Donnerstag, April 25, 2024

Geophagie als suchtartiges Verhalten

Erde essen wird als Geophagie bezeichnet. Das in Afrika oft suchtartige Verhalten könnte eine entgiftende Wirkung der Erde als Hintergrund haben.

Als Geophagie bezeichnet man das regelmässige Erde essen – 30 bis 80 Prozent der Menschen in Afrika, insbesondere Frauen, verzehren permanent lehmhaltige Erde. Dabei werden täglich immerhin zwischen 100 und 400 Gramm konsumiert. „Vor allem schwangere und stillende Frauen haben praktisch immer Erde dabei. Man kann das am Markt günstig erwerben“, sagt Ruth Kutalek vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien (Institut für Sozialmedizin). Die Ursache dieses Verhaltens, das es früher auch weit verbreitet in Europa und Asien gab, ist noch ungeklärt und weitgehend unerforscht.

Unlängst konnte eine Studie an der MedUni Wien zeigen, dass es sich dabei um ein suchtartiges Verhalten handelt. Die im renommierten „The American Journal of Tropical Medicine and Hygiene“ erschienene Untersuchung beschreibt Erde-Essen als Craving – ähnlich wie Heißhunger auf Schokolade oder als eine Art „Belohnung“. Betroffene Menschen konsumieren Lehmerde oft als Snack zwischendurch und berichten, dass sie ohne die Substanz nicht auskommen können.

 

Geophagie – Erde essen – könnte entgiftende Wirkung haben

Der Hintergrund könnte aber ein anderer sein – und ist zugleich vielschichtig: In der Erde sind Lehmanteile enthalten, die Giftstoffe (Toxine) binden, ähnlich wie in Kohletabletten gegen Durchfallerkrankungen. Diese Lehmanteile können einerseits den pH-Wert der Magensäure beeinflussen und gegen Sodbrennen wirken – viele der Frauen in Afrika ernähren sich hauptsächlich von Mais, Maniok und Bohnen –, andererseits gibt es Hinweise, so Kutalek, dass die Erde auch gegen Schwangerschaftsübelkeit wirkt. Daher gilt Geophagie bei vielen afrikanischen Ethnien als „weiblich“ und der vermehrte Verzehr von Erde steht als Zeichen dafür, dass eine Frau schwanger ist. Männer greifen hingegen immer häufiger zu Erde, vor allem weil Lehmerde auch als natürliches Stimulans gilt.

 

Geraten wird, das Erde essen zu reduzieren

Im Sinne der öfentlichen Gesundheit ist Erde-Essen bedenklich – zumindest in großen Mengen. Denn in der Erde wurden, insbesondere in Afrika, sehr viele Schwermetalle wie etwa Blei oder Quecksilber nachgewiesen, was vor allem den ungeborenen Babys, aber auch den Müttern und anderen Erwachsenen schadet.

Eine Reduktion des Konsums ist daher unbedingt ratsam. Die Empfehlung, gänzlich damit aufzuhören, ist schwierig umzusetzen, weil suchartiges Verhalten schwer von heute auf morgen zu ändern ist.

Übrigens greifen auch aus Afrika stammende MigrantInnen in Europa aus Gewohnheit zu Erde. Portioniert gibt es sie in exotischen Supermärkten zu kaufen. Und selbst in Reformhäusern wird „Heilerde“ zur Anwendung angeboten. Ein Verzehr dieser Erde ist allerdings nicht ratsam.

Service: The American Journal of Tropical Medicine and Hygiene
Geophagy in Northern Uganda: Perspectives from Consumers and Clinicians.“ Lena Hübl, Stephan Leick, Lukas Güttl, Grace Akello and Ruth Kutalek. Am.J.Trop.Med.Hyg., 95(6), 2016, pp. 1440-1449. Doi:10.4269/ajtmh.15-0579.

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