Freitag, April 19, 2024

Feldstudie zu tropenmedizinischen Erkrankungen: Krankheiten am Amazonas

Krankheiten am Amazonas im Blickpunkt: Feldstudie zur Prävalenz diverser tropenmedizinischer Erkrankungen entlang des Rio Trombetas, Amazonasbecken, Brasilien.

Seit jeher sind die nur mit Mühsal erreichbaren, vom Straßen – oder regulärem Schiffsverkehr abgeschnittenen und daher ökonomisch unerschlossenen Gebiete vom modernen medizinischen Betreuungssystem Brasiliens kaum berücksichtigt und es sind nur wenig Daten zur Prävalenz von Erkrankungen erhoben. Der im Amazonasbereich gelegene Bundesstaat Para ist mit 1.253.164 km² und nur etwa 5 Millionen Bewohnern einer der größten und ärmsten Bundesstaaten Brasiliens.

Neben der Metropole Belem am Mündungsgebiet des größten Fluss-Systems der Erde mit seinen zahlreichen Wasserläufen, sind lediglich Santarem auf halbem Weg flussaufwärts nach Manaus und Orixima wirtschaftlich relevante Städte mit einer ausreichenden medizinischen Versorgung und Infrastruktur.

 

Krankheiten am Amazonas im Blickpunkt: Medizinische Kerndaten der in Quilombos ansässigen Bevölkerung dieser Dorfgemeinschaften untersucht

Eine geschichtliche Besonderheit der ehemals portugiesischen Kolonie stellen in den verschiedenen Bundesstaaten Brasiliens noch immer vorhandene „Quilombos“ dar, Dorfgemeinschaften ehemaliger, in den Urwald entflohener Sklaven. Sie finden sich in weit abgelegenen Gebieten, in die sie sich damals zurückzogen, um ihren Peinigern und deren angeheuerten Kopfgeldjägern zu entkommen.

Diese Enklaven der im 17. und 18. Jahrhundert entsprungenen Sklaven umfassen heute entlang des Amazonaszubringers Rio Trombetas je etwa 50 Familien. Fischfang und bescheidener Ackerbau während der Trockenzeit bilden die Lebensgrundlage, ein einfaches Leben ohne Elektrizität in Palm- und Lehmhütten ist auch heute noch Realität.

Ziel unserer Feldforschung an Bord eines von der brasilianischen Gesundheitsbehörde zur Verfügung gestellten Expeditionsschiffes war die Erhebung medizinischer Kerndaten der in Quilombos ansässigen Bevölkerung und deren Gegenüberstellung zum urbanen Kollektiv am Fluss lebender Gemeinschaften im Bundesstaat Para.

 

Auf Parasiten und IgG-Antikörper gegen Plasmodium falciparum untersucht

Während der 10-tägigen Expeditionsfahrt am Unterlauf des Rio Trombetas besuchten wir zusammen mit wissenschaftlich und kurativ tätigen brasilianischen Kollegen aus verschiedenen Tropeninstituten des Landes die 4 Quilombos Aracua, Tapagem, Erepecu und Boa Vista mit je 200-300 Bewohnern sowie die Provinzhauptstadt Orixima.

Es wurden von freiwilligen Probanden 206 Blutproben und 196 Stuhlproben vor Ort entnommen. Das Blut wurde tiefgefroren und mittels Elisa an der Universitätsklinik von Sao Paulo auf IgG-Antikörper gegen Plasmodium falciparum untersucht. Die Stuhlproben wurden vor Ort an Bord des Schiffes mikroskopisch auf Parasiten untersucht.

 

Erkrankungen der Tropenmedizin: Risiko für Touristen

Die Auswertung ergab Folgendes: Die gesamte Prävalenz intestinaler Parasiten betrug in den Quilombos 84,3% gegenüber 55,5% im städtischen Bereich. Es fanden sich Entamoeba histolytica bei 47,1% versus 42,4%, Ascariden bei 35% gegenüber 9% und Ancylostoma bei 28% gegenüber 9% der Probanden.

Dramatisch zeigte sich auch die Verteilung von AK gegen Plasmodium falciparum: In den Quilombos waren 63% seropositiv gegenüber 28% in der Kontrollgruppe.

Diese hohe Prävalenz von IgG gegen den Malaria tropica-Erreger weist auf eine intensive Expositionsmöglichkeit in diesen Gebieten hin und stellt folglich ein zu berücksichtigendes Gesundheitsrisiko auch für Touristen dar.


Quelle:

Traxler H. (Ass. Prof. Dr. Hannes Traxler, Medizinische Universität Wien, Zentrum für Anatomie und Zellbiologie), Garcez L.M, Carvalhoo Coelho Traxler A., Traxler P., Cardoso B. Feldstudie zur Prävalenz diverser tropenmedizinischer Erkrankungen entlang des Rio Trombetas, Amazonasbecken, Brasilien 2004

Fotos von insgesamt vier wissenschaftlichen Flussexpeditionen in Amazonien sind unter www.tropenmedizin.at abrufbar.

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