Samstag, April 20, 2024

Sonderformen des Diabetes werden oft verkannt und falsch behandelt

Häufig verkennt man verschiedene Sonderformen des Diabetes. Wobei Medikamente, Virusinfektionen, Mukoviszidose oder Gendefekte Auslöser sein können.

Im Grunde genommen sind die Stoffwechselerkrankungen Diabetes Typ 1, Diabetes Typ 2, Schwangerschaftsdiabetes allgemein gut bekannt. Was aber auch viele Ärzte nicht wissen ist, dass es auch Sonderformen des Diabetes gibt. Dadurch kommt es bei den Sonderformen immer noch zu einer falschen Behandlung, weil man eine falsche Diagnose stellt. Und zwar kommt es vor allem auch zu Verwechslungen mit anderen Diabetesformen.

 

Sonderformen des Diabetes erkennen

Deswegen erklären Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), wie die selteneren Sonderformen des Diabetes erkennen kann. Und worauf man bei der Therapie beachten muss. „Die Ursachen einer Diabetes-Sonderform sind vielfältig und können von genetischen Erkrankungen über hormonelle Störungen bis hin zu Infektionen reichen“, sagt DDG Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer. Auch die langfristige Einnahme von steroidhaltigen Medikamenten, etwa Kortison, kann zu einer Ausbildung dieses Typs führen.

Alle Sonderformen besitzen dabei das gleiche Merkmal wie die „klassischen“ Diabetes-Erkrankungen. Und zwar verursachen sie einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel, der dringend zu regulieren ist. „Allerdings unter Beachtung der jeweiligen Grunderkrankung, weshalb die Therapien erheblich voneinander abweichen können“, betont Kellerer. Im Zweifel sollten sich Betroffene an eine Schwerpunktpraxis oder spezialisierte klinische Fachabteilung wenden.

 

Häufigen Diabetes-Auslöser Kortison nach Möglichkeit absetzen

Unters dem Strich gehört die Behandlung mit Kortison zu den häufigsten Auslösern von Diabetes. Die Patienten leiden oft an Rheuma, Asthma, Morbus Crohn sowie anderen entzündlichen oder onkologischen Erkrankungen. „Hier lautet die gute Nachricht: Der Diabetes kann sich komplett zurück entwickeln, wenn das Kortison ausgeschlichen wird“, erläutert Kellerer. „Ob eine medikamentöse Umstellung möglich ist, sollten die Patienten mit ihren behandelnden Ärzten abklären.“

Im Grunde genommen ist das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes umso größer, je höher die Kortison-Dosis ist. Außerdem ist die Länge die Therapiedauer mitentscheidend. Dabei sind spezielle Patientengruppen besonders. Dazu zählen adipöse Patienten, solche mit familiärer Vorbelastung sowie Patienten, die einen Langzeit-Blutzuckerwert HbA1C über 5,7 Prozent haben. „Ist das Weglassen des Kortisons nicht möglich oder normalisieren sich die Blutzuckerwerte nach dem Ausschleichen nicht, basiert die Therapie wie beim Typ-2-Diabetes zunächst auf Ernährungsumstellung und mehr Bewegung“, so Kellerer. Dann folgen Antidiabetika in Tablettenform sowie am Ende Insulin.

 

Mukoviszidose zieht in jedem zweiten Fall Diabetes nach sich

Zu den Sonderformen des Diabetes gehört auch ein gestörter Glukosestoffwechsel, der sich infolge der Erbkrankheit Mukoviszidose entwickelt. Ab einem Alter von 26 Jahren erkrankt jeder zweite Mukoviszidose-Patient zusätzlich an Diabetes. Dabei sind Frauen deutlich früher und häufiger als Männer betroffen. „Dann hängt die Lebenserwartung auch von der Diabetesbehandlung ab“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Neu, Vize-Präsident der DDG.

