Episodisches Gedächtnis ist schneller als gedacht: sich an frühere Ereignisse zu erinnern, scheint im Gehirn schneller als bisher vermutet vonstatten zugehen.
Bislang ging man davon aus, dass ein episodisches Gedächtnis – also die Erinnerung an persönliche Erlebnisse – einem relativ langsamen Prozess unterliegt, der rund eine halbe Sekunde dauert. In dem Prozess reaktiviert das Gehirn Sinnesinformationen, die während des ursprünglichen Erlebnisses wahrgenommen wurden, zum Beispiel werden die Areale des Sehsinns auf bestimmte Weise aktiv. Doch ein episodisches Gedächtnis ist schneller als gedacht.
Nur 0,2 Sekunden bis zur sensorischen Reaktivierung
Die aktuelle Studie ergab, dass die Reaktivierung der Sinnesinformationen während des episodischen Erinnerns nur zwischen 0,1 und 0,2 Sekunden erfordert. Das fanden die Neurowissenschaftler mittels EEG heraus, einer Methode, die die Hirnaktivität mit hoher zeitlicher Auflösung verfolgt.
Des Weiteren zeigte das Team, dass der Prozess entscheidend für das erfolgreiche Erinnern einer Episode ist. Verhinderten die Forscher die Reaktivierung von eingespeicherten Informationen des Sehsinns durch sogenannte transkranielle Magnetstimulation, störte das den Abruf der Erinnerungen. Die Studie führten sie in zwei Teilen an der Universität Konstanz durch.
Episodisches Gedächtnis und psychische Störungen
„Die Ergebnisse könnten helfen, psychische Störungen zu verstehen, bei denen Menschen unter wiederkehrenden traumatischen Erinnerungen leiden“, sagt Dr. Gerd Waldhauser, früher in Konstanz, heute an der Ruhr-Universität Bochum tätig. „Es wäre hilfreich, wenn man in den Abruf dieser traumatischen Erinnerungen eingreifen könnte. Aber natürlich erfordert das weitere Studien.“
Im Gegensatz zum semantischen Gedächtnis, das Fakten speichert, ist episodisches Gedächtnis – jede episodische Erinnerung – einzigartig und an einen bestimmten Ort und Zeitpunkt gebunden. „Man hat gedacht, dass das Gehirn eine Weile braucht, um im Hippocampus – einer wichtigen Region für das Langzeitgedächtnis – danach zu suchen“, erklärt Dr. Simon Hanslmayr von der University of Birmingham. „Unsere Ergebnisse rütteln an dieser Vorstellung, denn sie zeigen eine sehr schnelle Reaktion des Gehirns.“
Quelle:
Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum und University of Birmingham