Donnerstag, März 28, 2024

Profession Interdisziplinarität – Qualifizierte Zusammenarbeit im Notfall-Team

Unter dem Motto Profession Interdisziplinarität ging die 12. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin erfolgreich zu Ende.

Gut 800 Mitarbeiter von Rettungsdiensten, der Krankenhauspflege sowie Ärzte aller Fachrichtungen tauschten in Stuttgart drei Tage lang ihre aktuellen notfallmedizinischen Erkenntnisse aus, diskutierten in wissenschaftlichen Symposien und Sitzungen mit hochrangigen nationalen und internationalen Experten über evidenzbasierte Notfallmedizin und alltägliche Erfahrungen aus der Praxis und trainierten in zahlreichen Workshops, Teamtrainings und Simulationsübungen sowohl individuelle praktische Fertigkeiten als auch die Teamfähigkeit.

Die vielfältigen Kongressthemen machten deutlich, wie sehr die Bedeutung der interdisziplinären Notfall- und Akutmedizin durch wissenschaftlichen Fortschritt, demographischen Wandel und aktuelle sozio-ökonomischen Entwicklungen der letzten Jahren weiter zugenommen hat und dass höchste Anforderungen an Organisation, medizinische und pflegerische Versorgung gestellt werden.

Professionalisierung des Notfall-Teams

„Entsprechend unserem Kongressmotto haben wir die Diskussion um das wichtige Kernthema der Tagung, die weitere Professionalisierung der Pflege insbesondere im Bereich der Notaufnahmen, ein gutes Stück vorangebracht“, betonte Tagungsleiter Prof. Dr. med. Tobias Schilling, Interdisziplinäre Notaufnahme (INA) am Klinikum Stuttgart. „Das wurde gemeinsam und interdisziplinär geleistet. Pflege und Ärzte im Team werden als Partner verstanden, dieser Ansatz ist einzigartig bei der DGINA!“ Die Kongresspräsidenten stammten hälftig aus Pflege und Ärzteschaft: neben Prof. Schilling  Dr. med. Stefan Kühner, Zentrale Notaufnahme Ostalb-Klinikum Aalen, Martin Monninger, Zentrale NotaufnahmeKreiskliniken Reutlingen GmbH und Ingrid Heinrich, Interdisziplinäre Notfallaufnahme (INA) Klinikum Stuttgart. Bei den Vorträgen wechselten sich Ärzte und Pflege ab.

Im Vordergrund stand die Rolle und Bedeutung der Pflege, von der in der Notaufnahme außergewöhnlich viel Wissen und Können erwartet wird: vom Schlaganfall über den Herzinfarkt, von der Frakturversorgung und Gipsen bis hin zum beatmungspflichten Notfallpatienten die ganze Bandbreite der Behandlungen in allen Fachrichtungen. „Pflege in der Notfallbehandlung muss bereit sein,  zusammen mit den Ärzten im Team JEDES Problem von Notfallpatienten anzunehmen und zu lösen“, betonte Prof. Schilling. „Bisher gab es bei der Pflege keine entsprechende Ausbildung, es musste im Alltag gelernt werden. Hier bedarf es schon lange einer entsprechenden Weiterbildung und Anerkennung.“ Dieser notwendigen Professionalisierung in der Notfallpflege trage die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Rechnung, indem sie die „Weiterbildung Notfallpflege“ empfiehlt und diese auf die gleiche Stufe einer Pflegekraft auf der Intensivstation mit Fachweiterbildung für Anästhesie und Intensivpflege stellt.

