Mittwoch, November 5, 2025

Weniger Spenderherzen, mehr Herzunterstützungssysteme

Äquivalent zur abfallenden Anzahl der zur Verfügung stehenden Spenderherzen steigt die Anzahl implantierter Herzunterstützungssysteme.

Die Herzchirurgie betrachtet den eklatanten Mangel an Spenderherzen mit großer Sorge. Im Jahr 2017 manifestiert sich ein neuer Negativrekord mit nur 253 Herztransplantationen. Die Zahl wurde damit nochmals um 30 Transplantationen – im Vergleich zum bisher niedrigsten Stand von 2015 mit nur 283 Herztransplantationen – unterschritten. 51 Jahre nach der ersten Herztransplantation verlangt der mehr als gravierende Mangel auch nach gesundheitspolitischen Diskussionen und Entscheidungen, so, wie diese beispielsweise bereits in den europäischen Nachbarländern Österreich und Spanien realisiert wurden. Technischer Fortschritt und Innovation bieten bis dato keinen vollumfänglichen beziehungsweise adäquaten Ersatz für das komplexe menschliche Herz, zumal die Prognosen für Herztransplantierte mit einer Drei-Jahres-Überlebenschance nach erfolgreicher Organverpflanzung von circa 70 Prozent sehr hoch anzusiedeln sind.

Äquivalent zur abfallenden Anzahl der zur Verfügung stehenden Spenderherzen steigt 2017 die Anzahl implantierter Herzunterstützungssysteme in der Summe auf insgesamt 1 027 an, also um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2016: 1 001). Betrachtet man allein die Zeitspanne von 2007 mit 452 eingepflanzten Herzunterstützungssystemen im Vergleich zu2017, so zeigt der Anstieg von 127,2 Prozent den exponentiell steigenden Bedarf der letzten zehn Jahre. Bei irreversiblen akut oder chronisch herzinsuffizienten Patienten sind
Herzunterstützungssysteme die einzige Möglichkeit, das Überleben kurz-, mittel- und vor allem auch längerfristig zu sichern, bis ein geeignetes Spenderherz gefunden ist. In Ermangelung dieses werden Herzunterstützungssysteme auch als dauerhafte Langzeitlösung implantiert. Der vollständige Ersatz des menschlichen Herzens durch sogenannte Kunstherzen (Total Arteficial Heart) spielt aufgrund vielfältiger Aspekte auch weiterhin nur eine untergeordnete Position, von 2009 bis 2017 lag die Anzahl unter 30 und im Jahr 2017 wurden nur 7 Kunstherzen eingepflanzt.

Ein weiteres bedeutendes Thema der Herzchirurgie ist die Behandlung von Patienten mit Herzklappenerkrankungen. Nach den isolierten und kombinierten koronaren Bypass-Operationen sind die Herzklappenoperationen der zweithäufigste herzchirurgische Eingriff. Aortenklappenstenose und Mitralklappeninsuffizienz gehören hierbei zu den häufigsten erworbenen Herzklappenerkrankungen. Die Verengung beziehungsweise Undichtigkeit dieser Herzklappen tritt am zahlreichsten durch den altersbedingten Verschleiß auf und kann in Abhängigkeit von dem Patienten und dessen Begleiterkrankungen sowie weiteren Faktoren konventionell chirurgisch, minimalinvasiv oder kathetergestützt behandelt werden.

 

Leitlinie » For the management of valvular heart disease «

Die Mitte 2017 aktualisierte Leitlinie For the management of valvular heart disease der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) und der European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt für die Entscheidungsfindung bei Herzklappenerkrankungen die Abstimmung im interdisziplinären Herz-Team. Auf nationaler Ebene ist diese Empfehlung für bestimmte Herzklappenerkrankungen des Herz-Teams seit fast zwei Jahren (Juni 2016) in einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für minimalinvasive Herzklappeninterventionen verpflichtend manifestiert. Die Konsensfindung unter Berücksichtigung des bestmöglichen Verfahrens und unter Berücksichtigung vorliegender Langzeitergebnisse dient vorrangig der Patientensicherheit. Neben dem konventionellen und minimalinvasiven Operationsverfahren bieten kathetergestützte Eingriffe (TAVI) eine weitere schonendere Behandlungsoption für Risikopatienten mit vielfältigen Begleiterkrankungen. Im Vergleich zum Vorjahr 2016 mit 10 879 kathetergestützten Aortenklappenimplantationen wurden 2017 summa summarum mehr als 15 000 TAVIs durchgeführt. Die medizinische ESC/EACTS-Leitlinie empfiehlt bei Patienten mit einer erworbenen Aortenklappenstenose und einem niedrigen Risikoprofil (STS/EuroSCORE II unter 4 Prozent) den herzchirurgischen Eingriff unter Einsatz der Herz- Lungen-Maschine; ebenso bei Patienten mit einer Entzündung der Herzklappe, der sogenannten Endokarditis. Des Weiteren gilt bis zum Lebensalter von 75 Jahren und niedrigem Risikoprofil auch weiterhin die eindeutige Empfehlung für die herzchirurgische Operation. Für multimorbide und risikobehaftete Patienten (älter als 75 Jahre, STS/EuroSCORE II über 4 Prozent) ist die kathetergestützte Aortenklappenimplantation eine wesentliche Behandlungsoption. Bei den 2017 insgesamt 6 311 isolierten Mitralklappen-Operationen wurde bei circa 64 Prozent der Patienten die Mitralklappe rekonstruiert, auch nach Leitlinie das bestgeeignete Verfahren für die betroffenen Patienten. Das MitraClip-Verfahren als kathetergestützter Eingriff kommt insbesondere bei risikobehafteten Patienten mit besonderen Gesamtkonstellationen zum Einsatz. Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) sieht nicht nur bei der Behandlung der Herzklappenerkrankungen den interdisziplinären Ansatz als beste Basis für die Patientenversorgung und Patientensicherheit, sondern empfiehlt dies auch dringend für die koronare Herzerkrankung umzusetzen. Neueste Zahlen der DGTHG-Leistungsstatistik können unter presse@dgthg.de abgerufen werden.

Quelle:

Statement » Herzchirurgie sieht kritischen Mangel an Spenderherzen; Europäische ESC/EACTSLeitlinie
zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen 2017 wird ausdrücklich von Herzchirurgen befürwortet « von
Privatdozent Dr. med. Wolfgang Harringer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG); Chefarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Städtisches Klinikum Braunschweig beim 135. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

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