Freitag, März 29, 2024

Stoml3 zur Therapie neuropathischer Schmerzen

Der neu entdeckte chemische Wirkstoff Stoml3 hemmt bei Mäusen einen Ionenkanal im Nervensystem und lässt so neuropathische Schmerzen verschwinden.

Schon die leichteste Berührung kann bei Menschen, die an Nervenverletzungen oder Erkrankungen wie der diabetischen Neuropathie leiden, einen heftigen Schmerz auslösen. Forscher am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) haben unlängst einen Weg gefunden, wie sich bei Mäusen durch Auftragen des neu entdeckten chemischen Wirkstoffs Stoml3 auf die Haut der Schmerz unterdrücken lässt.

Die Substanz Stoml3 hemmt einen Ionenkanal im Nervensystem, der verantwortlich ist für die Wahrnehmung leichten mechanischen Drucks. Eine Aktivierung dieses Kanals führt auch zu Schmerzen nach Verletzungen – die neue Substanz lässt diese Art von Schmerz verschwinden. Die Methode könnte auch beim Menschen funktionieren.

 

Stoml3 moduliert mechanische Empfindlichkeit des Ionenkanals Piezo2

Die Injektion eines Anästhetikums, wie beim Zahnarzt, betäubt das umliegende Gewebe. Oft ist dies der einzige Behandlungsansatz für Menschen, die an einer schmerzhaften Überempfindlichkeit leiden, wie sie häufig bei Nervenschädigungen auftritt. Anästhetika, die alle Funktionen mechanorezeptiver Nervenendigungen blockieren, unterdrücken zwar die Schmerzen. Sie verhindern aber auch, dass andere, wichtige Signale weitergeleitet werden.

Die Wissenschaftler haben mit Stoml3 eine Substanz ausfindig gemacht, die Schmerz durch mechanische Reize unterdrückt. Ohne dabei andere, wichtige Sinneswahrnehmungen zu stören. Molekulare Sensoren in der Haut –Piezo2 – nehmen sehr leichte Berührungen wahr. Diese Kanäle verhalten sich wie winzige Ventile in der Membran von Nervenzellen, die sich bei Beanspruchung durch Bewegungen der Haut öffnen. Im geöffneten Zustand passieren elektrisch geladene Teilchen das Ventil und es entsteht ein elektrisches Signal, das dann durch die Zelle verstärkt und an das Rückenmark weitergeleitet wird. Das Protein Stoml3 moduliert die mechanische Empfindlichkeit des Ionenkanals Piezo2.

 

Neue Substanz wirkt auf Stoml3 und unterdrückt so mechanische Reizwahrnehmung

Die Forscher unterzogen Stoml3 einem Wirkstoff-Screening, bei dem 35.000 verschiedene chemische Stoffe in groß angelegten In-Vitro-Experimenten getestet wurden. Sie fanden eine Substanz namens OB-1. OB-1 verhindert, dass sich mehrere Stoml3-Proteine zusammenlagern und hemmt damit die Funktion des Proteins. Folgende elektrochemische Messungen an Zellen bestätigten: wenn das geschieht, bleibt der Ionenkanal Piezo2 geschlossen.

Bei Mäusen hemmte die Chemikalie hemmte wirksam diese Art der mechanischen Wahrnehmung, andere Empfindungen blieben unbeeinträchtigt. Unter dem Einfluss von OB-1 ließ die Empfindlichkeit der Tiere auf leichten Druck deutlich nach. Nach Abklingen der Wirkung des Wirkstoffs kehrte die normale Empfindlichkeit wieder zurück.

OB-1 hatte einen dramatischen Effekt auf Tiere mit berührungsempfindlichen Schmerzen, die durch Nervenschädigung oder Diabetes verursacht wurden. Wurde die Haut mit der Substanz behandelt, eliminierte das diese Art von Schmerz vollständig. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Stoml3 in der Tat den Piezo2-Kanal moduliert. Die Funktion von Piezo2 so zu dämpfen wäre als eine Möglichkeit, die Krankheitssymptome zu behandeln.

 

Stoml3 – ein großer Schritt zur Behandlung neuropathischer Schmerzen

Die Wissenschaftler waren durch die Ergebnisse aus vielen Gründen ermutigt. Denn damit haben sie eine neue Strategie geschaffen. Und zwar aus dem Verständnis der Mechanismen, die Berührungsempfindungen in Schmerzen umwandeln. Soweit bisher bekannt, beeinflusst die Substanz nur eine ganz spezielle Art von Mechanorezeptoren, die sowohl mit Stoml3-Proteinen als auch mit Piezo2-Kanälen ausgestattet sind. Sie dämpft einerseits die Wahrnehmung von Schmerzreizen, ohne für das Tier wichtige Signale zu beeinträchtigen. Und die Wirkung ist reversibel. Die Weiterentwicklung des Wirkstoffs zur medizinischen Behandlung wird allerdings lange dauern.

Christiane Wetzel et al. (2016): „Small-molecule inhibition of STOML3 oligomerization reverses pathological mechanical hypersensitivity.“ Nature Neuroscience. doi:10.1038/nn.4454

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...