Dienstag, April 23, 2024

Problem Klimawandel und Hitze bei Menschen mit Diabetes mellitus

Der Klimawandel spielt für Menschen mit Diabetes mellitus eine besondere Rolle, denn sie haben beispielsweise eine erhöhte Hitze bedingte Sterblichkeit.

Während der Corona-Pandemie gingen andere wichtige gesundheitliche Probleme wie schlechte Ernährung und zu wenig Bewegung sehr unter. Wobei Übergewicht und Bewegungsmangel große Risikofaktoren für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes sowie Mitverursacher für gesundheitliche Folgen wie Fettleber, Bluthochdruck, Herz- und Gefäßerkrankungen sind. Zudem erleiden Menschen mit Diabetes auch eher einen schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19. Aber auch der Klimawandel, Hitzewellen beziehungsweise extreme Hitze spielen für Menschen mit Diabetes mellitus eine besondere Rolle.

 

Problem Klimawandel für Patienten mit Diabetes mellitus: denn sie leiden besonders an hoher und extremer Hitze

Gegen Ende des 21. Jahrhunderts wird die globale Durchschnittstemperatur voraussichtlich um 4 Grad Celsius ansteigen. In unseren Breiten soll zudem die Erderwärmung stärker sein als der weltweite Durchschnitt. Aktuellen Berechnungen zufolge wird die Temperatur hier um 5,9 Grad Celsius steigen. Diese Veränderungen des Klimas betreffen nicht nur die Temperatur, sondern auch extreme Wetterereignisse. Hitzewellen werden häufiger auftreten, länger andauern und intensiver sein.

Dementsprechend könnte der Klimawandel dazu führen, dass die Temperaturen ein Maß erreichen, das die physiologische Fähigkeit des Menschen, die Körpertemperatur zu regulieren, übersteigt. Nur durch weitreichendere Maßnahmen können wir die Erwärmung auf 2 Grad Celsius oder sogar 1,5 Grad Celsius begrenzen. Menschen mit Diabetes mellitus sind besonders anfällig für die Klimawandel-Auswirkungen. Bei größerer Hitze steigt ihr Risiko, infolge von Hitzewellen zu sterben.

Im Allgemeinen hängt die Anpassung des Körpers an Hitze davon ab, dass Wärme durch Schwitzen abgegeben wird, was als feuchter Hitzeaustausch bezeichnet wird. Zudem erweitern sich die Blutgefäße in der Haut, um den trockenen Hitzeaustausch zu fördern. Bei Menschen mit Diabetes mellitus funktionieren diese physiologischen Anpassungsmechanismen jedoch nur eingeschränkt. Daher ist ihr feuchter Hitzeaustausch beeinträchtigt.

 

Auch die Aktivität sympathischer Nervenbahnen scheint bei Menschen mit Diabetes mellitus herabgesetzt.

Bei Menschen mit Diabetes mellitus sind sowohl die Funktion der Schweißdrüsen als auch die Regulierung der Spannung in den Blutgefäßen erheblich beeinträchtigt. Dadurch kann es zu einer Störung der Gefäßerweiterung kommen, was wiederum die Anpassungsfähigkeit an Hitze verringert. Diese verminderte Fähigkeit, auf thermische Reize zu reagieren, resultiert aus sowohl peripheren als auch zentralen Störungen, die die regulierenden Mechanismen der Schweißdrüsen und Blutgefäße betreffen.

Bei Menschen mit Diabetes mellitus ist die Anpassung an den Klimawandel und die Hitze noch schlechter, wenn sie gleichzeitig Übergewicht oder Adipositas haben. Die verminderte Hitzetoleranz bei Menschen mit Diabetes mellitus lässt sich durch das ungünstigere Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen erklären. Im Vergleich zu Menschen mit Normalgewicht ist die Oberfläche für den trockenen Hitzeaustausch bei Menschen mit Adipositas in Relation zum Volumen kleiner. Zudem weist das Fettgewebe eine geringere Wärmekapazität auf als die Muskelmasse, wodurch die Wärmeabgabe bei Menschen mit Adipositas langsamer erfolgt.

 

Erhöhtes Risiko einer Hypoglykämie

Die Auswirkungen hoher Außentemperaturen aufgrund des Klimawandels sind besonders gravierend für Menschen mit Diabetes mellitus, insbesondere für insulinpflichtige Patienten. Bei einem erhöhten Blutfluss für den trockenen Hitzeaustausch wird das Insulin schneller als gewöhnlich im Körper verteilt und aufgenommen, was das Risiko einer Hypoglykämie erhöht.

Im Gegensatz dazu kann es bei Menschen mit Diabetes mellitus, die nicht ausreichend mit oralen Antidiabetika behandelt werden, zu einer Hyperglykämie kommen. Dadurch steigt die Osmolalität des Blutes, was den Hitzeaustausch weiter behindert und zu Dehydrierung führen kann.

Ein weiterer Faktor für Stoffwechselentgleisungen ist die Temperaturempfindlichkeit von Insulin und auch oralen Antidiabetika. Die derzeit auf dem Markt erhältlichen Insuline sind alle temperaturempfindlich und werden bei Temperaturen über 30 Grad Celsius zerstört.

 

Steigende Zahl von Patienten mit Diabetes mellitus in Ländern, in denen der Klimawandel extreme Hitze verursacht

Die Zahl der Menschen mit Diabetes mellitus wird in den nächsten Jahrzehnten vor allem in Ländern zunehmen, in denen der Klimawandel zu extrem hohen Temperaturen führt. Menschen mit Diabetes mellitus steuern einen überproportional großen Anteil an der Gesundheitslast des Klimawandels bei, da sie wegen ihrer eingeschränkten Fähigkeit zur Wärmeregulation eine signifikant erhöhte Hitzemorbidität und Mortalität aufweisen.

 

Anpassung der Therapie von Diabetes bei Hitzewellen

Da Hitzewellen sowohl zu vermehrten Hypo- als auch Hyperglykämien führen können, ist es notwendig, die Diabetestherapie in diesen Perioden anzupassen. Bei insulinpflichtigen Patienten sollte aufgrund der verstärkten Insulinwirkung die Insulindosis reduziert werden, um die Gefahr von Hypoglykämien zu minimieren. Aufgrund der Temperatursensibilität von Insulin ist die richtige Lagerung (2 bis 8 Grad Celsius) gerade in Hitzeperioden von enormer Wichtigkeit.

 

Fazit

Die zunehmende Hitzebelastung durch die Erderwärmung und das vermehrte Auftreten von akuten Hitzewellen sind Folgen des Klimawandels. Durch die größere Hitze führt der Klimawandel damit bei Menschen mit Diabetes zu einer erhöhten Sterblichkeit. Dies trifft sowohl für allmählich steigende, moderate Temperaturen als auch für Hitzewellen zu.

Des Weiteren erhöht vermehrte Hitze sowohl die Sterblichkeit, die Diabetes direkt zugeschrieben wird (Todesursache: Diabetes), als auch die durch andere Hitze vermittelte Ursachen bedingte Sterblichkeit („Effektmodifikation“). Es bedarf daher einer gerade in Hitzeperioden umfassenden Strategie.


Quelle:

Diabetes und Klimawandel. Dr. med. Erhard G. Siegel Chefarzt und Ärztlicher Direktor am St. Josefskrankenhaus Heidelberg. 15. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). Oktober 2021.

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