Da der Diabetes bei Mukoviszidose-Kranken oft ohne erkennbare Symptome verläuft, sollten Patienten ab einem Alter von zehn Jahren jährlich auf Diabetes gescreent werden. Aber: „Blutuntersuchungen allein mit dem HbA1c-Wert liefern nicht immer zuverlässige Ergebnisse“, berichtet Neu. Nüchtern-Blutzuckerbestimmungen etwa seien eine sinnvolle Ergänzung.

 

Vollwertige Ernährung bei Mukoviszidose und Diabetes ist lebenswichtig

Bei der Behandlung gibt es Besonderheiten. Generell gilt: Je untergewichtiger die Patienten, desto größer ihr Diabetes-Risiko. „Deshalb ist es vorteilhaft, Mukoviszidose-Patienten zu einem höheren Body-Mass-Index zu verhelfen“, erklärt Neu. Sie müssen vollwertig ernährt werden, auch in Bezug auf Salze und Kohlenhydrate. „In vielen Praxen werden die Patienten immer noch als Typ 2 eingestuft, die dann lernen, sich kalorienarm zu ernähren“, so Neu. Das sei für Erkrankte mit eingeschränkter Bauchspeicheldrüsenfunktion und Untergewicht in Hinsicht auf die Lebenserwartung äußerst problematisch.

Laut Leitlinie sollen Mukoviszidose-Patienten mit Diabetes Insulin erhalten. Dies geschieht bislang jedoch nur bei drei Viertel der Patienten. „Der Rest wird diätetisch oder mit oralen Antidiabetika behandelt“, erläutert Neu. Die Leitlinien raten jedoch aufgrund der schlechteren Wirksamkeit von Tabletten ab. Diabeteskranke Mukoviszidose-Patienten kommen, im Gegensatz zu Typ-1-Diabetespatienten, lange ausschließlich mit Insulin zu den Mahlzeiten gut aus. Sie benötigten oft erst nach Jahren ein zusätzliches Basalinsulin.

 

„MODY“: Genetisch fixierte Sonderformen des Diabetes

Zu den häufigeren Sonderformen des Diabetes gehören auch die sogenannten „MODY-Diabetes“-Typen. Wobei diese auf unterschiedlichen genetischen Defekten beruhen und von Generation zu Generation weitervererbt werden. MODY steht für „Maturity Onset Diabetes of the Young“. Die genetischen Defekte bewirken, dass die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr richtig funktionieren und demzufolge die Insulinproduktion eingeschränkt ist.

„Die Patienten sind meist normalgewichtig, weshalb bei ihnen manchmal fälschlicherweise Diabetes Typ 1 diagnostiziert wird“, sagt DDG Experte Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland. „Gentests geben Aufschluss, auch der Ausschluss von Antikörpern, die bei Typ 1 vorhanden sind.“ Das ist wichtig für die Therapie. Denn MODY-Diabetespatienten können gegebenenfalls zunächst gut mit Bewegung und ballaststoffreicher Ernährung behandelt werden, dann mit Tabletten. Erst in späteren Stadien ist eine Insulintherapie erforderlich.

 

Bauchspeicheldrüsen-Entzündung und Virusinfektionen als Ursache

Außerdem sollte man noch andere Forme kennen. Dazu zählen Virusinfektionen, die ebenfalls einen Diabetes der dritten Gruppe auslösen können. Zudem sind Fehlfunktionen des Immunsystems, hormonelle Störungen sowie das Down-Syndrom weitere Trigger. Ebenso führt die akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse in 15 Prozent der Fälle zu einem permanenten Diabetes der dritten Gruppe. „Sind Gallensteine der Grund für die Entzündung, kann sich der Diabetes nach deren Entfernung zurückbilden“, erläutert Professor Dr. med. Baptist Gallwitz.

Eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse, sehr häufig bedingt durch Alkoholmissbrauch, löst in etwa der Hälfte der Fälle Diabetes aus. „Über die genaue Sonderform des Diabetes – und in der Konsequenz auch über die Therapie – entscheidet letztlich die Ursache“, resümiert DDG Mediensprecher Gallwitz.

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

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