Ausgehend von diesem wichtigen Schritt zur fachlichen Qualifikation der Pflege sollten noch weitere Weiterbildungsprogramme aufgelegt werden: „Als Pendant für die Pflege brauchen wir für die ärztlichen Mitarbeiter in den Notaufnahmen ebenfalls einen Facharzt oder eine Zusatzweiterbildung“, so Prof. Schilling. „Wir hinken hier Jahrzehnte anderen Ländern wie zum Beispiel England, USA, Australien und weiteren Ländern hinterher: Dort ist die ‚emergency medicine‘ und der ‚emergency doctor‘ eine anerkannte ärztliche Fachrichtung mit hohem Ansehen.“

Die in Berlin bereits anerkannte ärztliche Zusatzweiterbildung „Klinische Notfall- und Akutmedizin“ wurde von der DGINA und der DIVI gemeinsam bei der Bundesärztekammer eingereicht und durchläuft als „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ derzeit das Verfahren zur Aufnahme bei der Musterweiterbildungsordnung. Der scheidende Präsident der DGINA, Prof. Dr. med. Christoph Dodt, begrüßt diesen Schritt: „Nach langem Ringen gibt es endlich eine Perspektive für diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die ihre berufliche Perspektive im Bereich der Notfallmedizin sehen“.

Interdisziplinarität von Arzt und Pflege

Zur Optimierung der Zusammenarbeit im Notaufnahme-Team wurden bei der notfallmedizinischen Fachtagung Organisationsstrukturen der Notfallmedizin in anderen Ländern vorgestellt. In gemeinsamen Diskussionen versuchten Ärzte und Pfleger, den Begriff „wahre Interdisziplinarität“ im Notfallteam zu definieren, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Arzt und Krankenpflege weiter voranzubringen und zu neuen Ideen für die weitere Arbeit zu inspirieren.

Mit vielfältigen Pro-und-Contra Diskussionen und fallorientierten TED-Abstimmungen waren die Kongressteilnehmer aktiv mit einbezogen. Bei einer neuen Art von Simulation, bei der eine Gruppe von Ärzten an einer Simulationspuppe eine Notfallversorgung übte und die Zuschauer mittels einer TED-Abstimmung bei schwierigen Entscheidungen „hautnah“ integrierte, konnten diese selbst entscheiden, was sie als nächstes tun würden. Das gleiche Prinzip der Integration von Zuhörern verfolgten TED-basierte Fallvorstellungen, bei denen Fälle aus der Praxis vorgestellt und die Zuhörer mittels TED gefragt wurden, wie sie entschieden hätten.

Notfallversorgung der Zukunft

Ein weiterer wichtiger Fokus lag auf der Notfallversorgung der Zukunft. Prof. Dr. med. Christoph Dodt stellte die zentralen Forderungen der DGINA für die Neustrukturierung der Notfallversorgung vor, die in Notfallzentren zusammengefasst und an den Krankenhäusern angesiedelt werden sollte. Indem die Patienten die Notaufnahmen der Krankenhäuser rund um die Uhr als zentrale Anlaufstellen nutzen, in denen qualitativ hochwertige diagnostische Möglichkeiten und fachärztliche Behandlungen zur Verfügung stehen, erkennen sie die besonderen Qualität der Notfallmedizin, aus einer Vielzahl von unspezifischen Symptomen lebensbedrohliche Zustände schnell zu erkennen und zu behandeln. In vielen Fällen sei das  lebensrettend, da sich bei einem von 10 Patienten, der zu Fuß in die Notaufnahme kommt, ein bedrohlicher Notfall herausstellte.

„Es erfordert ganz besondere Anstrengungen der Politik und der beteiligten Körperschaften, um jederzeit eine hochqualitative Notfallversorgung überall in Deutschland gewährleisten zu können“, betonte Prof. Dodt.  „Die DGINA fordert angesichts der gewachsenen medizinischen Aufgaben und den veränderten Rahmenbedingungen die dringend notwendige Neustrukturierung der medizinischen Notfallversorgung gemeinschaftlich, abgestuft und klar gesteuert.“

Ausblick DGINA 2018

Zur 13. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin laden die Tagungspräsidenten Constanze Schwarz, Dr. Heike Höger-Schmidt, Thomas Lorenz und Konrad Schumann vom 27. bis 29. September 2018 in die Kongresshalle nach Leipzig ein.

Weitere Informationen sowie das wissenschaftliche Programm gibt es unter www.dgina-kongress.de.

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