Der Klimawandel spielt für Menschen mit Diabetes mellitus eine besondere Rolle, denn sie haben beispielsweise eine erhöhte Hitze bedingte Sterblichkeit.
Während der Corona-Pandemie gingen andere wichtige gesundheitliche Probleme wie schlechte Ernährung und zu wenig Bewegung sehr unter. Beispielsweise sind Übergewicht und Bewegungsmangel große Risikofaktoren für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes sowie Mitverursacher für gesundheitliche Folgen wie Fettleber, Bluthochdruck, Herz- und Gefäßerkrankungen oder auch einen schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19. Aber auch der Klimawandel, Hitzewellen beziehungsweise extreme Hitze spielen für Menschen mit Diabetes mellitus eine besondere Rolle.
Problem Klimawandel für Patienten mit Diabetes: sie leiden besonders an hoher und extremer Hitze
Gegen Ende des 21. Jahrhunderts wird ohne politische Gegensteuerung eine globale Mitteltemperatur von + 4 Grad Celsius erreicht. Wenig beachtet ist, dass in Deutschland die Erderwärmung über dem weltweiten Durchschnitt liegen wird, nach aktuellen Berechnungen bei + 5,9 Grad Celsius. Klimabedingt ändern sich aber nicht nur die Wettervariablen wie die Temperatur, sondern auch extreme Wetterlagen. So werden Hitzewellen an Häufigkeit, Dauer und Stärke zunehmen.
Der Klimawandel wird unter dem aktuellen Szenario ohne zusätzliche, massive Klimapolitik zu Temperaturen führen, die die physiologische Fähigkeit zur Temperaturregulierung überfordert. Erst wesentlich umfassendere Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen und eine Stärkung der CO2-Einsparungen, etwa durch massive Aufforstung, können die Erwärmung auf + 2 Grad Celsius beziehungsweise + 1,5 °C verringern.
Jedenfalls haben Menschen mit Diabetes mellitus zudem eine erhöhte Hitze bedingte Sterblichkeit. Im Grunde genommen ist die Anpassung bei Hitze beim Menschen allgemein bestimmt durch den feuchten Hitzeaustausch über das Schwitzen. Weiter durch den trockenen Hitzeaustausch über den verstärkten Hautblutfluss mittels Gefäßerweiterung. Bei Personen mit Diabetes mellitus funktionieren diese physiologischen Anpassungsmechanismen bei Hitze nur eingeschränkt. Der feuchte Hitzeaustausch ist folglich eingeschränkt.
Auch die Aktivität sympathischer Nervenbahnen scheint bei Menschen mit Diabetes mellitus herabgesetzt.
Sowohl die Funktion der Schweißdrüsen als auch die Einstellung der Spannung der Blutgefäße sind dadurch massiv beeinträchtigt. Weiterhin kann die Gefäßerweiterung gestört sein und die Hitzeanpassung wird vermindert. Diese verminderte Thermosensitivität bei Menschen mit Diabetes mellitus ist bedingt durch periphere und zentrale Störungen der regulierenden Schweißdrüsen und Blutgefäße.
Bei Menschen mit Diabetes mellitus ist die Anpassung an Hitze noch schlechter, wenn sie gleichzeitig Übergewicht oder Adipositas haben. Diese verminderte Hitzetoleranz erklärt sich aus deren ungünstigerem Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen. Die Oberfläche für trockenen Hitzeaustausch ist bei Menschen mit Adipositas relativ zum Volumen kleiner als bei Menschen mit Normalgewicht. Schließlich zeigt das Fettgewebe eine niedrigere Wärmekapazität als die Muskelmasse, sodass die Wärmeabgabe bei Menschen mit Adipositas langsamer erfolgt.
Erhöhtes Risiko einer Hypoglykämie
Die Folgen hoher Außentemperaturen durch den Klimawandel sind für Menschen mit Diabetes mellitus gravierend, besonders für insulinpflichtige Patienten. Bei erhöhtem Blutfluss für den trockenen Hitzeaustausch wird das Insulin schneller als üblich im Körper verteilt und aufgenommen mit dem erhöhten Risiko einer Hypoglykämie.
Im Gegensatz dazu kann es bei Menschen mit Diabetes mellitus, die nur unzureichend mit oralen Antidiabetika eingestellt sind, zu einer Hyperglykämie kommen, die wiederum die Osmolalität des Blutes erhöht. Das behindert weiter den Hitzeaustausch behindert und eine Dehydrierung kann die Folge sein.
Ein weiterer Grund für Stoffwechselentgleisungen ist die Temperatursensibilität von Insulin und auch oralen Antidiabetika. Die aktuell auf dem Markt existierenden Insuline sind alle temperaturempfindlich und werden bei Temperaturen über 30 Grad Celsius zerstört.
Steigende Zahl von Patienten mit Diabetes in Ländern, in denen der Klimawandel extreme Hitze verursacht
Die Zahl der Menschen mit Diabetes mellitus wird in den nächsten Jahrzehnten vor allem in Ländern zunehmen, in denen der Klimawandel zu extrem hohen Temperaturen führt. Menschen mit Diabetes mellitus steuern einen überproportional großen Anteil an der Gesundheitslast des Klimawandels bei, da sie wegen ihrer eingeschränkten Fähigkeit zur Wärmeregulation eine signifikant erhöhte Hitzemorbidität und Mortalität aufweisen.
Anpassung der Therapie von Diabetes bei Hitzewellen
Da Hitzewellen sowohl zu vermehrten Hypo- als auch Hyperglykämien führen können, ist es notwendig, die Diabetestherapie in diesen Perioden anzupassen. Bei insulinpflichtigen Patienten sollte aufgrund der verstärkten Insulinwirkung die Insulindosis reduziert werden, um die Gefahr von Hypoglykämien zu minimieren. Aufgrund der Temperatursensibilität von Insulin ist die richtige Lagerung (2 bis 8 Grad Celsius) gerade in Hitzeperioden von enormer Wichtigkeit.
Fazit
Die zunehmende Hitzebelastung durch die Erderwärmung und das vermehrte Auftreten von akuten Hitzewellen sind Folgen des Klimawandels.
Hitze führt bei Menschen mit Diabetes zu einer erhöhten Sterblichkeit. Dies trifft sowohl für allmählich steigende, moderate Temperaturen als auch für Hitzewellen zu. Des Weiteren erhöht vermehrte Hitze sowohl die Sterblichkeit, die Diabetes direkt zugeschrieben wird (Todesursache: Diabetes), als auch die durch andere hitzevermittelte Ursachen bedingte Sterblichkeit („Effektmodifikation“). Es bedarf daher einer gerade in Hitzeperioden umfassenden Strategie.
Quelle:
STATEMENT » Diabetes und Klimawandel « Professor Dr. med. Erhard G. Siegel Chefarzt und Ärztlicher Direktor am St. Josefskrankenhaus Heidelberg. 15. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). Oktober 2021.