Donnerstag, Oktober 3, 2024

Muskuloskelettale Erkrankungen in einer älter werdenden Gesellschaft

Muskuloskelettale Erkrankungen treten durch eine immer älter werdende Gesellschaft, Übergewicht und starker Bewegungsarmut immer öfter auf.

Die höhere Sterblichkeit, weit verbreitetes Übergewicht und häufiger Bewegungsmangel verursachen immer mehr Patienten mit Krankheiten an Muskeln, Knochen und Gelenken. Neben den häufig mit Schmerzen verbundenen Leiden für die Patienten bringen Muskuloskelettale Erkrankungen auch erhebliche volkswirtschaftliche Konsequenzen mit sich, da sie zu Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung führen. Im Gegenzug werden immer bessere Behandlungsmöglichkeiten entwickelt.



 

Muskuloskelettale Erkrankungen sind sehr verbreitet

In Europa gibt es rund 120 Millionen Menschen, denen Muskuloskelettale Erkrankungen – Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems – das Leben schwer machen. Dazu zählen

  • entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylitis oder Myositiden;
  • degenerative Krankheiten wie etwa Arthrose, Osteoporose oder Sarkopenie,
  • chronische Schmerzsyndrome wie Rückenschmerzen und Fibromyalgien.

Muskuloskelettale Erkrankungen haben Rang 1 bei der Analyse der Krankheitslasten – „burden of disease“ – in entwickelten Ländern. Auch deshalb können bessere Therapiemöglichkeiten einen großen Beitrag zur Bewältigung der Folge der demographischen Entwicklung leisten.

Auffällig ist bei einigen Krankheiten die ungleiche Häufigkeitsverteilung bei den Geschlechtern. An rheumatoider Arthritis erkranken Frauen etwa dreimal häufiger als Männer. Dafür kommt es bei Männern doppelt so häufig wie bei Frauen zur ankylosierenden Spondylitis, dem Morbus Bechterew.

Bei der juvenilen idiopathischen Arthritis – der häufigsten rheumatischen Erkrankung von Minderjährigen – findet sich je nach Subtyp eine andere Geschlechterverteilung. Osteoporose wiederum tritt ab dem 50. Lebensjahr deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern auf. Die Ursachen sind noch weitgehend ungeklärt.

 

Neue Wirkstoffe für rheumatische Erkrankungen

Für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Beschwerden konnten die Behandlungsmöglichkeiten in den letzten 20 Jahren enorm verbessert werden. Dazu haben neben den klassischen chemisch-synthetischen Medikamenten vor allem Biologika beigetragen: eine Gruppe meist Antikörper-basierter Wirkstoffe, die in verschiedene Immunprozesse eingreifen.

Trotz der vielfältigen Therapiealternativen kann nicht allen Patienten mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten wirksam geholfen werden. Für diese Patienten werden neue monoklonale Antikörper und Immunkonstrukte in verschiedenen Formaten entwickelt und Kinasehemmer aus der Krebstherapie geprüft.

 



 

Auch in anderer Hinsicht könnte die Onkologie künftig die Therapie der Autoimmunkrankheiten befördern, da sie im Rahmen der Immunonkologie ähnliche Effektorzellen und Steuerkreise betrachtet, allerdings aus anderem Blickwinkel.

Es gibt bereits erfolgreiche Versuche, Entzündungsprozesse durch Stärkung regulatorischer T-Zellen mit Interleukin-2 zu dämpfen. Dies soll bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes zukünftig Hilfe bringen.

Weitere Ansatzpunkte für künftige Therapien stellen microRNAs in Fibroblasten am Entzündungsort dar – einige von ihnen stellen proinflammatorische Regulatoren dar. Diese sollen zukünftig mit komplementären RNA-Analoga, sogenannten antago-miRs, spezifisch neutralisiert werden.

Um entzündlich-rheumatische Krankheiten wirklich ausheilen zu können, ist es laut einigen Experten nötig, das pathogene immunologische Gedächtnis des Körpers zu löschen. An diesem Phänomen dürften langlebige Gedächtnis-Plasmazellen beteiligt sein, die die Entzündung durch dauerhafte Ausschüttung von Autoantikörpern aufrecht¬erhalten. Auch Gedächtnis-B- und -T-Lymphozyten könnten in ähnlicher Weise beitragen.

Eine selektive Dezimierung von Gedächtniszellen vom B-, T- oder Plasmazelltyp ist möglich und zeigt auch für die Dauer der Anwendung Wirkung, führt aber nicht zu dauerhafter Therapiefreiheit. Nötig wäre es wohl, sämtliche pathogenen Gedächtniszellen zu zerstören – idealerweise allerdings unter Schonung der physiologischen Gedächtniszellen. Tatsächlich gibt es erste Ansätze für einen selektiven Eingriff in das Immungedächtnis.

