienten in Kauf. Komorbiditäten und längere Genesungsdauer resultieren in längeren Krankenhausaufenthalten, die das Gesundheits- und Sozialsystem zusätzlich belasten“, so Dr. Jaksch.
ÖSG legt Konzept für effiziente Schmerzbekämpfung vor
Ein adäquates und effektives Management perioperativer Schmerzen erfordert hohe Kompetenz und geeignete organisatorische Strukturen. Um beides zu verbessern, hat die ÖSG, gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), den operativ tätigen Fachgesellschaften und dem Pflegeverband ein Positionspapier erarbeitet, das jüngst auch im Wissenschaftsjournal „Der Schmerz“ publiziert wurde. „Unser Beitrag soll dabei unterstützen, das perioperative Schmerzmanagement optimal zu gestalten und bewährte Konzepte zu nutzen“, so Dr. Jaksch.
Schmerzbehandlung fängt mit der Erfassung an
Wie das Positionspapier aufzeigt, scheitert eine erfolgreiche Schmerzbehandlung in vielen Fällen schon daran, dass die Schmerzen gar nicht erst erhoben werden. „Die regelmäßige Erfassung postoperativer Schmerzen ist eine wichtige Voraussetzung für angemessene schmerzmedizinische Interventionen“, erklärt OÄ Dr. Gabriele Grögl-Aringer, die Wolfgang Jaksch auf der Jahrestagung als ÖSG-Präsidentin nachfolgen wird. Art und Intensität der Schmerzen sollten daher nicht nur bei der Aufnahme sondern auch unmittelbar nach der OP im Aufwachraum erfasst werden. Dort sollten die Patienten auch solange bleiben, bis sie ihre Schmerzen mit höchstens dem Wert 3 auf einer zehnteiligen Rating-Skala (NRS) beschreiben.
„Die optimalen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Empfehlungen sind dann gegeben, wenn Patienten präoperativ über die Möglichkeiten der perioperativen schmerzmedizinischen Versorgung informiert werden und postoperativ regelmäßige Schmerzvisiten durch ärztliches- und Pflegepersonal durchgeführt werden“, weiß Dr. Grögl-Aringer. „Aufgrund von Spardruck und Personalmangel drohen Akutschmerzdienste in Österreich, sofern sie überhaupt vorhanden sind, allerdings zunehmend eingeschränkt oder nicht fortgeführt zu werden“, kritisiert die Expertin.
Schmerzmanagement ist Teamarbeit
Ein anderer Faktor für unzureichendes Schmerzmanagement sind oft mangelhaft umgesetzte Konzepte oder unzureichend geregelte Verantwortlichkeiten. „Das perioperative Schmerzmanagement stellt eine multiprofessionelle und interdisziplinäre Verantwortung dar, in die jedenfalls die Anästhesiologie, das jeweils zuständige chirurgische Fach sowie die Pflege involviert sein müssen“, fasst Dr. Grögl-Aringer zusammen. „Sinnvoll ist die Einrichtung eines Teams, das aus Vertretern aller beteiligten Behandlungsbereiche und Berufsgruppen besteht und die Gesamtabläufe plant, steuert und gegebenenfalls anpasst“.
Moderne Schmerzmedizin ist multimodal und individualisiert
Grundsätzlich, so die Expertenempfehlung, sollte für die Therapie der perioperativen Schmerzen ein multimodaler Ansatz gewählt werden. „Durch die Kombination von unterschiedlichen analgetischen Substanzen mit unterschiedlichen Wirkungs- und Nebenwirkungsprofilen und unterschiedlichen Applikationsformen können in der perioperativen Schmerztherapie gute Behandlungsergebnisse erreicht werden“ so Dr. Grögl-Aringer. „Dazu kommt, dass neben medikamentösen Verfahren zunehmend auch nichtmedikamentöse Interventionen in den Behandlungsplänen berücksichtigt werden sollten“.
Weil viele Eingriffe spezielle Erfordernisse an die nachfolgende Behandlung stellen, listet das Positionspapier zahlreiche Besonderheiten der perioperativen Schmerztherapie bei ausgewählten Eingriffsarten auf. Darüber hinaus plädieren die Experten, die Patientinnen und Patienten nicht nur besser aufzuklären sondern auch aktiv in die Behandlung einzubinden. „International setzen sich zunehmend individualisierte, an die jeweilige patientenspezifische Situation angepasste therapeutische Strategien durch. Dabei gewinnen auch Optionen der patientenkontrollierten Analgesie (PCA) an Bedeutung“, so die Schmerzspezialistin Dr. Grögl-Aringer.
Quelle: Likar et al, Interdisziplinäres Positionspapier „Perioperatives Schmerzmanagement“. Schmerz 2017, DOI 10.1007/s00482-017-0217-y