Samstag, Juni 14, 2025

Lecithin fördert die Myelin-Produktion bei Charcot-Marie-Tooth-Krankheit

Bei der Charcot-Marie-Tooth-Krankheit verbessert Lecithin als Nahrungsergänzung eingesetzt die Myelin-Produktion erkrankter Schwannzellen.

Die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit (CMT) ist die häufigste erbliche Erkrankung des peripheren Nervensystems und betrifft über 2 Millionen Menschen weltweit. Mit einer Häufigkeit von 1:2.500 gilt die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung als „seltene Erkrankung“. Forscher des Max-Planck-Instituts für Experimentelle Medizin (MPI-EM) Göttingen und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben nun bei Charcot-Marie-Tooth-Krankheit Lecithin als Nahrungsergänzung eingesetzt und damit vielversprechende Ergebnisse im Zusammenhang mit der Myelin-Produktion erzielt.

 

Charcot-Marie-Tooth-Krankheit durch Gendefekt

Die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit ist eine erbliche Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der sich aufgrund eines Gendefektes das Gens für PMP22 verdoppelt. Benannt wurde die Erkrankung ihren Entdeckern Jean-Martin Charcot (1825–1893), Pierre Marie (1853–1940) und Howard Tooth (1856–1926).

Die ersten Symptome dieser zu den sogenannten hereditären Neuropathien zählenden langsam fortschreitenden Nervenschädigung (CMT1A) – wie Gehschwierigkeiten oder Fußdeformitäten – manifestieren sich teilweise bereits in sehr jungen Jahren. Charcot-Marie-Tooth verursacht dann in weiterer Folge verschiedene Sensibilitätsstörungen: Die Patienten leiden an unterschiedlich starken sensorischen und motorischen Einschränkungen wie Taubheit, Kribbeln und Schmerzen.

 

Charcot-Marie-Tooth-Krankheit: Erkrankte Schwannzellen können nicht ausreichend Myelin produzieren

Die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit gilt bislang als nicht heilbar, die grundlegenden Erkrankungsmechanismen sind nach wie vor nicht bekannt. Mit Hilfe von genetisch veränderten Ratten haben Forscher des Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin und der Universitätsmedizin Göttingen in Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern aus Leipzig, Würzburg, Heidelberg und Aachen herausgefunden, dass die sogenannte – durch Charcot-Marie-Tooth erkrankte – Schwannzellen während der Entwicklung wegen eines gestörten Fettstoffwechsels nicht ausreichend Myelin bilden können.

Hintergrund ist, dass die Fortsätze von Nervenzellen im peripheren Nervensystem, die Axone, über ihre gesamte Länge von Stützzellen umgeben sind. Diese Schwannzellen umhüllen die Axone mit einer isolierenden fettreichen Schicht, dem Myelin, welches eine schnelle Weiterleitung elektrischer Impulse ermöglicht. „Die Myelin-Produktion ist für die Schwannzellen sehr aufwendig. Bei einer Störung wie der Charcot-Marie-Tooth Erkrankung bleiben viele Nervenfasern ohne Myelin, und sind damit in ihrer Funktion beeinträchtigt.“ erklärt der Erstautor der Studie, Dr. rer. nat. Robert Fledrich, Institut für Anatomie der Universität Leipzig und Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin.

 

Schwannzellen nutzen Lecithin für Myelin-Produktion

Lecithin beschreibt eine Gruppe chemischer Verbindungen (Phosphatidylcholine), bei denen es sich um Phospholipide handelt. Im Grunde genommen setzt sich Lecithin aus Fettsäuren, Glycerin, Phosphorsäure sowie Cholin zusammen und ist ein Hauptbestandteil von Myelin. Zudem kann man Lecithin als harmlose Nahrungsergänzung einnehmen. Offensichtlich kann man die beeinträchtigte Fettproduktion der Schwannzellen 
mit Gabe von Lecithin umgehen und so die Myelin-Produktion bei der Charcot-Marie-Tooth-Krankheit verbessern.

In der vorliegenden Arbeit konnten die Wissenschaftler in Zellkulturexperimenten und in weiterer Folge in genetisch veränderten Ratten zeigen, dass Phospholipide, Lecithin, von Schwannzellen aufgenommen und für die Myelin-Produktion genutzt werden können.

Im Vergleich zu gesunden Ratten (links): Ratten mit Charcot-Marie-Tooth-Krankheit (Mitte) zeigen weniger mit Myelin ummantelte Nervenfasern (blaue Ringe). Die Therapie mit Lecithin (rechts) erhöht die Anzahl myelinisierter Fasern. © umg / mpi-em
Im Vergleich zu gesunden Ratten (links): Ratten mit Charcot-Marie-Tooth-Krankheit (Mitte) zeigen weniger mit Myelin ummantelte Nervenfasern (blaue Ringe). Die Therapie mit Lecithin (rechts) erhöht die Anzahl myelinisierter Fasern. © umg / mpi-em

Durch mehrere Therapiestudien von erkrankten Ratten mit Lecithin in unterschiedlichen Dosen und Behandlungszeiträumen haben die Forscher nicht nur herausgefunden, dass eine Therapie mit Phospholipide die Myelinisierung fördert. Das Lecithin brachte auch maßgebliche Linderung im Krankheitsverlauf, und zwar unabhängig vom Behandlungsbeginn.

Die Forscher weisen deswegen darauf hin, dass die vielversprechenden Ergebnisse aus den Tiermodellen sowie das bekannt gute Sicherheitsprofil mit guter Verträglichkeit Lecithin als Behandlungsoption für die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit und möglicherweise auch für andere Erkrankungen wie Multiple Sklerose mit beeinträchtigter Myelin-Produktion geeignet sein könnte.


 

Literatur:

Fledrich R, Abdelaal T, Rasch L, Bansal V, Schütza V, Brügger B, Lüchtenborg C, Prukop T, Stenzel J, Rahman RU, Hermes D, Ewers D, Möbius W, Ruhwedel T, Katona I, Weis J, Klein D, Martini R, Brück W, Müller WC, Bonn S, Bechmann I, Nave KA, Stassart RM, Sereda MW. Targeting myelin lipid metabolism as a potential therapeutic strategy in a model of CMT1A neuropathy. Nat Commun. 2018 Aug 2;9(1):3025. doi: 10.1038/s41467-018-05420-0. PMID: 30072689; PMCID: PMC6072747.

Bouçanova F, Chrast R. Metabolic Interaction Between Schwann Cells and Axons Under Physiological and Disease Conditions. Front Cell Neurosci. 2020 May 29;14:148. doi: 10.3389/fncel.2020.00148. PMID: 32547370; PMCID: PMC7274022.

Quellen:

Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin (MPI-EM) Göttingen, Universitätsmedizin Göttingen (UMG)

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