 

Muskuloskelettale Erkrankungen: Osteoarthrose

Wesentlich häufiger als alle entzündlichen Erkrankungen ist die muskuloskelettale Osteoarthrose der Gelenke: Sie betrifft mehr als die Hälfte aller 65-Jährigen. Behandelbar ist sie heute im Wesentlichen nur symptomatisch oder durch operativen Austausch des betroffenen Gelenks durch eine Endoprothese. Gesucht werden kausale Therapien, etwa Medikamente, die die arthrotischen Degenerationsprozesse aufhalten können.



Das Verständnis für die zellulären und molekularen Vorgänge bei Arthrose wird größer. So kommt es in den Chondrozyten der Gelenkknorpel zur Reaktivierung embryonaler Differenzierungsmuster.

Möglicherweise spielt auch eine Rolle, dass im Knorpel gebundene lösliche Chemokine unter Belastung oder mit dem Alter verloren gehen.

Hier könnten Ansatzpunkte für neue Therapien liegen. Ihre Entwicklung steht allerdings vor der besonderen Herausforderung, dass das wichtigste Symptom – der Arthroseschmerz – nur schlecht mit dem Grad der Knorpeldegeneration assoziiert ist.

Klinisch erprobt wird bereits die Injektion des gentechnisch hergestellten Wachstumsfaktors rhFGF18. Dies fördert die Proliferation von Chondrozyten und mittelbar die Bildung von mehr Knorpelmatrix.

 

Muskuloskelettale Erkrankungen: Osteoporose

Bei Osteoporose ist die Balance zwischen Knochenabbau und Knochenneuaufbau gekippt. Das führt zu verringerter Knochenmasse und einer defizitären Mikroarchitektur. Dagegen sind eine Reihe von Medikamenten verfügbar, die teils den Abbau verlangsamen, teils den Aufbau anregen; mit keinem davon gelingt allerdings eine volle Wiederherstellung belastbarer Knochen.

In der Steuerung der Knochenhomöostase könnten weitere Ansatzpunkte für noch wirksamere Wirkstoffe zu finden sein. Inhibitoren der Protease Cathepsin K beispielsweise greifen wirksam in den Knochenabbau ein; Antikörper, die den Botenstoff Sclerostin abfangen (der auf gedrosselte Knochenaufbau hinwirkt); sollen zur Steigerung der Knochenbildung beitragen.



 

Krankheiten der Muskulatur

Während die Krankheiten der Knochen und Gelenke hohe Aufmerksamkeit erfahren, werden die Krankheiten der Muskulatur weit weniger beachtet. Dabei führen auch sie zu viel individuellem Leid und einer hohen Belastung für das Gesundheitswesen.

Das gilt beispielsweise für die idiopathischen Myositiden. Diese durch Autoimmunprozesse hervorgerufenen Muskelentzündungen lassen sich in der Mehrzahl der Fälle mit konventioneller Immunsuppressiver Therapie kontrollieren. In Einzelfällen werden Biologika eingesetzt. Schwieriger ist die Therapie-Situation bei Muskeldystrophien – einer klinisch und genetisch heterogenen Gruppe von Erbkrankheiten.

Die Krankheiten führen zu fortschreitendem Verlust von Muskelfunktion. Eine Reihe von Therapien in der Entwicklung zielen darauf ab, zugrunde liegende Defekte im Dystrophin-Gen zu überwinden:

durch zellbasierte Therapieansätze, virusbasierte Gentherapie oder Medikamente, die die Translation des betroffenen Gens beeinflussen (Exon Skipping oder Stop-Codon Readthrough). Andere bezwecken, durch Eingriff in Stoffwechselwege das Muskelwachstum anzuregen und Entzündung sowie Fibrose im Muskel zu reduzieren.

 

Sarkopenie

Von wachsender Bedeutung ist auch die Sarkopenie, die meist altersassoziierte Abnahme der Skelettmuskulatur. Eine Sarkopenie kann jedoch auch im Rahmen von Erkrankungen oder bei Adipositas auftreten. Ihre Auswirkungen sind erhöhte Sturz- und Frakturgefahr, reduzierte Insulinsensitivität, verminderte Lebensqualität, verbunden mit einer erhöhten Belastung für das Gesundheitswesen.

In der Erforschung der Sarkopenie sei noch viel Grundlagenarbeit zu leisten. Die Diagnosekriterien werden laufend überarbeitet, um die verschiedenen Sarkopenie-Phänotypen erfassen zu können. Als möglicherweise klinisch aussagefähigstes Maß für die Sarkopenie wird seit kurzem der Quotient von Muskelmasse und Body-Mass-Index verwendet.




Literatur:

Shayan Senthelal; Jinpu Li; Amandeep Goyal; Pankaj C. Gupta; Mark A. Thomas. Arthritis. StatPearls [Internet].

Pap T. Osteoarthrose – nur symptomatische oder auch kausale Therapie?. Drug Res (Stuttg). 2015;65 Suppl 1:S11–S12. doi:10.1055/s-0035-1558062


Quelle:

http://www.paul-martini-stiftung.de/

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