Donnerstag, April 18, 2024

Wenn Kinder und Jugendliche an Rheuma-Erkrankungen leiden

Kinder und Jugendliche mit einer juvenilen idiopathischen Arthritis werden früher und häufiger mit krankheitsmodifizierenden Rheuma-Wirkstoffen behandelt.

Juvenile idiopathische Arthritis und Gelenkrheuma betrifft Kinder und Jugendliche am öftesten, diese Rheuma-Erkrankungen sind die häufigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters. Wobei die juvenile idiopathische Arthritis und Gelenkrheuma den kinderrheumatologischen Alltag völlig bestimmen. Diese Schätzungen werden durch aktuelle Daten zur Prävalenz von juveniler idiopathischer Arthritis der Barmer-Krankenkasse untermauert. Die Behandlung dieser sehr heterogenen Rheuma-Erkrankungen hat sich mit Einführung der Biologika vor 17 Jahren dramatisch geändert.

 

Kinder mit der Rheuma-Erkrankung juvenile idiopathische Arthritis

Kinder und Jugendliche mit juveniler idiopathischer Arthritis werden seitdem zunehmend früher und häufiger mit krankheitsmodifizierenden Rheuma-Medikamenten, einschließlich der biologischen Substanzen, behandelt. Mit den neuen Behandlungskonzepten gelingt es, anspruchsvolle Therapieziele, wie eine inaktive Erkrankung bzw. Remission und subjektive Beschwerdefreiheit, in den ersten 5 Erkrankungsjahren bei bis zu 90 Prozent der Patienten zu erreichen. Die zunehmend frühere und intensivere medikamentöse Therapie hat auch die Langzeitprognose der Patienten verändert. Das zeigen Daten des JIA-Registers für junge Erwachsene JuMBO, in dem bereits über

1.200 im Kindes- und Jugendalter mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten behandelte Patienten bis ins junge Erwachsenenalter beobachtet wurden. Aktuelle Daten führen vor Augen, wie eindrucksvoll sich das Outcome der Patienten verbessert hat. Wiesen diejenigen, die vor 10 Jahren die Erwachsenenrheumatologie erreichten, noch in etwa der Hälfte der Fälle Funktionseinschränkungen im Alltag und eine relevante Krankheitsaktivität auf, ist heutzutage hiervon nur noch etwa jeder dritte junge Rheumatiker betroffen. Auch Begleiterkrankungen werden seltener registriert. So tritt die rheumatische Augenentzündung Uveitis, eine gefürchtete, weil die Sehkraft bedrohende Komplikation der JIA, zunehmend seltener auf.

Wachstumsstörungen, vor allem ein Kleinwuchs, der vor 10 Jahren noch bei 5 Prozent aller Erwachsenen im JuMBO-Register konstatiert wurde, wird nur noch bei 0,5 Prozent der Patienten beobachtet. Darüber hinaus ist der Anteil der Patienten, die bereits im Alter zwischen 20 und 30 Jahren mit künstlichen Gelenken versorgt werden mussten, signifikant zurückgegangen. Erhielten vor 10 Jahren noch über 7 Prozent der jungen Rheumatiker mit schwerer Polyarthritis im Alter zwischen 20 und 30 Jahren künstliche Gelenke, sind es heute unter 2 Prozent. Insgesamt reduzierte sich über einen relativ kurzen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren die Krankheitslast bei den Betroffenen beträchtlich. Das spiegelt sich darin wider, dass die Patienten mit einer immer besseren Lebensqualität das Erwachsenenalter erreichen.

Die Registerdaten zeigen außerdem, dass die Prognose davon abhängt, wann bei schwerer JIA mit einer krankheitsmodifizierenden Therapie begonnen wird. Je früher und  konsequenter effektiv behandelt wird, desto besser ist das Outcome im Erwachsenenalter. Das betrifft herkömmliche Prognoseparameter wie Gelenkschädigungen und Funktionseinbußen. Das gilt aber auch für eine dauerhafte therapiefreie Remission. Erstmals konnte jetzt gezeigt werden, dass eine frühe Therapie bei der JIA die Wahrscheinlichkeit für eine therapiefreie Remission – das Therapieziel von Patienten und ihren Familien schlechthin – erhöht. Konkret haben wir beobachtet, dass jeder fünfte Patient, der bereits innerhalb der ersten 2 Erkrankungsjahre mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten, einschließlich Biologika, behandelt wurde, im jungen Erwachsenenalter in therapiefreier Remission war, während das nur auf 5 Prozent derjenigen mit einer entsprechenden Behandlung jenseits des fünften Erkrankungsjahres zutraf.

Ein früher Therapiebeginn setzt natürlich voraus, dass betroffene Kinder und Jugendliche rechtzeitig den Kinder- und Jugendrheumatologen erreichen. Hier gibt es aber leider noch Defizite. Noch immer braucht jedes zweite Kind länger als die empfohlenen 6 Wochen vom Symptombeginn bis zur Erstvorstellung beim Rheumatologen für Kinder und Jugendliche. Eine bessere Aufklärung der Bevölkerung kann hier hilfreich sein. Rheumakranke Kinder und Jugendliche werden in Deutschland heute von etwa 200 pädiatrische Rheumatologen fachlich versorgt.


Literatur:

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Quelle:

Rheuma in Kindheit und Jugend: Prognose bei früher Diagnose Redemanuskript von Professor Dr. med. Kirsten Minden, Kinderrheumatologin an der Universitäts-Kinderklinik, Charité, Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), Leiterin der AG Kinder- und Jugendrheumatologie am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Berlin

 

 

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