Freitag, April 19, 2024

Lebertransplantation nach Gallengangsatresie vermeiden

Die Lebertransplantation nach der seltenen Gallengangsatresie gehört zu den häufigsten Gründen für eine Transplantation bei Kindern und Babys.

Die Gallengangsatresie ist eine seltene Erkrankung des Babys, die in 1:3000 bis 1:20.000 Neugeborenen vorkommt, die Angaben zur Häufigkeit variieren. Dabei sind die ableitenden Gallenwege außerhalb der Leber verschlossen und der Galleabfluss in den Darm ist nicht gewährleistet. Jedenfalls ist eine Operation erforderlich, um einen Ableitungsweg für die Gallenflüssigkeit aus der Leber herzustellen. Babys mit Gallengangsatresie, bei denen man keine OP nach Kasai durchen kann, sollten spätestens bis zum Alter von 2 Jahren eine Lebertransplantation erhalten.

 

Gallengangsatresie – Patienten zentralisieren

Der Pathomechanismus ist unverändert unbekannt, dagegen ist das Behandlungsziel bei Gallengangsatresie klar. Die eigene Leber des Patienten soll überleben, auch um damit Spenderorgane sparen zu können.

Um hier die Situation zu verbessern, zentralisiert man zum Beispiel in Großbritannien Patienten mit Gallengangsatresie. Dementsprechend erfolgte 2004 die Reduktion von 15 auf drei Zentren. Dadurch stieg das Gesamtüberleben von 84 Prozent auf 90 Prozent, das Überleben mit eigener Leber aber von 30 Prozent auf 46 Prozent an.

Andere europäische Länder mit einer Zentralisation dieser Patientengruppe sind Norwegen, Finnland, Dänemark, Holland sowie die Schweiz.

 

Erfahrung mit der Gallengangsatresie-OP nach Kasai

In Deutschland zeigte eine Datenerhebung von 2001 bis 2005, dass 29 Kliniken die sogenannte OP nach Kasai angeboten haben. Bei der Kasai-Operation wird – nach Entfernung des narbigen Rests der außerhalb der Leber verkümmerten Gallenwege – eine Dünndarmschlinge so an die sogenannte Leberpforte angeschlossen, dass Galle abfließen kann, sofern die Gallenwege in der Leber ausreichend funktionieren. Das Überleben lag bei 83 Prozent aller Kinder.

Wenn diese Kinder in einer der sieben Kliniken mit mehr als fünf Patienten pro Jahr betreut wurden, dann überlebten 26,4 Prozent mit eigener Leber. Wenn hingegen die Klinik Erfahrung mit nur unter fünf Patienten pro Jahr hatte, dann sank diese Quote auf 7,7 Prozent. Insgesamt 118 von 183 Kindern erhielten eine Lebertransplantation.

 

Zentralisierung in Deutschland

In einer aktuellen Überprüfung der Situation (2010 bis 2015) hat sich die Zahl der Anbieter einer Kasai-Operation bereits auf 15 reduziert. Elf Kliniken betreuen weiterhin unter fünf Patienten pro Jahr, nur vier Kliniken über fünf Patienten pro Jahr.

Transplantationen erfolgen in sieben Zentren. Diesen Weg weiterzugehen, verspricht ein höheres Überleben mit der eigenen Leber. Weiters ein Einsparen vermeidbarer Lebertransplantationen und einen sorgsamen Umgang mit den wenigen Spenderorganen.

Zudem kommt hier ein ökonomischer Aspekt in die Diskussion, da die Behandlungskosten zehn Jahre nach einer erfolgreichen Kasai-Operation bei 18.000 Euro liegen, nach einer Lebertransplantation bei circa 150.000 Euro. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie arbeitet deshalb aktuell an einem Plan, Babys mit Gallengangsatresie an fünf Zentren zusammenzuziehen.

Hierbei muss natürlich neben der fachlichen Expertise an den Wunsch der Familien nach einer wohnortnahen Behandlung gedacht werden. Andererseits sollen die Patienten in diesen Zentren gegebenenfalls bis zur und einschließlich der Transplantation betreut werden. Hierzu bedarf es natürlich nicht nur der chirurgischen, sondern auch der pädiatrisch-gastroenterologischen Qualifikation. Was aussieht wie die Quadratur des Kreises, lässt sich – wie in Großbritannien gezeigt – durchaus umsetzen.


Quelle:

Expertenstatement Gallengangsatresie, Zentralisierung und Lebertransplantation. Professor Dr. med. Peter P. Schmittenbecher, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie e.V. (DGKCH). Direktor der Kinderchirurgischen Klinik, Städtisches Klinikum Karlsruhe. 136. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, März 2019, München.

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